Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigung für Kompostieranlage
Normenkette
EURL 92/2011 Art. 4; EURL 92/2011 Anh 1 Nr. 9; EURL 92/2011 Anh 1 Nr. 10; EGRL 98/2008 Art. 3 Nrn. 14-15, 19; EWGRL 156/91 Art. 1 Buchst. e, f.; EWGRL 442/75 Art. 1 Buchst. b; UVPG § 1 Abs. 1 Nr. 1; UVPG Anl 1 Nr. 8.4; BImSchG § 4 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 10 Abs. 1 S. 2, §§ 19, 29a Abs. 1 S. 2; 4. BImSchV § 1 Abs. 1 S. 1; 4. BImSchV Anh 1 Nr. 8.5; 4. BImSchV Anh 1 Nr. 8.6; 9. BImSchV § 2 Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 2 Sätze 1-2; VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, §§ 98, 108 Abs. 2; ZPO § 412 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 25.10.2021; Aktenzeichen 22 B 17.855) |
VG München (Entscheidung vom 14.10.2014; Aktenzeichen M 1 K 13.5659) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
I
Rz. 1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen 2013 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Kompostieranlage.
Rz. 2
Sie sind Miteigentümer einer Liegenschaft, die sich im Westen des streitgegenständlichen Vorhabens befindet und von ihm durch die Autobahn A8 und eine landwirtschaftlich genutzte Fläche getrennt ist. Die Beigeladene beantragte bei der Beklagten die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Erzeugung von Kompost mit einer jährlichen Durchsatzleistung an Grünabfällen von bis zu 8 000 t sowie an Sand und Oberboden von bis zu 1 000 t als offene Mietenkompostierung mit Zwischenabdeckung auf einer unmittelbar südlich der Bahnstrecke München-Giesing-Kreuzstraße sowie östlich der Autobahn A8 liegenden Fläche. Nach dem Antrag sollen ausschließlich Abfälle aus dem Bereich des Baureferats - Gartenbau der Beklagten, die auch Betreiberin der 2014 in Betrieb gegangenen Anlage ist, kompostiert werden.
Rz. 3
Klage und Berufung gegen die Genehmigung hatten keinen Erfolg.
Rz. 4
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
II
Rz. 5
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 6
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von den Klägern beigemessene grundsätzliche Bedeutung.
Rz. 7
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 7).
Rz. 8
a) Die sinngemäß von den Klägern aufgeworfene Frage,
ob das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei einer Kompostieranlage auch dann anzuwenden ist, wenn die Anlage als Abfallverwertungsanlage außerhalb der Anhänge I und II der UVP-Richtlinie 2011 zu qualifizieren ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, so dass dahinstehen kann, ob die Beschwerde den Darlegungsanforderungen genügt.
Rz. 9
Die Frage hat schon deswegen keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten ist. Fällt - wie die Frage unterstellt - eine Anlage nicht unter die Anhänge I und II der UVP-Richtlinie 2011, kommt es gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG für die Anwendung dieses Gesetzes maßgeblich darauf an, ob die Anlage einem der in Anl. 1 zu diesem Gesetz zugeordneten Vorhaben entspricht. Dies kann nicht abstrakt als Rechtsfrage beantwortet werden, sondern hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab.
Rz. 10
Soweit die Kläger mit der aufgeworfenen Frage eigentlich geklärt wissen wollen, ob es sich bei Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen um Anlagen zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen im Sinne von Nr. 8.4.1 der Anl. 1 zum UVPG handelt, kommt auch dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Klärungsbedürftigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt, wenn sich die Antwort auf sie auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage des bisher vorliegenden Rechtsprechungsmaterials beantworten lässt. Das ist hier der Fall.
Rz. 11
aa) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UVPG gilt das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die in Anl. 1 dieses Gesetzes aufgeführten Vorhaben. Nr. 8.4.1 der Anl. 1 zum UVPG 2013, die der aktuellen Fassung entspricht, erfasst Anlagen zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen. Hierzu gehören Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen, wie die streitgegenständliche, nicht.
Rz. 12
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des Bundesimmissionsschutzrechts. Als ortsfeste Anlage unterliegt eine Kompostieranlage der Genehmigungspflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Anhang 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV). Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen werden von Nr. 8.5 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV erfasst. Die streitgegenständliche Kompostieranlage fällt mithin nicht unter Nr. 8.6 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV, die Anlagen zur biologischen Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen erfasst. Nur diese Anlagen zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen unterfallen Nr. 8.4.1 der Anl. 1 zum UVPG und sind deshalb UVP-pflichtig.
