Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen 15 KF 2138/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Flurbereinigungsgericht) vom 11. November 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO (i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO misst die Beschwerde der Frage zu,
“inwieweit und unter welchen Voraussetzungen es notwendig ist und auch im Interesse der Teilnehmer der Flurbereinigung eine durch Errichtung einer Umgehungsstraße verkehrsberuhigte Ortsdurchfahrt zu verbreitern”.
Diese Frage rechtfertigt mangels Entscheidungserheblichkeit die Zulassung der Revision nicht. Denn wie auch die Beschwerde nicht verkennt, war der Einwand des Klägers, die Verbreiterung der Straße und die dadurch bedingte Veränderung seiner Hofraumgrenze seien nicht erforderlich, wegen der nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts nicht wirksam zurückgenommenen Zustimmung des Klägers zu der Hofraumgrenzänderung für die angegriffene Entscheidung nicht von Bedeutung. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung muss aber gerade der vom Vorderrichter entschiedenen Rechtsfrage selbst, nicht erst derjenigen Rechtsfrage zukommen, die sich stellen würde, wenn die Rechtssache anders entschieden worden wäre (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 1992 – BVerwG 3 B 102.91 – Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17).
2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht begründet. Ein solcher Zulassungsgrund ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Die Beschwerde benennt zwar tragende Rechtssätze aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Oktober 1962 – BVerwG 1 C 212.58 – BVerwGE 15, 72), stellt diesen aber keine abweichenden Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts entgegen, sondern macht lediglich geltend, dessen “nicht weiter reflektierte Entscheidung (widerspreche) den Anforderungen, welche das Bundesverwaltungsgericht … stellt”. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz jedoch nicht (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O.).
Im Übrigen lässt die zitierte Entscheidung auch nicht erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Vereinbarung, wie sie nach den – wie zu zeigen sein wird – nicht erfolgreich mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall im Hinblick auf eine Hofraumgrenzänderung getroffen worden ist, für unzulässig hielte. Die Entscheidung bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf (einseitige) Eingriffe in die Rechtsstellung des Betroffenen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1962 – BVerwG 1 C 212.58 – a.a.O. S. 76) und schließt (zweiseitige) Vereinbarungen zwischen Hofraumeigentümer und Flurbereinigungsbehörde nicht aus.
3. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
a) Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sieht die Beschwerde darin, dass das Oberverwaltungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren (rückwärtigen) Erschließung des Hofgrundstücks des Klägers über einen im Wege- und Gewässerplan nur noch für den Fußgängerverkehr ausgewiesenen Weg nicht näher untersucht hat. Insoweit seien auch das Gebot des rechtlichen Gehörs und die aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgende Pflicht des Gerichts, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Ermittlungen zu gewinnen, verletzt, weil das Gericht sich mit dem Vorbringen des Klägers und gleichlautenden Erklärungen anderer Personen, dieser Weg sei früher landwirtschaftlich genutzt worden und auch heute zur hinreichenden Erschließung des Hofgrundstückes erforderlich, nicht auseinander gesetzt habe.
Diese Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Frage, ob das angegriffene Urteil an einem Verfahrensmangel leidet, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom materiellrechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – BVerwG 11 C 11.96 – Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 58 m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat zu der wegemäßigen Erschließung des Hofgrundstücks selbständig tragend ausgeführt, dass der Kläger das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung durchgeführte Flurbereinigungsverfahren nach § 15 FlurbG gegen sich gelten lassen müsse und mithin an den zuvor aufgestellten und genehmigten Wege- und Gewässerplan gebunden sei. Von diesem Rechtsstandpunkt kommt es – unabhängig von seiner von der Beschwerde infrage gestellten Richtigkeit – auf die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltenen bzw. unberücksichtigt gebliebenen tatsächlichen Umstände nicht an. Deswegen ist auch der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Denn es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht Ausführungen eines Beteiligten außer Betracht lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich sind (vgl. etwa BVerfGE 86, 133 ≪146≫).
b) Als Verstoß gegen § 108 VwGO macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit der Frage einer Vernässung des als Grünland zugeteilten Flurstücks 27 Flur 12 zugestandene Tatsachen verfahrensfehlerhaft als strittig unterstellt und auch gegen allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstoßen.
Mit ihrer ersten Rüge vermag die Beschwerde schon deswegen keinen Verfahrensmangel darzulegen, weil ein Gericht nach § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO – anders als im Zivilprozess – an das Vorbringen der Beteiligten und somit auch an deren übereinstimmendes Vorbringen nicht gebunden ist.
Mit ihrer weiteren Rüge greift die Beschwerde die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts an. (Vermeintliche) Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind jedoch revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können deswegen einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen. Anhaltspunkte dafür, dass die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Oberverwaltungsgericht in der Frage, ob von einer Vernässung des dem Kläger zugeteilten Flurstücks 27 Flur 12 auszugehen ist, von objektiver Willkür geprägt wäre und deswegen ausnahmsweise an einem Verfahrensmangel leiden könnte (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 19), sind nicht ersichtlich. Der bloße Hinweis der Beschwerde, dass Mauselöcher unter günstigen Bedingungen gerade zur Zeit der Schneeschmelze binnen kurzer Zeit in großer Menge entstehen können, zeigt nicht substantiiert auf, dass die Annahme des sachkundig besetzten Oberverwaltungsgerichts, die Existenz einer Vielzahl von Mauselöchern spreche gegen eine Vernässung der vom Kläger extensiv genutzten Grünflächen, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen widerspräche.
Die im erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingegangenen Schriftsatz vom 10. Mai 2005 enthaltenen Ausführungen zur Frage eines Anspruchs auf Dränung des genannten Grundstücks aus Gründen der Gleichbehandlung betreffen das materielle Recht und zeigen Verfahrensmängel nicht auf.
c) Einen weiteren Verstoß gegen die Aufklärungspflicht sieht die Beschwerde darin, dass das Oberverwaltungsgericht nicht aufgrund eigener Überzeugungsbildung die Frage überprüft habe, ob auf den Altflurstücken 62 und 63 Flur 1 eine Windkraftanlage hätte errichtet werden können. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde auf der Grundlage der – wie dargelegt – für die Sachaufklärung allein maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts keinen Verfahrensmangel auf. Unter dem für das Oberverwaltungsgericht maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkt der wertgleichen Abfindung kam es allein darauf an, ob die Verkürzung der Schlaglänge des zugeteilten Flurstücks 35 Flur 15 in der Lage der Altgrundstücke ursächlich für die Ablehnung der Genehmigung zur Errichtung einer Windkraftanlage gewesen ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Bescheide des Landrats des Kreises Lippe verneint, weil danach andere Gründe, u.a. entgegenstehende öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB aufgrund der an anderer Stelle ausgewiesenen und dargestellten Flächen für Windenergieanlagen im Flächennutzungsplan der Gemeinde Extertal maßgebend gewesen seien. Auf die von der Beschwerde geforderte Sachaufklärung im Zusammenhang mit der Frage, ob die Altflurstücke überhaupt mit einer Windkraftanlage hätten bebaut werden können, kann es danach nicht ankommen.
d) Soweit die Beschwerde eine unzureichende Sachaufklärung im Zusammenhang mit der Bewertung des Flurstücks 47 Flur 12 und des Flurstücks 14 Flur 13 rügt, beanstandet sie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts, was – wie dargelegt – eine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nicht rechtfertigt, weil Anhaltspunkte für eine von objektiver Willkür geprägte Sachverhalts- und Beweiswürdigung weder erkennbar sind noch vorgetragen werden.
Mit dem den angeblichen Erwerb des Flurstücks 47 Flur 12 bzw. die Nichtberücksichtigung der Beschattung des Flurstücks 14 Flur 13 betreffenden Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung und in seinem nachträglichen Schriftsatz vom 17. November 2004 hat sich das Oberverwaltungsgericht entgegen der Behauptung der Beschwerde in seinem Urteil auseinander gesetzt. Dass sich dem Gericht darüber hinausgehende Sachverhaltsaufklärungen hätten aufdrängen müssen (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O. m.w.N.), zeigt die Beschwerde nicht auf.
e) Ohne Erfolg bleibt auch die im Zusammenhang mit dem Flurstück 19/9 Flur 6 von der Beschwerde erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung. Soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe, ohne den Sachverhalt näher aufzuklären, festgestellt, dass ein Blockheizkraftwerk auf dem Grundstück nicht errichtet werden könne, und die Frage, ob es sich im Übrigen um Bauland handele, sei von ihm nicht mehr weiter erörtert worden, erfüllt dieses Vorbringen schon deswegen nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung eines Zulassungsgrundes im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO stellt, weil nicht substantiiert dargelegt wird, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – a.a.O.).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang offensichtlich geltend machen will, der Beklagte habe für die Beurteilung der Gleichwertigkeit von Einlagen und Abfindungen den falschen Zeitpunkt für maßgeblich angesehen, rügt sie angebliche Mängel bei der Anwendung des materiellen Rechts, die eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen können.
Fehl geht schließlich die Rüge der Beschwerde, dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts liege eine aktenwidrige Feststellung zugrunde, soweit das Gericht im Hinblick auf das Flurstück 19/9 Flur 6 von 18,51 Werteinheiten ausgehe. Denn die Plan- und Abfindungsvereinbarung vom 2. Oktober 1997, auf die die Beschwerde mit ihrer Behauptung der Aktenwidrigkeit Bezug nimmt, enthält zum Wert des genannten Flurstücks keine Aussage.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte
Fundstellen