Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmensrestitution. Unmöglichkeit Rückgabe. Veräußerung. Nichterreichen des Quorums. Erlösauskehranspruch. Zahlungsanspruch Verkehrswert
Leitsatz (amtlich)
Ist die Rückgabe eines Unternehmens ausgeschlossen, weil das Quorum nicht erreicht wurde, setzt der Anspruch auf Zahlung des Verkehrswerts eines Gegenstands des Unternehmensvermögens voraus, dass der Verfügungsberechtigte den Vermögensgegenstand veräußert hat.
Normenkette
VermG § 6 Abs. 6a Sätze 3-4
Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 5 A 2022/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 18. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 015 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, dass die Beigeladenen berechtigt sind, von ihr die Zahlung des anteiligen Verkehrswerts zweier Grundstücke zu verlangen. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung aufgehoben, weil es für den Zahlungsanspruch der Beigeladenen keine Rechtsgrundlage gebe; nach der einschlägigen Regelung des § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG entstehe der Zahlungsanspruch auch dann, wenn das Unternehmen wegen Nichterreichen des Quorums nicht zurückgegeben werden könne, erst bei einer Veräußerung des restitutionsbelasteten Vermögensgegenstands durch den Verfügungsberechtigten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Berechtigten im Fall der Verfehlung des Quorums die Zahlung des anteiligen Verkehrswerts eines Vermögensgegenstands des Unternehmens auch vor einer Veräußerung des Grundstücks durch den Verfügungsberechtigten verlangen können, lässt sich nach den üblichen Auslegungsregeln beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Schon dem Wortlaut des § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG ist zu entnehmen, dass der Anspruch auf Zahlung des Verkehrswerts eine Veräußerung des Vermögensgegenstands voraussetzt; denn ein “Erlös” kommt typischerweise nur bei einer Veräußerung in Betracht, gleichviel ob er erzielt oder nicht erzielt oder nur unterhalb des Verkehrswerts erzielt wurde. Überdies ist in Bezug auf die Alternative, dass der erzielte Erlös den Verkehrswert unterschreitet, ausdrücklich von einer Veräußerung des Vermögensgegenstands die Rede. Demgegenüber lässt sich die vom Beklagten vorgenommene Umdeutung des § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG dahin, dass der Halbsatz “ist ein Erlös nicht erzielt worden” mit dem Inhalt “ist der Vermögensgegenstand nicht veräußert worden” gleichzusetzen sei, mit dem Wortlaut nicht vereinbaren. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob der in dem Beschluss vom 23. Mai 2000 – BVerwG 8 B 31.00 – (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37) zu § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG vertretenen Auffassung, eine unentgeltliche Verfügung über einen restitutionsbelasteten Vermögensgegenstand stehe dessen Rückübertragung nicht entgegen, zu folgen sein würde; denn die diesem Beschluss zugrunde liegende Erwägung, dem bei einer unentgeltlichen Veräußerung andernfalls leer ausgehenden Berechtigten den Restitutionsanspruch zu erhalten, lässt sich auf den Fall des zum Restitutionsausschluss führenden Verfehlens des Quorums schon deshalb nicht übertragen, weil den Berechtigten in § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG der Zahlungsanspruch auch bei einer unentgeltlichen Veräußerung eingeräumt wird.
Dasselbe Ergebnis folgt aus dem systematischen Zusammenhang des Satzes 4 mit dem Satz 3 der Vorschrift. § 6 Abs. 6a Satz 4 VermG setzt mit seiner Bezugnahme auf beide Alternativen des Satzes 3 – Unmöglichkeit der Rückgabe wegen Veräußerung oder wegen Nichterreichens des Quorums – voraus, dass das Unternehmen oder ein Vermögensgegenstand des Unternehmens veräußert worden ist; das ergibt sich aus der für beide Fälle angeordneten Rechtsfolge, dass die Berechtigten die Zahlung eines Geldbetrags in Höhe des “Erlöses aus der Veräußerung” verlangen können. Die Annahme des Beklagten, im Fall des Nichterreichens des Quorums komme es auf eine Veräußerung nicht an, widerspricht dem Wortlaut des Satzes 3 sowie dessen Zweck, klarzustellen, dass den Berechtigten der bei einer Veräußerung erzielte Erlös auch dann zustehen soll, wenn das Quorum nicht erreicht wurde. Satz 4 ergänzt diesen Erlösauskehranspruch durch die Regelung, dass die Berechtigten bei einem Veräußerungserlös unterhalb des Verkehrswerts die Zahlung des Verkehrswerts verlangen können. Wurde dagegen der Vermögensgegenstand nicht veräußert und mithin kein Erlös erzielt, kommt auch der an den Verkehrswert im Zeitpunkt der Veräußerung anknüpfende Zahlungsanspruch nicht in Betracht.
Bei dieser Auslegung ergibt sich weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine im Sinne des Beschwerdevorbringens sachwidrige Ungleichbehandlung. Der im Fall einer Unmöglichkeit der Rückgabe infolge Veräußerung des Vermögensgegenstands gewährte Erlösanspruch bezweckt, den Berechtigten als Surrogat die Leistungen zukommen zu lassen, die der Verfügungsberechtigte für die Veräußerung erhalten hat. Mit dem Anspruch auf Zahlung des Verkehrswerts erhalten die Berechtigten Leistungen, die in der Höhe zwar nicht erzielt wurden, aber entsprechend dem Verkehrswert des Vermögensgegenstands im Zeitpunkt der Veräußerung erzielbar gewesen wären. In beiden Fallkonstellationen knüpft der Surrogatanspruch an einen Veräußerungsvorgang an. Die Berechtigten bei Nichterreichen des Quorums auf die Entschädigung zu verweisen, wenn es nicht zu einer Veräußerung des Vermögensgegenstands gekommen ist, ist nicht willkürlich. Da bei Nichterreichen des Quorums die Rückgabe des Unternehmens oder der Unternehmensreste immer ausgeschlossen ist, ist für den Surrogatanspruch im Regelfall kein Raum. Abweichend hiervon wird der Erlös- oder Zahlungsanspruch nur dann gewährt, wenn der Verfügungsberechtigte durch eine Veräußerung Leistungen erzielt hat oder hätte erzielen können, die der Sache nach den Berechtigten zustehen. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I S. 390), i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Unterschriften
Sailer, Herbert, Krauß
Fundstellen