Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Antragsbefugnis des Planaußenliegers (Verkehrsimmissionen)
Normenkette
BauGB § 1 Abs 3 S 1, § 2 Abs 3; VwGO § 47 Abs 2 S 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.04.2018; Aktenzeichen 1 C 11559/16) |
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützten Beschwerden bleiben erfolglos.
Rz. 2
I. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerden beimessen.
Rz. 3
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫).
Rz. 4
1. Die Antragsgegnerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
wann und unter welchen Umständen die Antragsbefugnis eines deutlich vom Plangebiet eines Bebauungsplanes entfernt liegenden Eigentümers im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegeben ist.
Rz. 5
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Soweit sie rechtsgrundsätzlich klärungsfähig ist, ist sie in der Rechtsprechung des Senats beantwortet: Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind keine anderen Anforderungen zu stellen als an die Geltendmachung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Deshalb genügt es, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (stRspr, BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 ≪217≫, vom 30. April 2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 137 und vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 12).
Rz. 6
Ein subjektives Recht gewährt auch das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend "abgearbeitet" werden. Ein Antragsteller, der nicht Eigentümer eines Grundstücks im Planbereich ist, kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden (BVerwG, Urteile vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15 und vom 29. Juni 2015 - 4 CN 5.14 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 200 Rn. 14). Will ein Antragsteller in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen, obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, Urteil vom 30. April 2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 138; Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - 4 BN 11.15 - ZfBR 2016, 263 Rn. 4 und vom 9. Januar 2018 - 4 BN 33.17 - juris Rn. 4 f.; zu Verkehrslärm etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2018 - 4 BN 28.17 - BauR 2018, 1724 Rn. 5 f.). Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 7
2. Die Beigeladene hält in diesem Zusammenhang für klärungsbedürftig,
ob es für die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO genügt, Fehler bei der Ermittlung der abwägungserheblichen Belange im Bebauungsplanverfahren zu behaupten.
Rz. 8
Auch diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits rechtsgrundsätzlich beantwortet: Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es im Ausgangspunkt auf die Darlegungen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren an. Enthalten sie keine Tatsachen, welche die unzureichende Beachtung eines abwägungserheblichen Belangs möglich erscheinen lassen, ist die Antragsbefugnis zu verneinen. Umgekehrt ist die Antragsbefugnis nicht schon dann zu bejahen, wenn solche Tatsachen im gerichtlichen Verfahren schlicht behauptet werden. Dennoch ist die Prüfung der Antragsbefugnis nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 ≪218≫) und darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt (BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 BN 42.10 - BauR 2011, 1641 Rn. 8). Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Andererseits ist es berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, Tatsachenvortrag auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2015 - 4 BN 19.14 - juris Rn. 13).
Rz. 9
Von diesen Rechtssätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat nicht angenommen, der Antragsteller habe einen Lärmzuwachs lediglich behauptet, sondern seinen Vortrag als ausreichend substantiiert gewürdigt (UA S. 8), während es die Annahmen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen als reine Mutmaßung, die nicht näher substantiiert werde, angesehen hat (UA S. 14). Dass die bloße Behauptung eines Ermittlungsfehlers für die Annahme der Antragsbefugnis ausreiche, hat die Vorinstanz nicht angenommen.
Rz. 10
3. Die Beigeladene möchte grundsätzlich klären lassen,
ob § 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 BauGB die planende Gemeinde verpflichtet, die Lärmauswirkungen eines Bebauungsplans für ein Grundstück immer dann gutachterlich zu ermitteln, wenn der Grundstückseigentümer im Bebauungsplanverfahren eine dahingehende Stellungnahme abgibt.
Rz. 11
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Denn sie geht von einem Rechtssatz aus, den die Vorinstanz nicht aufgestellt hat. Das Normenkontrollgericht hat nicht angenommen, dass die Stellungnahme eines Grundstückseigentümers im Planaufstellungsverfahren stets eine Pflicht der Gemeinde auslöst, etwaigen Lärmauswirkungen gutachterlich nachzugehen. Nach seiner Auffassung kann nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 BauGB vielmehr auf die Ermittlung konkret zu erwartender Immissionswerte verzichtet werden, wenn schon nach der Zahl der täglich zu erwartenden Kraftfahrzeugbewegungen im Hinblick auf die konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls keine Belästigungen zu besorgen sind, welche die Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze überschreiten (UA S. 11).
Rz. 12
4. Die Beigeladene hält schließlich für klärungsbedürftig,
ob ein Bebauungsplan insgesamt nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist, wenn Flächen in den Geltungsbereich einbezogen werden, ohne dass für diese Flächen Nutzungen festgesetzt werden.
Rz. 13
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich stellen würde. Das Oberverwaltungsgericht hält den angegriffenen Bebauungsplan aus zwei Gründen für unwirksam. Zum einen sei der Antragsgegnerin ein beachtlicher Fehler im Abwägungsvorgang unterlaufen, weil sie die abwägungsbeachtlichen Belange nur unzureichend ermittelt habe, zum anderen verstoße der Bebauungsplan gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Da das Urteil insoweit auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt ist, setzt die Zulassung der Revision voraus, dass in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3). Das ist nicht der Fall. Denn die Beschwerde der Beigeladenen legt im Hinblick auf die Ermittlungspflichten nach § 2 Abs. 3 BauGB keinen Revisionszulassungsgrund dar.
Rz. 14
II. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Rz. 15
Die Beigeladene meint, das Normenkontrollgericht habe im Rahmen der Antragsbefugnis weiter aufklären müssen, ob die planbedingte Zunahme der auf das Grundstück des Antragstellers einwirkenden Verkehrsimmissionen mehr als nur geringfügig oder unwesentlich ist.
Rz. 16
Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargelegt. Das Normenkontrollgericht ist nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären, sondern nur berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, Tatsachenvortrag auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2015 - 4 BN 19.14 - juris Rn. 13). Dass sich nach diesem Maßstab eine weitere Aufklärung bei der Prüfung der Zulässigkeit hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 17
Im Übrigen könnte das Urteil auf einem etwaigen Verfahrensfehler nicht beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründetheit des Normenkontrollantrags dargelegt, warum aus seiner Sicht nicht von vornherein ersichtlich war, dass eine zusätzliche Lärmbelastung des Antragstellers im abwägungsunerheblichen Bagatell- und Irrelevanzbereich liegen werde (vgl. UA S. 14) und den vorhandenen Prozessstoff insoweit eingehend gewürdigt (UA S. 13 ff.). Mit diesen Ausführungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie lässt damit nicht erkennen, warum eine weitergehende Überprüfung im Rahmen der Zulässigkeit zu einem abweichenden Ergebnis hätte führen können.
Rz. 18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12569508 |