Verfahrensgang
VG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 02.07.2003; Aktenzeichen 6 K 2198/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil beruht weder auf Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch auf der geltend gemachten Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung kommt der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, Behauptungen des Klägers in das Protokoll zur mündlichen Verhandlung aufzunehmen, ist der Kläger ausgeschlossen, wie das Verwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 1. August 2003 festgestellt hat. Denn er hat durch seine Prozessbevollmächtigte nach seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandelt, ohne zuvor zu rügen, dass seine Äußerungen nicht in das Protokoll aufgenommen worden seien (§ 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO, Beschluss vom 20. August 1987 – BVerwG 6 B 2.87 – Buchholz 310 § 105 VwGO Nr. 41).
Auch mit den weiteren umfangreichen Ausführungen kann die Beschwerde nicht den behaupteten Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO belegen. Sie wendet sich inhaltlich und mehrfach auch ausdrücklich gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Allein die Kritik an der tatsächlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung bezeichnet aber keinen Verfahrensmangel (vgl. Urteil vom 29. Oktober 2003 – BVerwG 8 C 26.02 –). Es gehört zu den dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgaben, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschlüsse vom 18. Februar 1972 – BVerwG 8 B 3.72 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 27 ≪28≫ und vom 14. März 1988 – BVerwG 5 B 7.88 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 ≪32 f.≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Februar 1978 – BVerwG 1 B 13.78 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8 S. 10 und vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnte (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫), liegt ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫). Davon kann hier keine Rede sein. Die Beschwerde versucht vielmehr, mit einer eigenen, ihre Rechtsauffassung stützende Beweiswürdigung die Fehlerhaftigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils darzulegen. Hierbei zieht die Beschwerde auf Seite 11 ihrer Begründung eine Belegstelle heran (“Blatt 398 GA II”), die ihre Behauptung nicht zu stützen vermag. In Wahrheit wendet sie sich damit gegen die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils, insbesondere die vom Verwaltungsgericht vorgenommene, dem sachlichen Recht zuzurechnende Würdigung des Sachverhalts. Das kann aber – soweit nicht die Verletzung von Denkgesetzen, allgemeinen Erfahrungssätzen oder anerkannten Auslegungsregeln dargetan wird – nicht Gegenstand einer erfolgreichen Verfahrensrüge sein (Beschluss vom 5. Juni 2002 – BVerwG 8 B 72.02 –).
Soweit die Beschwerde eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO erhebt, fehlt es schon an der prozessordnungsgemäßen Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diese setzt die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts – allein auf diese kommt es an – ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung ruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Daran fehlt es. Es hätte dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger oblegen, in der mündlichen Verhandlung seine förmliche Parteieinvernahme zu beantragen oder das Angebot eines weiteren Zeugen aus dem Schriftsatz vom 3. September 2002 als förmlichen Beweisantrag zu stellen. Warum sich die Einvernahme der Ehefrau des Klägers als Zeugin von Amts wegen dem Gericht hätte aufdrängen sollen, ist aus der Beschwerde nicht ersichtlich. Für den angeblichen Hinweis des Gerichts, dass weitere Zeugen zur Aufklärung der konkreten Umstände nichts beitragen könnten, ist weder der Niederschrift über die mündliche Verhandlung noch den Urteilsgründen etwas zu entnehmen. Auf die Frage, ob auch das Ministerium für Staatssicherheit in Dahlwitz-Hoppegarten zugegen war, kam es nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht an.
2. Die von der Beschwerde gerügte Divergenz liegt nicht vor. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung vom 27. Juli 1995 – BVerwG 7 C 12.94 – (BVerwGE 99, 82 ff. = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 49) angenommen, dass ein zielgerichteter Zugriff auf Bodenreformeigentum dann vorliegen kann, wenn staatliche Stellen unter manipulativem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften dem Landwirt die Neubauernwirtschaft oder einzelne Bodenreformflächen entzogen haben. Anders verhält es sich aber nach dieser Entscheidung in den Fällen, in denen die Aufgabe der Neubauernwirtschaft auf den Entschluss des Neubauern zurückzuführen ist, nicht in eine LPG einzutreten und sich damit der von der DDR seit Anfang der 50er-Jahre vorangetriebenen Kollektivierung der Landwirtschaft zu verweigern. Genau dies hat das Verwaltungsgericht aber in der angefochtenen Entscheidung angenommen. Eine Divergenz zu der zitierten Rechtsprechung besteht damit nicht.
3. Die von der Beschwerde sinngemäß als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
ob eine “überlange” Verfahrensdauer zu einer Umkehr der materiellen Beweislast führen müsse,
ist bereits geklärt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, grundsätzlich zu ihren Lasten. Dies gilt auch bei der Anwendung des § 1 VermG (vgl. u.a. Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 11.93 – BVerwGE 95, 289 ≪294≫ m.w.N.). Eine generelle Umkehr der materiellen Beweislast im Rahmen des § 1 Abs. 3 VermG ist nicht gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 26. September 1996 – BVerwG 7 C 14.95 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 88 S. 266 ≪268≫). Allein Zeitablauf kann diese vom Normgeber getroffene Beweislastverteilung nicht abändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen