Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 8 S 2083/99) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM bestimmt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen der Beschwerde ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO erfüllt sind.
1. Das vorinstanzliche Gericht verneint die Klagebefugnis der klagenden Gemeinde. Die Beschwerde macht dazu geltend, das Gericht weiche damit von zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (Urteil vom 20. März 1964 – BVerwG 7 C 10.61 – BVerwGE 18, 154 ≪157≫ – und Beschluss vom 21. Januar 1993 – BVerwG 4 B 206.92 – NVwZ 1993, 884) und beruhe auf dieser Abweichung. Das trifft indes nicht zu.
Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Rechtssatz mit einem widersprechenden Rechtssatz abgerückt ist. Das ist nicht der Fall. Das Erstgericht stellt die von der Beschwerde als sog. Möglichkeitstheorie bezeichnete Auslegung und Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO nicht in Frage. Es prüft nach Maßgabe des materiellen Rechts, ob aufgrund des festgestellten Sachverhalts eine Verletzung von Rechten der Klägerin in Betracht kommt. Das Gericht kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsverletzung ausgeschlossen sei. Der Beschwerde ist einzuräumen, dass die vorinstanzliche Prüfung sich einer inhaltlichen Sachprüfung nähert. Dies beruht jedoch nicht auf einer abweichenden Auffassung des Erstgerichts über den Rechtscharakter des § 42 Abs. 2 VwGO, sondern auf der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten „vorgezogenen” Klagemöglichkeit bei abschnittsweiser Planung (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 16.95 – Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997, 491). Entstehen bei einer planungsrechtlichen Abschnittsbildung sog. Zwangspunkte, ist zwar Rechtsschutz gegenüber dem vorherigen Teilabschnitt auch für denjenigen gegeben, der in seinen Rechten unmittelbar durch den weiteren Ausbau des ihn erst dann berührenden Teilabschnitts betroffen sein kann. Diese Möglichkeit, die Ausnahmecharakter besitzt, setzt jedoch voraus, dass tatsächlich ein „Zwangspunkt” gegeben ist. Nur wenn dies bejaht wird, setzt die weitere Prüfung ein, ob – bezogen auf den folgenden Abschnitt – eine Rechtsverletzung in Betracht kommt. Aus diesem Grunde ist es prozessual nicht fehlerhaft, wenn das vorinstanzliche Gericht näher prüft, ob die geltend gemachte Ausnahme tatsächlich gegeben ist.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Planfeststellung einer Bundesfernstraße in Abschnitten zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 = DVBl 1996, 907; Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 = NVwZ 1997, 169; Urteil vom 7. März 1997 – BVerwG 4 C 10.96 – BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914; Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = DVBl 1992, 1435; Beschluss vom 2. November 1992 – BVerwG 4 B 205.92 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92; Beschluss vom 24. Februar 1998 – BVerwG 4 VR 13.97 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 136 = NVwZ 1998, 1178). Danach kann ein Dritter, der nicht unmittelbar durch den planfestgestellten Abschnitt betroffen wird, durch die Abschnittsbildung in seinen Rechten verletzt sein, wenn ein früherer Abschnitt für einen späteren Abschnitt einen „Zwangspunkt” setzt. Das ist allerdings nicht bereits dann der Fall, wenn eine andere Trassenführung im späteren Abschnitt lediglich unvernünftig wäre (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 – BVerwG 4 A 16.95 – a.a.O.). Das Erstgericht legt diese Rechtsprechung zugrunde.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob ein Zwangspunkt dann anzunehmen ist, wenn ein weiterer Streckenverlauf nur bei Rückbau des vorlaufenden Abschnitts in Betracht kommt, rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde legt mit ihrem Vorbringen einen Sachverhalt zugrunde, den das Erstgericht so nicht festgestellt hat. Das vorinstanzliche Gericht hat näher geprüft, ob für den weiteren Abschnitt noch Planungsvarianten vorhanden sind, welche jedenfalls eine Zwangsläufigkeit der Streckenführung ausschließen. Dies hat es bejaht. Von diesen tatrichterlichen Feststellungen hat das Beschwerdegericht bei der Prüfung der Frage auszugehen, ob der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Allerdings mag es sein, dass die eine oder andere Planungsvariante wahrscheinlicher sein kann als eine andere und dass die Klägerin bei realistischer Einschätzung mit einer Variante rechnet, die sie nach ihrer Ansicht in ihren Rechten verletzen könnte. Im Streitfall mag dies etwa für die Variante gelten, welche der Linienbestimmung entspricht. Derartige Annahmen erlauben es indes nicht, den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass die vorlaufende Planung – um Angriffsobjekt sein zu können – einen sog. Zwangspunkt gesetzt haben muss, aufzulösen. Das würde zu kaum beherrschbaren Folgen führen. Was zunächst aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes als Ausnahme gedacht war, würde erhebliche Rechtsunsicherheit begründen. Was der Beschwerde mit ihrem Vorbringen in Wahrheit vorschwebt, ist eine Art Gesamtplanung, in der die Streckenführung des nachfolgenden Abschnitts bereits mit ihren Planungsvarianten einbezogen ist. Danach könnte dann jeder, der durch eine – auch durch eine von ihm selbst entwickelte – Planungsvariante in seinen Rechten betroffen sein könnte, die vorlaufende Planung angreifen. Es ist offenkundig, dass damit der Grundsatz der abschnittsweisen Planung ab absurdum geführt wäre. Einen materiellen Rechtsverlust erfährt die Klägerin nicht, wenn ihr vom Erstgericht die Klagebefugnis abgesprochen wird. Sie kann ihre Einwände im nachfolgenden Planungsabschnitt geltend machen.
3. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend. Das Erstgericht habe hinsichtlich der Planungsvariante E in seinen Entscheidungsgründen (UA S. 12) eine Würdigung vorgenommen, die mit den Feststellungen im Tatbestand (UA S. 2) unverträglich sei.
Ein Verfahrensmangel besteht nicht. Die Beschwerde „überinterpretiert” die vorinstanzliche Sachdarstellung. Das Gericht beschreibt lediglich den Inhalt der Trasse E. Daraus lässt sich nicht entnehmen, dass das Gericht andere Trassen nicht als rechtlich zulässig oder möglich ansieht oder gar – für sich – von einer rechtlichen Bindung ausgeht. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl. § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Rojahn, Jannasch
Fundstellen