Rz. 13
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) - im Folgenden: UVP-Änderungsgesetz 2001 - wurde abweichend von der früheren Systematik die UVP-Pflicht der in der Anl. 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgeführten Vorhaben nicht mehr an das formelle Kriterium eines Zulassungsverfahrens, sondern an sachliche Merkmale (Art, Größe und Leistung, Standort) eines Vorhabens geknüpft. Seitdem ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Anlagen nach den Nummern 1 - 10 der Anl. 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unselbständiger Teil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens (Trägerverfahren für die UVP). Für diese Anlagen wird dies durch die gleich lautende Bezeichnung der Anlagenart im Anhang 1 zu der mit dem gleichen Gesetz geänderten 4. BImSchV sichergestellt (BT-Drs. 14/4599 S. 106). Findet also Nr. 8.5 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV (Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen) im Wortlaut der Anl. 1 zum UVPG keine Entsprechung, steht nach der seit dem UVP-Änderungsgesetz 2001 herrschenden Systematik fest, dass diese Kompostieranlagen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung fallen, mithin nicht UVP-pflichtig sind.
Rz. 14
bb) Auch aus Unionsrecht ergibt sich keine Verpflichtung, Anlagen zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen als vom Anwendungsbereich des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erfasst anzusehen. Eine solche Kompostieranlage fällt nicht unter die Anhänge I und II der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) - UVP-RL 2011 -, weil sie keine Abfallbeseitigungsanlage in diesem Sinne, sondern eine Abfallverwertungsanlage ist. Dies ergibt sich aus den Begriffsbestimmungen des Unionsgesetzgebers zum Abfallrecht.
Rz. 15
Zwar ist der Hinweis der Kläger zutreffend, dass das europäische Abfallrecht ursprünglich in der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194 S. 47) - Abfallrahmen-RL 1975 - nicht zwischen der Beseitigung und der Verwertung von Abfällen differenzierte. Art. 1 Buchst. b der Abfallrahmen-RL 1975 definierte die Beseitigung von Abfällen u. a. als die erforderlichen Umwandlungsvorgänge zu ihrer Wiederverwendung, Rückgewinnung oder Verwertung. Dieses Verständnis änderte sich jedoch mit der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle (ABl. L 78 S. 32) - Abfallrechts-Änderungs-RL 1991. Bei den Begriffsbestimmungen in Art. 1 Buchst. e und f Abfallrechts-Änderungs-RL 1991 wird nunmehr zwischen der Beseitigung und der Verwertung von Abfällen differenziert und damit ein Exklusivitätsverhältnis zwischen den beiden Verfahren der Abfallbehandlung geschaffen. Die Beseitigung umfasst nach Art. 1 Buchst. e alle in Anhang II A, die Verwertung nach Art. 1 Buchst. f alle in Anhang II B Abfallrechts-Änderungs-RL 1991 aufgeführten Verfahren. Dieses Exklusivitätsverhältnis wird mit der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 S. 3) - Abfallrahmen-RL - AbfRRL - noch deutlicher fortgeführt. Die Behandlung von Abfällen umfasst nach Art. 3 Nr. 14 AbfRRL Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren. Nach Art. 3 Nr. 15 AbfRRL ist die Verwertung jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden. Die Beseitigung nach Art. 3 Nr. 19 AbfRRL ist demgegenüber jedes Verfahren, das keine Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge hat, dass Stoffe oder Energie zurückgewonnen werden. Anhang I AbfRRL enthält eine nicht erschöpfende Liste von Beseitigungsverfahren.
Rz. 16
Die Anhänge I und II der UVP-RL 2011 erfassen ebenso wie schon die entsprechenden Anhänge der Vorgängerrichtlinie, der UVP-Änderungs-Richtlinie 1997, lediglich Abfallbeseitigungsanlagen. Mit dem Verweis auf die Abfallrahmen-RL stellen Anhang I Nr. 9 und Nr. 10 der UVP-RL 2011 den ausdrücklichen Bezug zum europäischen Abfallrecht her, das jedenfalls seit der Abfallrechts-Änderungs-RL 1991 auf der Differenzierung zwischen Beseitigung und Verwertung von Abfällen beruht.
Rz. 17
b) Die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in Personalunion zwei Funktionen ausüben darf, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz voneinander zu trennen sind bzw. ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sowohl Aufsichtsbehörde und zugleich Betreiberin einer UVP-pflichtigen Anlage sein darf,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Zunächst stellt sich die Frage so nicht, weil die streitgegenständliche Kompostieranlage - wie dargelegt - nicht UVP-pflichtig ist. Abgesehen davon sind die Grundsätze der Doppelzuständigkeiten von Behörden in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Daraus folgt, dass die Begriffe des Vorhabenträgers bzw. Betreibers und der Planfeststellungs- bzw. Aufsichtsbehörde in einem funktionalen Sinne zu verstehen sind. Zwar mag eine Zuweisung der Aufgaben an verschiedene Behörden rechtspolitisch wünschenswert sein. Sie bildet aber keine notwendige Voraussetzung für die gebotene Distanz und Unabhängigkeit. Eine Behörde mit Doppelzuständigkeit hat als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen, ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht. Angesichts dessen ist eine neutrale Aufgabenwahrnehmung durch sie als Genehmigungsbehörde jedenfalls dann in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Weise gesichert, wenn behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Aufgabenbereiche gesorgt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2016 - 9 A 4.15 - NVwZ 2016, 1641 Rn. 36 m. w. N.). Ob dies vorliegend der Fall war, ist einer grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Rz. 18
c) Die Kläger möchten ferner grundsätzlich geklärt wissen,
ob im Rahmen von öffentlich-privaten Kooperationen eingeholte private Gutachten ohne Prüfung auf Vollständigkeit und Korrektheit durch die Genehmigungsbehörde bzw. unter Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1 VwVfG einer Genehmigung zugrunde gelegt werden dürfen.
Rz. 19
Auch hinsichtlich dieser Frage besteht kein Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren. Die rechtlichen Anforderungen an die Antragstellung und die von dem Vorhabenträger vorzulegenden Unterlagen bzw. Gutachten sind in §§ 2 ff. der Neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV) geregelt.
Rz. 20
Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist ein komplexes Verfahren mit umweltrechtlichem Einschlag, bei dem normativ durch die Anordnung des Einreichens detaillierter und prüffähiger Unterlagen schon bei Antragstellung der Grundstein für eine Kooperation zwischen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde gelegt ist, um einen zügigen Ablauf des Zulassungsverfahrens zu sichern. Das formal vom Antragsteller in Auftrag gegebene Gutachten wird funktional auch für die Behörde erstellt. So regelt § 13 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV, dass ein vom Antragsteller vorgelegtes Gutachten als sonstige Unterlage im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, der auch im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG gilt, zu prüfen ist. Das vom Träger des Vorhabens in Auftrag gegebene Gutachten gilt nach § 13 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV als von der Genehmigungsbehörde eingeholtes Sachverständigengutachten, wenn der Auftrag nach Abstimmung mit der Genehmigungsbehörde oder an einen qualifizierten oder zertifizierten Sachverständigen (vgl. § 29a Abs. 1 Satz 2 BImSchG) erteilt wurde. Die Genehmigungsbehörde ist bei der Prüfung der Voraussetzungen der Genehmigungserteilung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht rechtsgrundsätzlich zu klären.
Rz. 21
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der behaupteten Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen.
Rz. 22
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2018 - 4 B 3.18 - juris Rn. 10). Daran fehlt es hier.
Rz. 23
Selbst wenn man dem Vorbringen der Kläger den abstrakten Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs entnehmen wollte, dass eine Anlage zur Erzeugung von Kompost aus organischen Abfällen keine Anlage zur biologischen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen und daher auch keine Anlage nach Nr. 8.4.1 der Anl. 1 zum UVPG ist, fehlt es jedenfalls an einem Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006 - 7 C 4.06 - (BVerwGE 127, 250) Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und nicht des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung angewendet. Den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz, wonach eine Kompostieranlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege, hat der Senat nicht aufgestellt.
Rz. 24
3. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann.
Rz. 25
Die Kläger rügen, der Verwaltungsgerichtshof habe wesentliche Teile ihres Vorbringens übergangen. Auch habe er versäumt, ergänzende Stellungnahmen der Beklagten, Auskünfte und weitere Gutachten einzuholen sowie die Abwasserverwertungsanlage unter Betriebsbedingungen in Augenschein zu nehmen. Damit machen die Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO) durch das Berufungsgericht geltend. Diese Rügen greifen nicht durch.
