Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 30.10.2007; Aktenzeichen 9 A 314.05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin erstrebt ihre berufliche Rehabilitierung, da sie nach der Geburt ihrer Tochter und vor ihrer Ausreise aus der DDR verfolgungsbedingt mehrere Jahre nicht in ihrem Beruf als Kinderkrankenschwester habe arbeiten können.
Mit Bescheid vom 19. März 1999 hatte der Beklagte festgestellt, dass sie Verfolgte im Sinne des § 1 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) sei, die Verfolgungszeit vom 10. Juni 1977 bis 3. Juni 1981 gedauert habe und Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG nicht vorlägen. Auf ihren Widerspruch vom 16. April 1999, mit dem sie die Vorverlegung des Verfolgungszeitraums begehrte, wurde der Ausgangsbescheid durch Widerspruchsbescheid vom 9. April 2001 aufgehoben. Die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben, dass die Klägerin zur Durchsetzung ihres Ausreiseantrags selbst gekündigt habe, ohne hierzu aus politischen Gründen gezwungen gewesen zu sein. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem die Klägerin Einsicht in die Unterlagen des ehemaligen Ministeriums für Staatsicherheit der DDR genommen hatte, beantragte sie unter dem 28. November 2002 nochmals ihre berufliche Rehabilitierung. In zwei Schreiben vom 10. Januar 2003 wiederholte sie zur Begründung im Wesentlichen den bisherigen Vortrag und bat um Wiederaufnahme des Verfahrens. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2003 ab, da die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 51 VwVfG nicht vorlägen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2005 zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Weder habe sich seit der bestandskräftigen Ablehnung des Begehrens der Klägerin die Sach- und Rechtslage geändert, noch lägen neue Beweismittel vor.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Weder liegt ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem das Urteil beruht (1.), noch weist die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2.).
1. Die mit der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel können die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel die Verletzung der Aufklärungs- und Amtsermittlungspflicht sowie einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz. Durch die vorgelegten Dokumente sei nachgewiesen, dass sie für ihre Tochter keinen Krippenplatz erhalten habe; es liege nahe, dass dies eine Reaktion auf ihren Ausreiseantrag gewesen sei. Daher hätte darüber Beweis erhoben werden müssen, unter welchen Umständen in der DDR Krippenplätze verweigert worden seien und inwieweit eine solche Maßnahme zum Instrumentarium politischer Verfolgung in der DDR gehört habe. Zudem sei das Gericht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, als es unterstellt habe, dass nicht in den Akten des MfS dokumentierte politische Verfolgungsmaßnahmen auch nicht stattgefunden hätten.
Ein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wird damit nicht dargelegt.
Die Aufklärungsrüge bleibt schon deshalb erfolglos, weil von einer anwaltlich vertretenen Partei erwartet werden kann, dass sie eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt. Versäumt sie dies, kann sie eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. z.B. Urteil vom 27. Juli 1983 – BVerwG 9 C 541.82 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 146). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2007 keine Beweisanträge gestellt. Das Gericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die Situation, in der sich die Klägerin seinerzeit befand, ausführlich behandelt. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich dem Gericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts unabhängig von einem förmlichen Beweisantrag der Klägerin hätte aufdrängen müssen. In dem vorliegenden die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffenden Rechtsstreit stand im Mittelpunkt der Prüfung des Verwaltungsgerichts, ob neue Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorlagen. Das hat das Gericht mit der Begründung verneint, dass die inzwischen vorgelegten Dokumente des BStU von vornherein nicht geeignet seien, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen, da sie hinsichtlich der Eigenkündigung keinen neuen Erkenntniswert lieferten. Die Klägerin benennt keine Umstände, die Ansatzpunkte für weitere Nachforschungen hätten sein müssen. Auch der behauptete Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist demzufolge nicht gegeben. In der Sache wendet sich die Klägerin nicht gegen eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts. Vielmehr meint sie, das Gericht habe den festgestellten Sachverhalt falsch gewürdigt. Damit ist kein Verfahrensfehler dargetan, auch keine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung.
2. Soweit die Klägerin sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) beruft, genügt ihre Beschwerde bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer solchen Rüge. Hierzu wäre erforderlich gewesen, eine Rechtsfrage zu bezeichnen, die sich dem Verwaltungsgericht gestellt hat, und näher auszuführen, inwiefern diese der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den vorliegenden Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Zwar hält die Klägerin folgende Fragen für klärungsbedürftig:
a) Ist die aus politischen Gründen erfolgte Verweigerung eines Krippenplatzes für ein mehrere Monate altes Kind als Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG einzuordnen, wenn diese Verweigerung zu Eigenkündigung der Mutter des Kindes führt?
b) Steht eine unter den vorstehend beschriebenen Umständen erfolgte erzwungene Eigenkündigung der Annahme eines Eingriffs in den Beruf im Sinne des § 1 BerRehaG entgegen?
Ihrem Vorbringen lässt sich jedoch nicht entnehmen, inwieweit die Beantwortung dieser an die Einzelumstände des Falles anknüpfenden Fragen über die konkrete Streitsache hinausweist. Davon abgesehen geht es im vorliegenden Rechtsstreit wie dargelegt maßgeblich darum, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG vorlagen. Da dies nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht der Fall war, wären die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, selbst ihre grundsätzliche Bedeutung unterstellt, nicht entscheidungserheblich gewesen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen