Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 10.12.2002; Aktenzeichen 6 A 1396/99.A) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2002 wird verworfen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf einen Verfahrensmangel durch Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde legt den behaupteten Gehörsverstoß nicht schlüssig dar. Sie meint, das Berufungsgericht gehe in der angegriffenen Entscheidung zwar – im Anschluss an die Aussage von drei in der Berufungsverhandlung vernommenen Zeugen – zu Recht davon aus, dass der Name des Beigeladenen auf einer Liste der Sicherheitskräfte stehe und im Umfeld seines Heimatdorfes nach ihm gefragt werde. “Nicht berücksichtigt und bei der Entscheidung erwogen” werde dabei allerdings, “dass in diesem Zusammenhang der Vorwurf gegen ihn erhoben wird, bei den ‘Terroristen’, nämlich der PKK(-Guerilla) zu sein”. Auch wenn die Befragung der Zeugen keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass landesweit nach dem Beigeladenen gesucht werde, so könne eine landesweite Gefährdung des Beigeladenen “schon deshalb nicht verneint werden, weil er bei den Heimatbehörden als ‘Terrorist’ eingestuft” werde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in einer anderen Entscheidung würden bei einer Abschiebung ohne gültige Reisedokumente – wovon “hier nach den Feststellungen des Senats auszugehen” sei – bei den Sicherheitsbehörden des Heimatortes Nachforschungen angestellt, die auch Eintragungen in deren Listen erfassten und zum Bekannt-werden des Terrorismusverdachts gegen den Beigeladenen führen würden, weshalb er menschenrechtswidrige Maßnahmen zu befürchten habe.
Mit diesem Vortrag wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schon deshalb nicht dargetan, weil die Beschwerde ihrer Rüge Feststellungen und Schlussfolgerungen des Oberverwaltungsgerichts in einem anderen Verfahren zugrunde legt und eine Rückkehrgefährdung – bei gleichzeitiger Unterstellung vom Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Verfahren nicht festgestellter Tatsachen (Abschiebung des Klägers ohne gültige Reisedokumente, Beschwerdebegründung S. 2 letzter Absatz) – selbst konstruiert. Damit lässt sich ein Gehörsverstoß nicht begründen.
Auch aus der nicht ausdrücklichen Erwähnung im Urteil, dass der Beigeladene nach den Angaben der Zeugen zu den “Terroristen” gegangen sein soll, kann nicht auf die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs geschlossen werden. Aus dem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr grundsätzlich – und so auch hier – davon auszugehen, dass ein Gericht in das Verfahren einbezogene Tatsachen – wie hier die Aussagen der in der Berufsverhandlung vernommenen Zeugen, mit denen sich das Berufungsgericht im Übrigen auch ausdrücklich auseinandersetzt (UA S. 11/12) – zur Kenntnis genommen und Erwägung gezogen hat. Nur wenn sich unter den Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kommt eine Gehörsverletzung in Betracht (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 unter Hinweis auf BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫). Hierzu trägt die Beschwerde nichts vor. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier auch offensichtlich nicht vor. Das Berufungsgericht ist vielmehr erkennbar davon ausgegangen, dass dem Kläger auch unter Berücksichtigung seines glaubhaften Verfolgungsvortrages und der Angaben der Zeugen, selbst wenn er “in seiner Heimatregion mit Befragung oder Verhaftung rechnen müsste”, die Möglichkeit offen stünde, “in anderen Landesteilen der Türkei politische Sicherheit und, wenn auch in engem Rahmen, wirtschaftliche Überlebensmöglichkeiten zu finden” (UA S. 12).
Soweit die Beschwerde – wohl in Anknüpfung an diese Ausführungen – ferner meint, das Oberverwaltungsgericht bejahe “eine so genannte inländische Fluchtalternative für den Beigeladenen”, die jedoch nach der zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für diejenigen Kurden zu verneinen sei, die in einen individuellen Verdacht geraten seien, mit der militanten kurdischen Bewegung zu sympathisieren, wird ein Gehörsverstoß ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet. Das folgt schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht an der von der Beschwerde wohl in Bezug genommenen Stelle nicht das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative geprüft, sondern unter tatrichterlicher Einschätzung der Gefährdungslage festgestellt hat, dass dem Kläger – als nicht Vorverfolgtem – bei einer Rückkehr in die Türkei jedenfalls nicht landesweit politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
In Wahrheit wendet sich die Beschwerde im Gewande der Verfahrensrüge gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, ohne eine Gehörsverletzung aufzuzeigen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Hund, Richter
Fundstellen