Rz. 26
a) Das Recht auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 9 A 20.21 - juris Rn. 2 m. w. N.). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es müssen vielmehr nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 682/12 - NVwZ 2018, 1561 Rn. 19). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs umfasst auch die Gelegenheit, sich zu allen Tatsachen und Rechtsfragen zu äußern, die für die Entscheidung erheblich sein können.
Rz. 27
Hieran gemessen sind die geltend gemachten Gehörsverstöße nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.
Rz. 28
Das Berufungsgericht hat den Klägervortrag nicht unberücksichtigt gelassen, wonach durch einen Kaufvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen Bindungen entstanden seien, die zu einer Befangenheit bei der Genehmigungserteilung geführt hätten. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof hierzu ausgeführt, dass für einen Ausschluss oder die Besorgnis der Befangenheit einzelner Mitarbeiter der Beklagten - Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) -, insbesondere dessen Leiters nichts ersichtlich sei. Selbst wenn der Leiter des RGU als berufsmäßiger Stadtrat an entsprechenden Entscheidungen beteiligt gewesen sei, habe dies weder ihn noch das von ihm geleitete Referat von der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung des Genehmigungsverfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz entbunden (UA Rn. 121). Die Vorinstanz hat sich mit diesen Ausführungen lediglich der Rechtsauffassung der Kläger nicht angeschlossen.
Rz. 29
Mit dem Einwand der Kläger, die Beigeladene habe keinen Antrag für den Betrieb der Kompostieranlage gestellt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls auseinandergesetzt. Es begründe weder einen Zuständigkeitsmangel noch werde die Genehmigung in sonstiger Weise dadurch rechtswidrig, dass die streitgegenständliche Anlage durch die Beigeladene errichtet, jedoch zukünftig durch die Beklagte betrieben werden sollte. Dies ergebe sich schon aus § 2 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV, wonach Träger eines Vorhabens und damit Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auch sein könne, wer nicht beabsichtige, die Anlage zu errichten oder zu betreiben (UA Rn. 122).
Rz. 30
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auch mit dem Vorbringen der Kläger zu den Antragsunterlagen und der Tektur sowie mit einem etwaigen Abweichen der Genehmigung von den ursprünglichen Planunterlagen befasst. Aus den Antragsunterlagen ergebe sich, dass die Bewässerung der Mieten mit Sickerwasser von Beginn an geplant gewesen sei, nämlich das anfallende Niederschlags- und Sickerwasser in einem Sickerwasserspeicherbecken zu sammeln und soweit erforderlich zur Mietenbewässerung zu verwenden. Die Auffassung der Kläger, mit der Tektur sei eine Versprühung/Vernebelung von Sickerwasser über den Mieten vorgesehen worden, treffe nicht zu. Vielmehr sei die Methode der Schlauchbewässerung der Tekturliste zu entnehmen, die Bestandteil des Genehmigungsbescheides sei (UA Rn. 158 f.). Dass die Vorinstanz dem Einwand der Kläger, die Schlauchbewässerung sei technisch gar nicht möglich, ausdrücklich nicht gefolgt ist, vermag einen Gehörsverstoß nicht zu begründen. Auch auf die Bedenken der Kläger, ihr Grundstück könne infolge der Absenkung der Hallenhöhe und die Hallenöffnungen von stärkeren Emissionen bzw. Immissionen betroffen sein, ist der Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Er hat hierzu ausgeführt, dass nachteilige Auswirkungen auf dem Grundstück der Kläger insoweit nicht zu besorgen seien (UA Rn. 163 f.). Auch auf die Berücksichtigung der Hallenöffnungen bei der Ermittlung der Emissionen der Anlage ist der Verwaltungsgerichtshof eingegangen (UA Rn. 180, 193).
