Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 26.10.2001; Aktenzeichen 20 D 43/00.AK) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde zunächst folgende Fragen auf:
„Kann unter Berücksichtigung der höheren Störwirkung des Fluglärms gegenüber anderen Verkehrsarten und der sich daraus ergebenden höheren Belastungswirkung des Fluglärms die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle für Fluglärm in der Umgebung eines Verkehrsflughafens generalisierend mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 62 dB(A) beschrieben werden, oder ist diese fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle für Fluglärm am Tage niedriger, etwa mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 60 dB(A) anzusetzen? Ist bei der Bestimmung dieser fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle von einem mit dem Halbierungsparameter q = 4 berechneten Dauerschallpegel auszugehen oder von dem mit dem Halbierungsparameter q = 3 berechneten Dauerschallpegel?”
„Ist das Schutzziel passiver Lärmschutzmaßnahmen, nach dem durch An- und Abflüge zu/von einem Verkehrsflughafen im Rauminneren fluglärmbetroffener Gebäude in Wohnräumen bei geschlossenen Fenstern keine höheren Einzelschallpegel als 55 dB(A) auftreten dürfen, ausreichend, um nachteilige Wirkungen der Fluglärmbelastung zu vermeiden, oder ist das Schutzziel dahingehend zu definieren, dass keine höheren Einzelschallpegel als 52 dB(A) bei geschlossenen Fenstern, hilfsweise 55 dB(A) bei gekippten Fenstern oder bei geschlossenen mit mechanischen Lüftungseinrichtungen, auftreten?”
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Ihre Beantwortung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und ist deswegen einer generellen Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärmbeeinträchtigungen nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse durch tatrichterliche Würdigung bestimmt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1998 – BVerwG 11 B 21.98 – Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 12 m.w.N.). Das gilt unabhängig davon, ob es um den mit der ersten Frage angesprochenen Außenpegel oder um den mit der zweiten Frage thematisierten Innenpegel geht. Denn in beiden Fällen lässt sich die Zumutbarkeitsgrenze wegen der vielfältigen zu berücksichtigenden konkreten Umstände (Gebietsstruktur, Schutzwürdigkeit, Vorbelastung, Nutzung) nicht in einem dB(A)-Wert allgemein gültig ausdrücken und somit auch nicht in einem Revisionsverfahren durch eine gewissermaßen bundeseinheitliche Ermittlung und Festlegung von Lärmpegel-Grenzwerten bestimmen. Daran ändern auch die von der Beschwerde geltend gemachten neueren Ergebnisse der Fluglärmwirkungsforschung im Grundsatz nichts. Im Übrigen ist die Frage, ob eine zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen bzw. erheblichen Belästigungen äußerstenfalls zumutbare Geräuscheinwirkung in einem bestimmten Geräuschpegel zutreffend ausgedrückt ist, eine außerrechtliche Fachfrage, die in der Tatsacheninstanz im Wege der Sachverhaltsermittlung – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen –, nicht aber in der Revisionsinstanz zu klären ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 S. 24; Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332 ≪373≫). Dasselbe gilt für die im Rahmen der ersten Frage aufgeworfene Frage nach dem zutreffenden Äquivalenzparameter.
Darüber hinaus wirft die Beschwerde folgende Frage auf:
„Genügt die allgemeine Feststellung eines Luftverkehrsbedarfs zu bestimmten Tageszeiten, um die unterbliebene Abwägung zur Anordnung von Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes durch flugbetriebliche Maßnahmen während der zugelassenen Flugbetriebszeit insgesamt und/oder während dieser Tageszeiten zu rechtfertigen?”
Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärungsbedürftig ist. Denn das Oberverwaltungsgericht ist – zutreffend und von der Beschwerde ersichtlich falsch interpretiert – hinsichtlich der Frage, ob die Planfeststellungsbehörde Maßnahmen des aktiven Schallschutzes erwogen hat, nicht von einem Abwägungsausfall ausgegangen, sondern von einer Abwägungsentscheidung, die zwar „nicht ganz unbedenkliche” Erwägungen enthält, aber von anderen und von der Planfeststellungsbehörde auch erwogenen Gesichtspunkten hinreichend getragen wird. Eine Rechtsfrage muss aber selbst – so wie sie entschieden worden ist – von grundsätzlicher Bedeutung sein und nicht erst die Rechtsfrage, die sich stellen würde, wenn die Rechtssache anders entschieden worden wäre (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1992 – BVerwG 3 B 102.91 – Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17).
Die von der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision.
