Entscheidungsstichwort (Thema)
Bebauungsplan. Normenkontrolle. Antragsbefugnis. Abwägung. abwägungserhebliche Belange. Baustellenlärm. Baulogistikzentrum
Leitsatz (amtlich)
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans gehört das Interesse des Eigentümers eines außerhalb des Planbereichs gelegenen Grundstücks, bei der späteren Realisierung des Bebauungsplans nicht von den Auswirkungen (hier: Lärm und Staub) einer ebenfalls außerhalb des Planbereichs gelegenen Baustelleneinrichtung (hier: Baulogistikzentrum Potsdamer Platz) nicht beeinträchtigt zu werden, grundsätzlich nicht zu den Belangen, die in der Abwägung berücksichtigt werden müssen. Ein auf Nichtberücksichtigung dieses Belangs gestützter Normenkontrollantrag ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.
Normenkette
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1; BauGB § 1 Abs. 6
Verfahrensgang
OVG Berlin (Beschluss vom 30.10.1998; Aktenzeichen 2 A 7.95) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt im Normenkontrollverfahren die Nichtigerklärung des Bebauungsplans des Antragsgegners vom 28. Juni 1994 für den Bereich des Potsdamer Platzes in Berlin. Dieser Bebauungsplan soll als einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB) Koordinierungsaufgaben erfüllen und den Rahmen für die nachfolgenden qualifizierten Bebauungspläne schaffen. Er setzt im wesentlichen nur die Art der baulichen Nutzung (Kerngebiete), die Flächen für den Gemeinbedarf, die öffentlichen Grünanlagen und Wasserflächen sowie die Straßenverkehrsflächen fest. Als Mieter einer außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans gelegenen Wohnung in der Bülowstraße wendet sich der Antragsteller vor allem gegen Lärm- und Staubbelästigungen, die von dem Betrieb des benachbarten Baulogistikzentrums auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter-Güterbahnhofs ausgehen. Das Baulogistikzentrum dient zur Materialversorgung und -entsorgung der Baustellen am Potsdamer Platz; es liegt selbst ebenfalls außerhalb des Planbereichs.
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 30. Oktober 1998 (teilweise abgedruckt in DÖV 1999, 162) zurückgewiesen, weil dem Antragsteller die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 – BGBl I S. 686 – ≪a.F.≫) fehle. Unabhängig davon hätte der Normenkontrollantrag auch in der Sache keinen Erfolg haben können. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Keine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftigen Fragen ergeben sich aus der Beschwerdefrage, ob „zwischen den Festsetzungen eines Bebauungsplans und den Immissionen, die durch eigens für die Realisierung des Planungsinhalts errichtete Baustelleneinrichtungen/Bauzentren hervorgerufen werden, zumindest bei über längere Jahre (hier: mindestens 10 Jahre) andauernden Bauarbeiten ein für die bauplanungsrechtliche Abwägung relevanter Zusammenhang” besteht. Die Frage ist entscheidungserheblich, soweit mit ihr geklärt werden soll, ob bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zu den abwägungserheblichen Belangen auch das private Interesse gehört, von den Emissionen einer Baustelleneinrichtung außerhalb des Planbereichs für die durch den Plan zugelassene Bebauung verschont zu werden. Soweit diese Frage überhaupt allgemeinverbindlich beantwortet werden kann, ist sie aber bereits durch die Rechtsprechung des Senats – in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts – geklärt:
Der Senat hat in seinem Beschluß vom 14. Februar 1991 – BVerwG 4 NB 25.89 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 56 – NVwZ 1991, 980) ausgeführt, ein Nachteil sei im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (a.F.) „durch” die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung eingetreten oder zu erwarten, wenn die vom Antragsteller angeführte Beeinträchtigung subjektiver privater Interessen der angegriffenen Rechtsvorschrift tatsächlich und rechtlich zuzuordnen sei. Hierfür reiche ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer äquivalenten Kausalität allerdings nicht aus. Erforderlich sei vielmehr, daß eine Norm dieses Inhalts erfahrungsgemäß eine Beeinträchtigung dieser Art, an dieser Stelle bzw. bei diesem Betroffenen bewirken werde. Die negative Betroffenheit dürfe ferner nicht ausschließlich oder deutlich überwiegend erst durch einen anderen selbständigen Akt ausgelöst werden; das sei grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die angegriffene Norm den Erlaß einer weiteren Norm oder einer anderweitigen behördlichen Maßnahme veranlaßt habe, die sich beeinträchtigend auswirke. In solchen Fällen sei die Beeinträchtigung regelmäßig allein diesen rechtlich selbständigen Akten zuzuordnen und mit den insoweit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu bekämpfen. Bei einem Bebauungsplan liege ein Nachteil „durch” ihn schon dann vor, wenn die weitere Maßnahme zur Lösung von Konflikten diene, die der Plan aufgeworfen, aber nicht ausreichend gelöst hat, und deshalb absehbar sei, daß diese Maßnahme im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan ergriffen werden müsse. In dem Beschluß vom 9. Juli 1992 – BVerwG 4 NB 39.91 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 68 – DVBl 1992, 1437) heißt es in diesem Sinne, ein Nachteil „durch” die Rechtsvorschrift liege vor, wenn die Beeinträchtigung durch einen nachfolgenden eigenständigen Rechtsakt eintrete, dieser Rechtsakt jedoch in der angegriffenen Norm bereits als vom Normgeber geplante Folgemaßnahme angelegt sei.
Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die privaten Interessen der Nachbarn einer Baustelleneinrichtung außerhalb des Geltungsbereichs des Plans grundsätzlich (noch) nicht beachtet werden müssen und deshalb nicht abwägungserheblich sind. Die Probleme, die sich aus der Realisierung eines Bebauungsplans durch Bauarbeiten ergeben, gehören nämlich wegen ihrer zeitlichen Begrenzung – auch wenn der Zeitraum mehrere Jahre umfaßt – schon regelmäßig nicht zu den Konflikten, die der Bebauungsplan selbst lösen muß. Mögliche Beeinträchtigungen Dritter durch den Betrieb von Baustelleneinrichtungen außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans dürfen ferner bei seiner Aufstellung im Regelfall auch deshalb unbeachtet bleiben, weil sie dem Bebauungsplan typischerweise rechtlich nicht zugeordnet werden können. Selbst wenn sich – wie möglicherweise im vorliegenden Fall – schon beim Erlaß des Bebauungsplans abzeichnet, daß zum Vollzug der durch ihn zugelassenen Bebauung ein Baulogistikzentrum an einer bestimmten Stelle eingerichtet werden wird, so kann dieses doch nicht als eine vom Normgeber schon bei der Planaufstellung gleichsam als unumgänglich mitgeplante Folgemaßnahme angesehen werden. Denn einerseits ist nicht vorstellbar, daß die Realisierung einer bestimmten Planung von der Einrichtung einer Baustelleneinrichtung an einem einzig möglichen Standort abhängt. Andererseits stellt die Einrichtung eines Baulogistikzentrums einen gegenüber der Bauleitplanung selbständigen Akt dar; Betroffene können gegebenfalls Rechtsschutz erhalten, indem sie sich unmittelbar gegen ihn wenden. Die Dauer des Betriebes der Baustelleneinrichtung ist für die Frage ihrer rechtlichen Zuordnung zu einem bestimmten Bebauungsplan ohne Bedeutung.
2. Die Rüge, das Normenkontrollgericht weiche von den beiden oben bereits erwähnten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts sowie von seinen Beschlüssen vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 NB 17.94 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 102 – NVwZ 1995, 895) und vom 13. Dezember 1996 – BVerwG 4 NB 26.96 – (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 115 – NVwZ 1997, 682) ab, ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes genügt. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur vor, wenn das Normenkontrollgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Dieser Zulassungsgrund muß in der Beschwerdebegründung durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde beschränkt sich darauf, eine längere Passage aus dem Beschluß des Normenkontrollgerichts drei Zitaten aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 1996 – BVerwG 4 NB 26.96 – (a.a.O.) gegenüberzustellen; sie arbeitet jedoch keinen Rechtssatz aus dem Beschluß des Normenkontrollgerichts heraus, der von einem Rechtssatz aus der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Sinngemäß trägt sie lediglich vor, das Normenkontrollgericht habe die Rechtsgrundsätze der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts falsch angewendet. Damit ist keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargetan.
3. Ob die Rüge, das Normenkontrollgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht, wesentliche Tatsachen nicht berücksichtigt und damit gegen § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen, den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt, kann offenbleiben. Ein Zulassungsgrund ergibt sich aus ihr jedenfalls nicht.
Der Sache nach macht die Beschwerde im wesentlichen geltend, das Normenkontrollgericht hätte auf den Vortrag des Antragstellers eingehen müssen, seine Antragsbefugnis ergebe sich auch aus der Verschlechterung der Belüftungssituation, die als bleibende Beeinträchtigung unmittelbar dem Bauvorhaben auf dem Potsdamer-/Leipziger Platz zuzurechnen sei. In dem Übergehen dieses Vorbringens liegt kein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO. Das Normenkontrollgericht durfte sich nämlich – wie jedes Gericht – in seiner Entscheidung auf die wesentlichen Gründe beschränken. Daß die für das Plangebiet vorgesehene Bebauung dem Antragsteller keine Antragsbefugnis vermitteln konnte, war so offensichtlich, daß sich das Normenkontrollgericht auf die vom Antragsteller selbst in den Vordergrund seiner Argumentation gestellten weiteren Punkte beschränken durfte. Der hier streitige Bebauungsplan setzt nämlich nur die Art der baulichen Nutzung, nicht aber das Maß der baulichen Nutzung fest. Die geltend gemachte Verschlechterung der Belüftungssituation kann deshalb keine Folge dieses Bebauungsplans sein, sondern allenfalls eintreten, wenn auf der Grundlage nachfolgender qualifizierter Bebauungspläne eine Bebauung mit negativen Auswirkungen für das Kleinklima möglich wird. Dahinstehen kann deshalb, ob die Befürchtung, die Belüftungssituation werde sich in Teilen mehrerer Stadtbezirke verschlechtern, ausreicht, um ein abwägungserhebliches individuelles Interesse des Antragstellers zu begründen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge mangelhafter Sachaufklärung muß ebenfalls erfolglos bleiben. Das Normenkontrollgericht konnte die Richtigkeit der Behauptung, daß die für das Plangebiet vorgesehene Bebauung die Belüftungssituation verschlechtern werde, unterstellen, weil der hier streitige Bebauungsplan diese Bebauung noch nicht zuläßt.
4. Auf die weiteren Grundsatz- und Divergenzrügen kommt es nicht an. Sie beziehen sich auf die Ausführungen des Normenkontrollgerichts zur Begründetheit des Normenkontrollantrags. Auf ihnen beruht die Entscheidung jedoch nicht. Die Zurückweisung des Normenkontrollantrags folgt notwendig schon aus dem Fehlen der Antragsbefugnis des Antragstellers.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Rojahn
Fundstellen
Haufe-Index 1392597 |
BauR 1999, 878 |
NVwZ 1999, 1335 |
NVwZ 1999, 986 |
DÖV 1999, 882 |
LKV 1999, 364 |
NJ 1999, 499 |
NuR 2000, 93 |
ZfBR 1999, 225 |
BRS 2000, 267 |
UPR 1999, 312 |