Rz. 31
Ferner hat sich die Vorinstanz mit den von den Klägern befürchteten Staubimmissionen und luftgetragenen Schadstoffen biologischer Herkunft befasst. Sie hat hierzu angenommen, dass es auf die von den Klägern thematisierte Einhaltung von Grenzwerten an Arbeitsplätzen hier nicht ankommt. Maßgeblich für den Schutz von Nachbarn vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Anlagen, wie der streitgegenständlichen ausgehen, sei insoweit vielmehr die TA Luft 2002 (UA Rn. 187, 198 ff.). Auf die von den Klägern befürchteten Gesundheitsschäden durch den Betrieb der Anlage ist der Verwaltungsgerichtshof ausführlich eingegangen (UA Rn. 174 ff.), nachdem diese Fragen ausweislich des Protokolls mit den Beteiligten zudem in der mündlichen Verhandlung am 21. Oktober 2021 (Bl. 289 ff. der VGH-Akte) erörtert wurden. Er ist auch insoweit lediglich zu einer anderen rechtlichen Bewertung gelangt. Auch mit dem Vortrag der Kläger zu Geruchsbelästigungen hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich auseinandergesetzt (UA Rn. 189 - 197). Entsprechendes gilt für von der Anlage ausgehende Keimemissionen (UA Rn. 202 ff.) und Bioaerosole (UA Rn. 204). Das Berufungsgericht hat die von den Klägern vorgetragene Abweichung der genehmigten von der tatsächlichen Durchsatzleistung der streitgegenständlichen Kompostieranlage ebenfalls nicht übergangen. Es hat hierzu vielmehr seine Rechtsauffassung dargelegt, wonach eine von den Klägern behauptete Überschreitung der genehmigten Kapazität für die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht relevant wäre, sondern eine Frage des Vollzugs der Genehmigung (UA Rn. 173). Schließlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit den Bedenken der Kläger gegen die Verwendung der Daten aus der Messstation Taufkirchen des Deutschen Wetterdienstes aus dem Jahr 1999 befasst; er ist ihnen lediglich nicht gefolgt.
Rz. 32
Mit dem Vorbringen der Kläger zu der nach ihrer Ansicht fehlerhaften UVP-Vorprüfung musste sich das Berufungsgericht nicht befassen, weil nach seiner - für die Prüfung von Verfahrensfehlern maßgeblichen - materiell-rechtlichen Rechtsauffassung eine UVP-Pflicht für das Vorhaben nicht bestand.
Rz. 33
Soweit die Kläger rügen, der Verwaltungsgerichtshof habe ihr Vorbringen an mehreren Punkten zu Unrecht als unsubstantiiert angesehen, stellt die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz eine materiell-rechtliche Würdigung und mithin keinen Verfahrensmangel dar. Die Kläger machen mit ihren Rügen keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils geltend, auf die eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit Erfolg gestützt werden kann.
Rz. 34
b) Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird, hinsichtlich welcher konkreter Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Zudem muss bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr beanstandet wird, hingewirkt werden, oder dargelegt werden, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 7 B 19.21 - juris Rn. 22 m. w. N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Die Rüge der Kläger beschränkt sich insoweit darauf, ihre bereits vorinstanzlich vorgetragenen Einwände zu wiederholen und pauschal zu behaupten, der Verwaltungsgerichtshof habe diesen Vortrag nicht berücksichtigt und keine weiteren Ermittlungen angestellt.
Rz. 35
aa) Liegen - wie hier - bereits Gutachten zu entscheidungserheblichen Tatsachen vor, steht es nach § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Sachverständigengutachten einholt. Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 25 m. w. N.). Angezeigt ist eine entsprechende Anwendung des § 412 ZPO auch dann, wenn ein Gutachten einem behördlich veranlassten Gutachten gleichzustellen ist. Dies ist bei den im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren vom Vorhabenträger eingereichten Gutachten der Fall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 25; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 98 Rn. 182).
Rz. 36
Ein Verfahrensmangel liegt in dieser Situation nur dann vor, wenn sich dem Tatsachengericht die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte aufdrängen müssen, weil die vorliegenden Gutachten ungeeignet sind, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur Ergänzung des Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter dieses als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2022 - 7 B 15.21 - NVwZ 2022, 1634 Rn. 26 m. w. N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze musste sich dem Verwaltungsgerichtshof die Einholung weiterer Gutachten nicht aufdrängen. Dies gilt auch und gerade soweit die Beschwerde die Nichteinholung eines Obergutachtens rügt.
Rz. 37
bb) Dem Berufungsgericht musste sich auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung auch nicht aufdrängen, die Beiziehung weiterer Unterlagen zu etwaigen vertraglichen Verpflichtungen zwischen der Beklagten und der Beigeladenen anzuordnen. Ebenso wenig bestand danach ein Anlass, einen Ortstermin mit Inaugenscheinnahme der streitgegenständlichen Anlage abzuhalten, Auskünfte des Deutschen Wetterdienstes einzuholen sowie zusätzlich den für das schalltechnische Gutachten zuständigen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung anzuhören.
Rz. 38
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 15768849 |
UPR 2023, 394 |
UWP 2023, 194 |