Die Beschwerde meint sinngemäß, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sowie gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es bei der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte auf aktive Schallschutzmaßnahmen verzichten durfte, von unzureichenden tatsächlichen Annahmen ausgegangen sei und nicht ohne weitere Beweiserhebung hätte entscheiden dürfen. Das trifft jedoch nicht zu. Denn die von der Beschwerde bezeichneten Ermittlungen mussten sich dem Oberverwaltungsgericht nicht aufdrängen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 15). Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 3. Juli 1992 – BVerwG 8 C 72.90 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 19 m.w.N.) der vom Oberverwaltungsgericht eingenommene materiellrechtliche Standpunkt zugrunde zu legen.
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte angesichts der Privatrechtsform des Flugplatzbetreibers und der landesplanerischen Vorgaben nur solche betriebsbeschränkenden Maßnahmen hätte berücksichtigen müssen, die für den Flugplatz keine erheblich beeinträchtigenden Restriktionen darstellen. Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, generelle zeitliche Beschränkungen, insbesondere in den Tagesrandstunden, hätten nicht als vorzugswürdig in die Abwägung eingestellt werden müssen, weil nachvollziehbar sei, dass gerade bei Eintagesgeschäftsreisen im Hinblick auf eine ausreichende Verweildauer am Zielort ein Bedarf für Flüge in dieser Zeit bestehe. Diese Einschätzung liegt auf der Hand. Das Oberverwaltungsgericht untermauert sie im Übrigen nicht allein mit dem von der Beschwerde als unzureichend empfundenen Hinweis auf das Gutachten W., sondern auch mit der im Planfeststellungsbeschluss zum Ausdruck gekommenen Konzeption und Funktion des Flugplatzes sowie der Entwicklung seiner bisherigen Inanspruchnahme (UA S. 37). Auf dieser Grundlage musste sich dem Oberverwaltungsgericht mangels weiter gehender substantiierter Einwendungen der Klägerin ein zusätzlicher Aufklärungsbedarf nicht aufdrängen.
Dasselbe gilt für die vom Oberverwaltungsgericht ebenfalls als unbeachtlich beurteilten Betriebsbeschränkungen in Anknüpfung an den Reisezweck, deren Einstellung in die Abwägung das Oberverwaltungsgericht ebenfalls nicht als erforderlich angesehen hat. Die Beschwerde meint, die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, das planfestgestellte Vorhaben gehe auch im Hinblick auf den Tourismusflugverkehr nicht über den Rahmen dessen hinaus, was der Regionalluftverkehr erfordere, hätte eine weitere Sachaufklärung des Oberverwaltungsgerichts vorausgesetzt. Soweit die Beschwerde insoweit bemängelt, das Oberverwaltungsgericht sei dem klägerischen Vortrag nicht nachgegangen, die planfestgestellte Bahnlänge ermögliche den Einsatz der im Chartertourismusverkehr üblicherweise eingesetzten Flugzeuge, ist darauf hinzuweisen, dass das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, die – durch die Gewichtsbegrenzung im Planfeststellungsbeschluss festgeschriebene – Größe des einsetzbaren Fluggeräts weise eine Verbindung zum typischen Verkehrsgeschehen im Regionalluftverkehr auf und bleibe hinter den besonderen Anforderungen im Massentourismus zurück. Es ist nicht erkennbar und drängt sich daher nicht auf, dass diese Feststellung durch Erkenntnisse darüber, welches Fluggerät aufgrund der Länge der planfestgestellten Bahn dort technisch starten und landen könnte, infrage gestellt zu werden vermag.
Nichts anderes gilt für den im Übrigen unter Bezugnahme auf nicht in der Verfahrensakte befindliche Ausführungen erhobenen Einwand der Beschwerde, das Vorhaben diene der Abwicklung von Flugverkehr im Massentourismus.
Soweit die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht hätte der Möglichkeit einer Bewegungskontingentierung nachgehen müssen, fehlt es bereits an der Erfüllung der Anforderungen der Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil die Beschwerde nicht darlegt, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O., S. 14). Im Übrigen hat sich angesichts des dargelegten rechtlichen Ausgangspunkts des Oberverwaltungsgerichts und mangels Substantiierung des klägerischen Vortrags, wofür ein entsprechender Klageantrag nicht ausreicht, eine weitere Aufklärung durch das Oberverwaltungsgericht jedenfalls nicht aufgedrängt.
Bestand mithin kein weiterer Aufklärungsbedarf, so erweist sich die Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz lediglich als allgemeine Kritik an der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Oberverwaltungsgericht. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang wären jedoch revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und könnten einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Der Ausnahmefall einer aktenwidrigen Feststellung (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.) ist – auch hinsichtlich der bereits erwähnten Bezugnahme des Oberverwaltungsgerichts auf das Gutachten W. – nicht erkennbar und wird auch von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Sie rügt lediglich, dass die Aussage des Gutachtens die Schlussfolgerungen des Oberverwaltungsgerichts nicht tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 1 Satz 1, §§ 14, 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen