Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenreform. Enteignung. besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlage. Rehabilitierung. Rehabilitierungsausschluss
Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG begründen für die in ihnen geregelten Konstellationen einen Ausschluss der Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (im Anschluss an Urteil vom 23. August 2001 – BVerwG 3 C 39.00 – VIZ 2002, 25).
§ 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG schließt die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auf Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus (im Anschluss an Urteil vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 –).
Zu den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage zählen auch diejenigen, die im Zuge der Bodenreform erfolgt sind (im Anschluss an Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – BVerwGE 99, 268).
Normenkette
VwRehaG § 1 Abs. 1 Sätze 2-3; VermG § 1 Abs. 7, 8 Buchst. a
Verfahrensgang
VG Schwerin (Urteil vom 08.11.2000; Aktenzeichen 1 A 1218/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 8. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 153 387,56 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO. Namentlich verbindet sich mit dem Streitverfahren keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Behauptung der Beschwerde beruht die Entscheidung auch nicht auf einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Schließlich liegt auch der hilfsweise geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor.
Die Beschwerde, die die rechtskräftig abgelehnte Rückgabe der entzogenen Vermögensgegenstände auf der Grundlage des Vermögensgesetzes nunmehr auf derjenigen des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes beansprucht, wirft eine Fülle von Rechtsfragen mit umfänglicher Begründung auf. Zentrale Bedeutung misst sie dabei der Frage bei, ob die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG fallenden vermögensschädigenden Maßnahmen der Bodenreform durch § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG vom Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen seien. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil die diesbezügliche Rechtslage bereits durch die schon vorliegende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als hinreichend geklärt gelten kann. Danach ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der so genannten Bodenreform erfolgten Enteignungen einer Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz nicht zugänglich sind.
Entgegen der vom Beschwerdeführer noch in seinem Schriftsatz vom 3. April 2002 vertretenen Auffassung handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwRehaG nicht um „sachlich leer laufende Klarstellungsnormen ohne Regelungsgehalt” (Schriftsatz vom 3. April 2002, S. 3), sondern um so genannte Regelungsnormen, d.h. um Normen, die – sofern die dort bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind – die Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausschließen. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwRehaG der gemäß § 12 VwRehaG zuständigen (Rehabilitierungs-)Behörde die Aufgabe übertragen, nach Eingang eines Antrags auf Aufhebung einer rechtsstaatswidrigen Verwaltungsentscheidung zunächst darüber zu befinden, ob auf die jeweils in Rede stehende Maßnahme überhaupt das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz Anwendung findet. Das ist nicht der Fall, wenn entweder die Voraussetzungen des Satzes 2 oder die des Satzes 3 des § 1 Abs. 1 VwRehaG erfüllt sind. Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 23. August 2001 (BVerwG 3 C 39.00 – VIZ 2002, 25) in Auslegung einzig des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG erkannt, eine allein als zielgerichteter Zugriff auf einen Vermögensgegenstand und nicht als Nebenfolge eines grob rechtsstaatswidrigen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre zu beurteilende hoheitliche Maßnahme der DDR-Behörden werde mit der Folge im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfasst, dass eine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgeschlossen ist.
Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Enteignungsmaßnahmen im Zuge der Bodenreform vor allem auf die politische Verfolgung der Betroffenen zielten und deshalb nicht vom Vermögensgesetz erfasst werden. Das Bundesverfassungsgericht neigt ebenfalls dieser Auffassung zu (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2001 – BVerfG 1 BvL 6/00 u.a. – VIZ 2001, 228, 230). Doch mag das auf sich beruhen. Letztlich kommt es hierauf nicht entscheidend an. Sollte nämlich eine solche Enteignungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfasst werden, würde eine Rückgabe an § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG scheitern. Sollte dagegen nicht schon § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG eine Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausschließen, würde ein solcher Anwendungsausschluss durch § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG begründet.
In Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 21. Februar 2002 – BVerwG 3 C 16.01 – im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Durch die Verweisung in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG auf § 1 Abs. 8 VermG wird die Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes u.a. für „Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage” (Buchstabe a) ausgeschlossen. Hierunter fallen – jedenfalls auch – Enteignungsmaßnahmen, welche die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erfüllen. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG stellt – wie gesagt – nicht etwa nur klar, dass zu den nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG vom Vermögensgesetz erfassten und daher vom Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ausgenommenen Fallgruppen auch jene des § 1 Abs. 8 VermG gehören. Einer solchen Bestimmung hätte es nicht bedurft. Die Vorschrift bringt vielmehr zum Ausdruck, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage – abgesehen von der noch zu erörternden Fallgruppe des § 1 Abs. 7 VermG – unter keinen Umständen rückgängig zu machen sind, gleichgültig, welchem der hier in Rede stehenden Gesetze sie ohne diese Ausschlussklausel unterfallen würden. Die Tatsache, dass es sich bei der vermögensrechtlichen Restitution und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung nebst vermögensrechtlichen Folgeansprüchen um zwei getrennte Sach- und Normbereiche handelt, steht der angeführten Gemeinsamkeit nicht entgegen.
Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes bestätigt. In der Regierungsbegründung zu § 1 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs heißt es u.a. (BTDrucks 12/4994, S. 23):
„Damit werden im Wesentlichen zwei große Enteignungsaktionen aus dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes und der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen: Die entschädigungslosen Enteignungen im Bereich der Industrie zugunsten der Länder der ehemaligen SBZ bzw. im Rahmen der so genannten ‚demokratischen Bodenreform’. Diese Rechtslage ist entscheidend auf die Haltung der Sowjetunion zurückzuführen, nach der die unter ihrer Besatzungshoheit (1945 – 1949) durchgeführten Enteignungsmaßnahmen völkerrechtlich nicht zur Disposition der beiden deutschen Staaten stünden und als solche unangetastet bleiben müssten. Dies war auch im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zu beachten.”
Dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz liegt also die Vorstellung zugrunde, dass die beiden Enteignungsaktionen Verfolgungsunrecht darstellten und daher ohne eine spezielle Ausschlussklausel nach dem neuen Gesetz zu rehabilitieren wären (vgl. Wasmuth, VIZ 2002, 134 ≪140 f.≫).
Durch den Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 3. April 2002 sieht sich der Senat zu folgender zusätzlichen Bemerkung veranlasst: Die Gesetzesmaterialien belegen den Willen des Gesetzgebers, Enteignungen im Zuge der Bodenreform vom Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes auszunehmen, in völliger Eindeutigkeit. Die gesetzgebenden Körperschaften haben die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG auf Vorschlag der Bundesregierung und auf der Grundlage der von ihr hierzu erarbeiteten Begründung unverändert beschlossen. Ziel und Absicht dieser Regelung lassen sich somit allein aus der schriftlichen Begründung des Regierungsentwurfs ermitteln. Selbst wenn sich einzelne Beamte, die an der Abfassung der Begründung beteiligt waren – wie die Beschwerde behauptet – hiervon später distanziert haben sollten, würde dies den Willen des historischen Gesetzgebers nicht umzustoßen oder auch nur zu relativieren vermögen. Der Senat schließt sich insoweit der namentlich von Wasmuth (VIZ 2002, 134 ≪141≫) mit folgenden Worten vertretenen Ansicht an: „Wollten die Verwaltungsgerichte wegen ihres Verfolgungscharakters auch für die verwaltungsrechtlichen Vermögensschädigungen der Boden- und Wirtschaftsreform eine Anwendbarkeit des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes annehmen und damit die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG leer laufen lassen, stünde eine solche Entscheidungspraxis im offenen Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers, der wegen seiner Eindeutigkeit auch nicht mit den Mitteln der Rechtsfortbildung ausgehebelt werden kann”.
Dem Beschwerdeführer hilft es auch nicht, dass die vorstehend erörterte Ausschlussregelung Ansprüche nach § 1 Abs. 7 VermG (u.a.) „unberührt” lässt (§ 1 Abs. 8 Buchstabe a Halbsatz 2 VermG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG). Diese Klausel ermöglicht zwar die Rückgabe auch solcher Vermögenswerte, die auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden waren, setzt aber die Aufhebung der Wegnahmeentscheidung nach anderen Vorschriften voraus. Eine solche kommt aber nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz aufgrund der Ausschlussregelung gerade nicht in Betracht. Kann hier aber eine Aufhebung nicht erfolgen, so kann sich auch die Verweisung in § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG nur auf den uneingeschränkten Ausschlusstatbestand beziehen, also auf § 1 Abs. 8 Buchstabe a Halbsatz 1 VermG. Eine Rehabilitierung der hier in Rede stehenden Fallgruppen nach den Regeln des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ist danach bereits dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nach eindeutig ausgeschlossen (vgl. Beschluss vom 8. April 1998 – BVerwG 7 B 7.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 149, S. 452).
Die vorstehenden Ausführungen schließen die Feststellung ein, dass zu den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage auch jene zu zählen sind, die im Zuge der Bodenreform erfolgt sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 – BVerfG 1 BvR 1170, 1174, 1175/90 – BVerfGE 84, 90 ≪114≫). Auch, und gerade für sie hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG in Wiederholung der Regelung in Art. 41 Abs. 1 EV i.V.m. Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 einen Anspruch eines Geschädigten auf Rückübertragung eines enteigneten Vermögenswertes ausschließt (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – BVerwGE 99, 268, 269). Nichts anderes gilt im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG. Die Vereinbarungen zwischen den beiden deutschen Regierungen lassen nicht den geringsten Zweifel zu, dass sich die von Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung erfassten, nicht mehr rückgängig zu machenden Enteignungen vor allem auf die Vermögensschädigungen im Rahmen der Bodenreform beziehen (Wasmuth, VIZ 1999, 633 ≪639≫). Der Anspruchsausschluss hängt – wie bereits ausgeführt – nicht davon ab, ob Ansprüche im Gefolge einer Bodenreformenteignung dem Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes oder des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zuzuordnen sind. Der Gesetzgeber hat sich nämlich dafür entschieden, Entschädigungs- bzw. Rehabilitierungsleistungen insoweit nicht nach Maßgabe eines dieser beiden Gesetze zu gewähren.
Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Veranlassung, auf die zahlreichen Detailfragen der Beschwerde näher einzugehen. Auch die Verfahrens- und Divergenzrügen können dem Begehren des Beschwerdeführers unter diesen Umständen nicht zum Erfolg verhelfen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und 3, § 73 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel
Fundstellen
Haufe-Index 738153 |
BuW 2002, 919 |
LKV 2002, 521 |
NJ 2002, 385 |