Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 14 A 3845/95.A) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die sinngemäß auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde macht geltend, die bisherige Auslegungspraxis des Berufungsgerichts betreffend § 53 Abs. 6 AuslG könne angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – EGMR – vom 7. März 2000 im Fall T.I. gegen Vereinigtes Königreich (InfAuslR 2000, 321) nicht mehr aufrecht erhalten werden, da sie dem absoluten Schutzcharakter des Art. 3 der Europäischen Menschrechtskonvention – EMRK – nicht gerecht werde. Sie hält deshalb offenbar die Frage für klärungsbedürftig, ob den Klägern als Ashkali aus dem Kosovo die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG versagt werden kann, wenn eine innenministerielle Anordnung gemäß § 54 AuslG bzw. eine innenministerielle Weisung an die Ausländerbehörde vorliegt, die Betroffenen (hier: Ashkali aus dem Kosovo) zeitweilig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auszunehmen. Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht, wie die Beschwerde selbst einräumt, in ständiger Rechtsprechung in bejahendem Sinne beantwortet (grundlegend Urteil vom 17. Oktober 1995 – BVerwG 9 C 9.95 – BVerwGE 99, 324, ferner Urteil vom 8. Dezember 1998 – BVerwG 9 C 4.98 – BVerwGE 108, 77). Danach folgt aus § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG, dass bei allgemeinen Gefahren im Sinne dieser Bestimmung, die nicht nur dem einzelnen Ausländer persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgrupe im Zielland drohen, der Abschiebungsschutz auch für den Einzelnen ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 54 AuslG gewährt wird. Liegt eine derartige Regelung vor, scheidet daher ein Anspruch auf Feststellung eines individuellen Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG wegen dieser Gefahren aus. Eine erneute oder weitergehende Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn sich – wie die Beschwerde meint – aus der Rechtsprechung des EGMR ergeben würde, dass auch in Fällen eines generellen behördlichen Abschiebestopps eine positive Feststellung im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach Konventionsrecht geboten ist. Dies ist indes nicht der Fall. Auch die von der Beschwerde angeführte neuere Entscheidung des EGMR enthält ebenso wie vorangegangene einschlägige Entscheidungen keine Aussage über die Art und Weise, in der die Konventionsstaaten im Einzelnen der Garantie des Art. 3 EMRK gerecht werden müssen. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK kann aber – unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – unter den hier gegebenen Umständen nur im Falle der tatsächlichen Abschiebung eintreten. Hiervor sind die Betroffenen auch durch einen behördlichen Abschiebestopp, aus dem sich für sie ein individueller Anspruch auf Duldung nach § 55 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 AuslG ergibt, auf absehbare Zeit sicher. Eine Schutzlücke, die Anlass zu der von der Beschwerde angestrebten Überprüfung bieten könnte, liegt daher nicht vor.
Soweit die Beschwerde auch die Frage der verfassungskonformen Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bei Fehlen einer Anordnung nach § 54 AuslG (vgl. hierzu Urteil vom 17. Oktober 1995 a.a.O. S. 328) mit Blick auf die genannte Entscheidung des EGMR für überprüfungsbedürftig hält, legt sie schon nicht dar, inwiefern sich diese Frage im vorliegenden Fall stellen würde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein Erlass des Innenministeriums über die Aussetzung der Abschiebung von Roma und Ashkali in den Kosovo vor, der einer Anordnung im Sinne des § 54 AuslG in seinen Wirkungen gleichkommt (BA S. 22). Auf die Frage der nur bei Fehlen einer solchen Regelung in Betracht zu ziehenden verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann es daher nicht ankommen.
Soweit die Beschwerde außerdem die Anwendung von § 51 Abs. 3 VwVfG rügt, bezieht sich ihr Vorbringen ersichtlich nicht auf den vorliegenden Fall, bei dem es sich nicht um Asylfolgeanträge, sondern um Erstanträge der Kläger handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts- kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Beck, Dr. Eichberger
Fundstellen