Tenor
Das Verwaltungsgericht Lüneburg wird als für die Verfahren 6 A 32/03 und 6 A 41/03 örtlich zuständiges Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt.
Tatbestand
I.
Der Kläger in dem Verfahren 6 A 32/03 und gleichzeitig Beklagte in dem Verfahren 6 A 41/03 (Einrichtungsträger) ist Träger einer durch Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtung, die im örtlichen Zuständigkeitsbereich des für stationäre Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch zuständigen Beklagten in dem Verfahren 6 A 32/03 und gleichzeitig Klägers in dem Verfahren 6 A 41/03 (Leistungsträgers) gelegen ist. Der Einrichtungsträger hat seinen Sitz in Bonn, der Leistungsträger in Lüneburg. Nach Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung haben die Beteiligten über eine Vergütungsvereinbarung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG (F. 1996) keine Einigung erzielt; sie streiten darüber, ob Investitionsaufwendungen in der vom Einrichtungsträger geltend gemachten Höhe anzuerkennen sind. Die Schiedsstelle nach § 94 BSHG für das Land Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales hat unter dem 14. Januar 2003 eine Entscheidung getroffen, an die anknüpfend beide Beteiligten – der Einrichtungsträger am 10. Februar 2003 im Verfahren 6 A 32/03, der Leistungsträger am 13. Februar 2003 in dem Verfahren 6 A 41/03 – bei dem vorlegenden Verwaltungsgericht Klage gegen den jeweils anderen Beteiligten erhoben haben.
Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat die Verfahren durch Beschluss vom 30. September 2003 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, weil in beiden Verfahren derselbe Verwaltungsakt von zwei jeweils teils begünstigten und teils beschwerten Beteiligten mit entgegengesetzten Zielen angefochten werde und zur Entscheidung darüber wegen der in verschiedenen Gerichtsbezirken gelegenen Sitze der Beteiligten verschiedene Verwaltungsgerichte als örtlich zuständig in Betracht kämen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach § 53 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO zulässig.
Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann jeder am Rechtsstreit Beteiligte und jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht das im Rechtszug höhere Gericht oder das Bundesverwaltungsgericht anrufen, um das zuständige Gericht innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmen zu lassen. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt als nächsthöheres gemeinschaftlich übergeordnetes Gericht die Bestimmung vor, wenn Gerichte verschiedener Bundesländer in Betracht kommen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1992 – BVerwG 4 ER 403.91 – ≪Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 18≫ und Beschluss vom 7. Mai 1996 – BVerwG 2 AV 1.95 – ≪NVwZ 1996, 998≫). Vorliegend kommen Gerichtsstände in unterschiedlichen Bundesländern in Betracht.
Die Beteiligten streiten in bisher getrennten Verfahren mit gegenläufigem Ziel über den Abschluss einer (Vergütungs-)Vereinbarung im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG und deren im Sinne des § 93a Abs. 2 Satz 1 BSHG notwendigen Inhalt. Nach § 93b Abs. 1 Satz 2 BSHG entscheidet, wenn eine Vereinbarung nach § 93a Abs. 2 BSHG innerhalb von sechs Wochen nicht zustande kommt, nachdem eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat, die Schiedsstelle nach § 94 BSHG auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte. Gegen die Entscheidung der Schiedsstelle ist nach § 93b Abs. 1 Satz 3 BSHG der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Die jeweiligen Rechtsschutzbegehren hängen, obwohl die beiden Verfahren unterschiedliche Streitgegenstände betreffen (dem Einrichtungsträger geht es in dem Verfahren 6 A 32/03 um eine höhere Vergütung als von der Schiedsstelle festgelegt, dem Leistungsträger dagegen in dem Verfahren 6 A 41/03 um eine niedrigere Vergütungshöhe als festgelegt) in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht so eng miteinander zusammen, dass – wie das vorlegende Gericht zutreffend erkannt hat – eine Verbindung beider Verfahren notwendig ist, um insbesondere zur maßgeblichen Vergütungshöhe widersprüchliche Gerichtsentscheidungen zu vermeiden.
Die für das Rechtsschutzbegehren der Beteiligten gegebene, im Sinne von § 86 Abs. 3 VwGO sachdienliche Klageart ist die Anfechtungsklage; denn die Klagen nach § 93b Abs. 1 Satz 3 BSHG sind isolierte Anfechtungsklagen gegen die Schiedsstellenentscheidung (BVerwGE 116, 78). Obwohl die Klage nach § 93b Abs. 1 Satz 4 BSHG nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist, sondern gegen die andere Vertragspartei, ist Gegenstand der Klage nach dem eindeutigen Wortlaut des § 93b Abs. 1 Satz 3 BSHG die Entscheidung der Schiedsstelle (BVerwG, a.a.O., S. 85). Diese Entscheidung ist ein vertragsgestaltender Verwaltungsakt (BVerwG, a.a.O., S. 81). Die örtliche Zuständigkeit für die Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung richtet sich darum nach den Regeln über Anfechtungsklagen, hier nach § 52 Nr. 3 VwGO. Nach dieser Auffangklausel für die örtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über Anfechtungsklagen ist, wenn der Verwaltungsakt von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder anderer Länder erlassen worden ist, das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat.
Unter dem “Beschwerten” ist hier nicht der Beklagte zu verstehen. Die Stellung als “Beschwerter” muss als Voraussetzung der Klagebefugnis bei der Anfechtungsklage auf der Klägerseite gegeben sein (vgl. § 42 Abs. 2 i.V.m. § 79 VwGO). In den Fällen, in denen es um die Beschwer durch eine Schiedsstellenentscheidung nach § 93b Abs. 1 Satz 2 BSHG geht, meint das Gesetz also die klagende, nicht hingegen die beklagte Vertragspartei.
Für den Sitz des Einrichtungsträgers, des Klägers in dem Verfahren 6 A 32/03, ist demnach das Verwaltungsgericht Köln, für den Sitz des Leistungsträgers, des Klägers in dem Verfahren 6 A 41/03, hingegen das vorlegende Verwaltungsgericht örtlich zuständig.
Allerdings haben beide Beteiligten mit den zuletzt gestellten Anträgen nicht die Entscheidung der Schiedsstelle zum Gegenstand ihrer Klagen gemacht, sondern einen Feststellungs- bzw. Leistungsantrag gegen den jeweils anderen Beteiligten angekündigt, aufgrund derer sie u.a. das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Pflicht zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung klären lassen wollen. Für ein solches Klagebegehren würde sich ungeachtet der Frage der Sachdienlichkeit einer Feststellungs- bzw. Leistungsklage (zum Fehlen eines Anspruchs der Vereinbarungspartner auf Abschluss einer bestimmten Pflegesatzvereinbarung nach § 93b BSHG siehe BVerwG, a.a.O, S. 85) und der Frage nach der Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 5 VwGO richten. Der Gerichtsstand hinge dann vom Sitz des jeweiligen Beklagten ab. In diesem Falle wären – wenn auch in einem umgekehrten Sinne für das jeweils andere Verfahren als bei Annahme von wechselseitig zu erhebenden Anfechtungsklagen – wiederum sowohl das Verwaltungsgericht Köln als auch das vorlegende Verwaltungsgericht örtlich zuständig, und zwar ersteres für das Verfahren 6 A 41/03 und letzteres für das Verfahren 6 A 32/03.
Da schon für den innerhalb des jeweiligen Verfahrens identischen Streitgegenstand der wechselseitigen Rechtsschutzbegehren unterschiedliche Gerichtsstände in Betracht kommen, ist auch für die vorliegende Fallkonstellation – worauf zu Recht auch das vorlegende Gericht hinweist – das Verfahren nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 VwGO eröffnet (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23. August 1974 – BVerwG 8 ER 400.74 – ≪Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 8≫).
Die Zuständigkeitsbestimmung hat nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 1993 – BVerwG 7 ER 400.93 – ≪Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 22≫; Beschluss vom 7. Mai 1996 – BVerwG 2 AV 1.95 – a.a.O.). Da vorliegend über die Berechnung und Festlegung eines Investitionsbetrages zur Vergütung von Aufwendungen für eine im Bezirk des vorlegenden Gerichts gelegene Pflegeeinrichtung gestritten wird, bestimmt der Senat in Anlehnung an den auch in § 53 Nr. 1 VwGO enthaltenen Gedanken das vorlegende Gericht zu dem für die beiden noch zu verbindenden Verfahren örtlich zuständigen Verwaltungsgericht.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen