Verfahrensgang
VG Berlin (Aktenzeichen 31 A 448.99) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 000 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf dem von der Beschwerde gerügten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Beschwerde kann nicht mit der Begründung Erfolg haben, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 1999 – BVerwG 7 C 31.98 – (Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 2) i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ab. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der einem in der bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widerspricht (vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde formuliert zwar zwei widersprüchliche Rechtssätze und genügt damit den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, die Divergenzrüge ist aber unbegründet, weil jedenfalls der von der Beschwerde dem Verwaltungsgericht zugeschriebene Rechtssatz sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen lässt. Die Beschwerde meint nämlich, das Verwaltungsgericht habe den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, die Unmöglichkeit von der Natur der Sache her (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG) könne nur dann angenommen werden, wenn die Restitution rechtlich oder tatsächlich unmöglich sei. Das gelte unabhängig davon, ob durch die Restitution die zwischenzeitlich geänderte Nutzung gefährdet werde und eine schwerwiegende Konfliktsituation eintrete. Eine solche Aussage enthält das angefochtene Urteil nicht. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht gerade davon ausgegangen, dass die Rückübertragung des hier streitigen Grundstücks keine schwerwiegende Konfliktsituation hervorrufe (UA S. 10 f.).
2. Auch die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor. Die Beschwerde bezeichnet die Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig:
- Ist die Restitution von der Natur der Sache her ausgeschlossen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG), wenn durch die Restitution eine einheitlich genutzte, bauliche Funktionseinheit getrennt werden müsste oder dies jedenfalls vom Berechtigten verlangt werden könnte?
- Unter welchen Voraussetzungen ist ein vom Vermögensgesetz nicht beabsichtigter, schwerwiegender Nutzungskonflikt bei der Trennung von einheitlich genutzten, baulichen Funktionseinheiten anzunehmen?
- Ist ein schwerwiegender Nutzungskonkflikt gegeben, wenn zwischen den Berechtigten und den Verfügungsberechtigten oder einem anderen an der Funktionseinheit beteiligten Eigentümer aufgrund der Restitution Regelungen zur Beseitigung, Veränderung oder gemeinsamen Nutzung baulicher Einrichtungen, die der Funktionseinheit dienen, oder solche zur Beseitigung baurechtswidriger Zustände erforderlich werden?
- Ist die Restitution von der Natur der Sache i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen, wenn die Bebauung gegenüber dem Zeitpunkt der Schädigung wesentlich verändert ist und das errichtete Bauwerk eine besondere Bedeutung hat?
Da in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Urteil vom 29. Juli 1999 – BVerwG 7 C 31.98 – a.a.O.) – wie die Beschwerde nicht verkennt – bereits geklärt ist, dass ein Restitutionsausschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedenfalls bei tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit anzunehmen ist, könnte ein Klärungsbedarf hinsichtlich der genannten Fragen nur für den Fall bestehen, dass keine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Restitution gegeben ist. Unter diesen Voraussetzungen sind die angeführten Fragen aber nicht klärungsfähig, weil sie sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung entziehen. Es ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob die durch die Funktionseinheit hervorgerufene Konfliktsituation mit den Beteiligten zumutbaren Mitteln gelöst werden kann – wie es das Verwaltungsgericht hier angenommen hat – oder ob die Konflikte so schwerwiegend sind, dass deswegen von einer Unmöglichkeit der Restitution ausgegangen werden muss. Im Übrigen vernachlässigt die Beschwerde bei ihrer Argumentation, dass ausweislich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Klägerin im Vermögenszuordnungsverfahren nur eine Teilfläche des streitigen Grundstücks zugewiesen wurde, und demnach im Vermögenszuordnungsverfahren selbst von einer Teilbarkeit des streitigen Grundstücks ausgegangen wurde. Nur hinsichtlich ihres Teilstücks soll die Klägerin den anteiligen Verkaufserlös an die Beigeladenen herausgeben. Die Beschwerde hätte daher auch darlegen müssen, wie dieser Umstand mit ihrer Ansicht zu vereinbaren sein soll, die Rückübertragung des (gesamten) streitigen Grundstücks sei von der Natur der Sache her wegen der Funktionseinheit mit dem Nachbargrundstück ausgeschlossen gewesen.
3. Auch die Rüge der Beschwerde, das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel im Zusammenhang mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter (§ 6 VwGO), ist unbegründet.
a) Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, weil die Beteiligten vor Erlass des Übertragungsbeschlusses nicht angehört worden seien, kann der darin liegende Mangel (vgl. Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – BVerwGE 110, 40 ≪45≫ = Buchholz 448.0 § 3 WPflG Nr. 21 S. 1 ≪3 f.≫) im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Denn die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist immer dann unberechtigt, wenn der Beteiligte es unterlassen hat, sich durch geeignete Anträge ausreichend rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. Urteil vom 3. Juli 1992 – BVerwG 8 C 58.90 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 S. 96 ≪99≫ und Beschluss vom 8. März 1999 – BVerwG 8 B 252.98 – VIZ 1999, 601 ≪insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 7≫ sowie BVerfGE 74, 200 ≪225≫ m.w.N.). Die Klägerin hätte daher nach Bekanntgabe des Übertragungsbeschlusses, spätestens in der Verhandlung vor dem Einzelrichter die fehlende Anhörung rügen müssen. Stattdessen hat sie sich ausweislich der Sitzungsniederschrift rügelos in eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter eingelassen. Dies ist auch nicht etwa deswegen unschädlich, weil die einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO für die Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer nicht vorgelegen hätten und deswegen eine Rüge von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Denn diese Vorschrift ist im Falle eines Gehörsverstoßes verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Rückübertragung auch dann möglich ist, wenn der Einzelrichter aufgrund der nachgeholten Anhörung zum Ergebnis gelangt, dass die Rechtssache entgegen der ursprünglichen Annahme der Kammer doch grundsätzliche Bedeutung hat oder besondere Schwierigkeiten aufweist. Anderenfalls zwänge man den Einzelrichter, quasi sehenden Auges eine unter dem Makel der Gehörsverletzung stehende Entscheidung zu erlassen (Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – a.a.O. S. 45 f. bzw. S. 4).
b) Auch der von der Beschwerde weiterhin geltend gemachte Verstoß gegen die Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts und damit gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist unbegründet, weil in der rügelosen Einlassung in die mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter ein Rügeverzicht nach § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO zu sehen ist. Die Vorschrift des § 295 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen, weil die Entscheidung eines Rechtsstreits durch den Einzelrichter anstelle der Kammer auch unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten zulässig ist (§ 87 a Abs. 2 VwGO). Im Übrigen liegt im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 VwGO, soweit dieser überhaupt in einem Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. dazu Beschluss vom 4. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 187.98 – Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1 und Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 31.98 – a.a.O. S. 43 bzw. S. 2 f.), nicht vor, weil der Kammer bei ihrer Übertragungsentscheidung ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, der zudem tendenziell („soll”) zugunsten der einzelrichterlichen Übertragung ausgestaltet ist (Beschluss vom 4. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 187.98 – a.a.O. S. 2 f. m.w.N.). Dass dieser Spielraum hier überschritten wäre, ist nicht ersichtlich, zumal der Rechtssache – wie dargelegt – entgegen der Ansicht der Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Golze, Postier
Fundstellen