Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 2 S 2842/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. März 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die vom Alleinerben der zwischenzeitlich verstorbenen Antragstellerin fortgeführte, auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde folgende Frage auf:
“Ist § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005, der Mängel bei der Beschlussfassung über Abgabensätze für unbeachtlich erklärt, wenn sie nur zu einer geringfügigen Kostenüberdeckung führen, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – insbesondere dem Äquivalenzprinzip – vereinbar und ist der Wortlaut dieser Vorschrift hinreichend bestimmt?”
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft zunächst eine Norm des irrevisiblen Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann.
Die aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch zu einer solchen des revisiblen Rechts, dass die Beschwerde die Vereinbarkeit der genannten landesrechtlichen Norm mit dem Grundgesetz in Zweifel zieht. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht durch Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundes-(verfassungs)rechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 6 B 11.96 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Die Klärungsbedürftigkeit von Bundesrecht zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf.
Das Äquivalenzprinzip, das die Beschwerde verletzt sieht, ist, soweit es als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots dem Bundesrecht angehört, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Es besagt, dass der Beitrag nicht in einem Missverhältnis zu dem von der Verwaltung erbrachten Vorteil stehen darf; dabei schützt es nur vor einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen Beitrag und Vorteil (Urteil vom 24. September 1987 – BVerwG 8 C 28.86 – NVwZ 1988, 159 ≪160≫; Beschluss vom 16. Dezember 1991 – BVerwG 8 B 154.91 – juris Rn. 5). Wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls geklärt hat, ist das Äquivalenzprinzip mit dem – bundesrechtlich nicht vorgegebenen – Kostendeckungsgrundsatz nicht identisch (Urteil vom 19. Januar 2000 – BVerwG 11 C 5.99 – Buchholz 451.211 GtA Nr. 2 S. 8 m.w.N.). Deswegen kann eine “geringfügige Kostenüberdeckung” im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 jedenfalls dann von vornherein das Äquivalenzprinzip nicht berühren, wenn sie an der Höhe des festgesetzten Beitrages nichts ändert. Das ist hier nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs der Fall.
Auch die Anforderungen an das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Bestimmtheitsgebot, mit dem § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG 2005 nach Auffassung der Beschwerde unvereinbar ist, sind bereits höchstrichterlich geklärt. Es verlangt vom Normengeber, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 – BVerfGE 87, 234 ≪263≫; Beschlüsse vom 9. August 1995 – 1 BvR 2263/94 und 229, 534/95 – BVerfGE 93, 213 ≪238≫ und vom 18. Mai 2004 – 2 BvR 2374/99 – BVerfGE 110, 370 ≪396≫). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung des Abgabenrechts nimmt ihr allerdings noch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit (BVerfG, Beschlüsse vom 14. März 1967 – 1 BvR 334/61 – BVerfGE 21, 209 ≪215≫, vom 18. Mai 1988 – 2 BvR 579/84 – BVerfGE 78, 205 ≪212≫ und vom 9. November 1988 – 1 BvR 243/86 – BVerfGE 79, 106 ≪120≫). Angesichts der Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge gelingt es nicht immer, einen Abgabetatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es ist dann Sache der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte, die bei der Gesetzesauslegung verbleibenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregel zu beantworten (Urteil vom 1. Dezember 2005 – BVerwG 10 C 4.04 – NVwZ 2006, 589 ≪594≫).
Nach diesen Maßstäben ist es bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof sich nicht gehindert gesehen hat, § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005 im vorliegenden Fall anzuwenden und auf dieser Grundlage die festgestellten Mängel bei der Beschlussfassung über den Beitragssatz als unbeachtlich zu behandeln. Denn schon aufgrund der aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren Vorstellungen des baden-württembergischen Gesetzgebers (LTDrucks 13/3966 S. 41), die ihrerseits an die frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs anknüpfen und auch bereits Literatur und erstinstanzliche Rechtsprechung beeinflusst haben (vgl. Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2006, § 8 Rn. 678 g m.w.N.), liegt es nahe und ist es auch für den Betroffenen vorhersehbar, dass der Verwaltungsgerichtshof die Geringfügigkeitsgrenze als hinreichend bestimmt und im vorliegenden Fall bei einer Kostenüberdeckung von 0,6 v.H. als jedenfalls nicht überschritten ansieht. Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch hier nicht auf.
Darüber hinaus wirft die Beschwerde folgende Frage auf:
“Verstößt § 49 Abs. 1 Satz 1 KAG 2005, der § 2 Abs. 2 KAG 2005 auch auf Abgabensätze, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Baden-Württemberg in der Fassung vom 17. März 2005 beschlossen worden sind, für anwendbar erklärt, gegen das Rechtsstaatsprinzip insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass eine Rückwirkung begründet wird? Verstößt die Vorschrift jedenfalls dann, wenn Rechtsmittel gegen Verfügungen bzw. Satzungen, für die die Abgabensätze maßgeblich sind, bereits vor der Gesetzesänderung eingelegt wurden, gegen das Rechtsstaatsprinzip?”
Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nach den bereits dargelegten Maßstäben nicht. Wie schon bei ihrer ersten Frage beschränkt sich die Beschwerde auf die bloße Rüge der Unvereinbarkeit einer landesrechtlichen Norm mit dem Grundgesetz, ohne gerade die Klärungsbedürftigkeit bundes(verfassungs)rechtlicher Vorschriften oder Grundsätze aufzuzeigen. Sie setzt diese bundesrechtlichen Maßstäbe vielmehr – und durchaus zu Recht – als geklärt voraus, indem sie die Einordnung der durch § 49 Abs. 1 KAG 2005 angeordneten Rückwirkung als “unecht” sowie die Abwägung von Vertrauensschutz und öffentlichem Interesse an der Aufrechterhaltung von Satzungsbeschlüssen durch den Verwaltungsgerichtshof beanstandet, ohne sich mit der hierzu ergangenen und auch vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts und der auf dieser Grundlage erfolgten Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs auseinanderzusetzen. Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Klärungsbedarf von Bundes(verfassungs)recht wird hieraus nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. h.c. Hien, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte
Fundstellen