Entscheidungsstichwort (Thema)
Flurbereinigung. Wertermittlung. Wertsteigerung. Wertzuwachs. Einlagegrundstück. Altbesitz. vorläufige Besitzeinweisung. neuer Rechtszustand. Ausführungsanordnung. Flurbereinigungsplan. längerer Zeitraum, Zwischenzeit. Chance. Verfassungsmäßigkeit. Eigentumsgarantie. Inhalts- und Schrankenbestimmung
Leitsatz (amtlich)
Mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist es vereinbar, dass im Rahmen der wertgleichen Abfindung der Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens eine eventuelle Wertsteigerung des Einlagegrundstücks im Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG) und dem in der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan bestimmten Eintritt des neuen Rechtszustands (§ 44 Abs. 1 Satz 3, § 61 Satz 2 FlurbG) nicht zugunsten des Alteigentümers berücksichtigt wird. Das gilt auch dann, wenn sich dieser Zeitraum über mehrere Jahre erstreckt (hier rund elf Jahre).
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1; FlurbG § 44 Abs. 1 Sätze 3-4, § 61 S. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 15 KF 6/05) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Kläger macht gegen einen im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung (zum Zwecke des Straßenbaus) ergangenen Flurbereinigungsplan geltend, dass er nicht wertgleich abgefunden sei, weil drei seiner als Ackerland genutzten und so bewerteten Einlagegrundstücke im Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung und der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan eine deutliche Wertsteigerung erlangt hätten, da sie aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung der kommunalen Bauleitplanung (Gewerbe-)Bauerwartungsland geworden seien; dieser Wertzuwachs müsse zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Das Flurbereinigungsgericht hat dies verneint, weil es zum gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG maßgeblichen Stichtag der vorläufigen Besitzeinweisung eine solche Wertsteigerung nicht hat feststellen können.
Vor diesem Hintergrund hält die Beschwerde die Rechtsfrage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob die Stichtagsregelung des § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG bei einer am gesetzgeberischen Willen orientierten Auslegung als Ausnahmevorschrift im Verhältnis zu § 44 Abs. 1 Satz 3 FlurbG auch dann (noch) anwendbar ist, wenn zwischen dem Wirksamwerden der vorläufigen Besitzeinweisung und dem Wirksamwerden der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan eine Zeitspanne liegt, die deutlich über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren hinausgeht (im konkreten Fall rund 11 Jahre).
Diese Frage kann, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, anhand vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung beantwortet werden.
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass die Flurbereinigungsbehörden und die Flurbereinigungsgerichte an die im Flurbereinigungsgesetz für maßgeblich erklärte Stichtagsregelung gebunden sind. Die Gesetzesbindung von Behörden und Gerichten ist ein ausdrückliches normiertes Verfassungsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG). Ausnahmen davon sind auch nicht durch eine überlange Verfahrensdauer (im damaligen Fall von insgesamt über 30 Jahren) zu rechtfertigen (vgl. Beschluss vom 12. Dezember 2000 – BVerwG 11 B 76.00 – Buchholz 424.01 § 138 FlurbG Nr. 8 S. 2 = NJW 2001, 841).
2. Die Beschwerde zielt, wie sich aus ihrer weiteren Begründung ergibt, darüber hinaus auf die in dem vorerwähnten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht behandelte Frage der Vereinbarkeit von § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG).
Sie hält es bei einem längeren Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung und der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan (§ 61 Satz 2 FlurbG) für verfassungswidrig, dass eine eventuell eintretende Wertsteigerung des in die Flurbereinigung eingebrachten Einlagegrundstücks bei der Wertermittlung nicht zugunsten des Alteigentümers berücksichtigt wird und statt dessen dem nur vorläufig in den Besitz eingewiesenen Teilnehmer zugute kommt. Der Gesetzgeber sei beim Erlass der Vorschrift von einem wesentlich kürzeren Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung und der Ausführungsanordnung ausgegangen, nämlich von durchschnittlich zwei bis drei Jahren. Ein solcher Zeitraum sei ein der Regelung immanentes Tatbestandsmerkmal. Nur bei Einhaltung eines solchen vorübergehenden Zeitraums sei es aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität hinnehmbar, die Chance auf einen Wertzuwachs des Einlagegrundstücks, die gemäß Art. 14 Abs. 1 GG dem Alteigentümer zugewiesen sei, diesem vorzuenthalten und statt dessen dem lediglich vorläufig in den Besitz eingewiesenen Nichteigentümer zuzuerkennen, der damit faktisch schon als wirtschaftlicher Eigentümer behandelt werde. Bei einem überlangen Zeitraum dagegen bedürfe § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG einer verfassungskonformen Auslegung dahin gehend, dass die Vorschrift in einem solchen Fall nicht anwendbar und stattdessen auf den gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 FlurbG als Regelzeitpunkt vorgesehenen und in der Ausführungsanordnung festgelegten Eintritt des neuen Rechtszustandes abzustellen sei.
a) Der Beschwerde kann schon im Ausgangspunkt nicht gefolgt werden, weil ihre Annahmen zum einfachgesetzlichen Hintergrund nicht zutreffen.
Die beiden in § 44 Abs. 1 FlurbG genannten Stichtage stehen nicht in dem von der Beschwerde angenommenen Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach der Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes (Satz 3) der Regelfall sei und der der vorläufigen Besitzeinweisung (Satz 4) die Ausnahme bilde. Es ist im Gegenteil vielmehr so, dass der Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung praktisch-statistisch den Regelfall darstellt (Urteil vom 18. November 2002 – BVerwG 9 CN 1.02 – BVerwGE 117, 209 ≪218≫ = Buchholz 424.01 § 58 FlurbG Nr. 4 S. 11; Schwantag, in: Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, § 44 Rn. 21). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, als er § 44 Abs. 1 Satz 3 und 4 FlurbG durch das Gesetz zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes vom 15. März 1976 (BGBl I S. 533) in das Flurbereinigungsgesetz eingefügt hat. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks 7/3020 S. 27) sollte damit gerade dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die vorläufige Besitzeinweisung in der Praxis zur Regel geworden sei. Weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur bis dahin geltenden Rechtslage für die Wertermittlung der Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustands maßgeblich war, führte dies in der Praxis vielfach zu Schwierigkeiten, weil u.U. erhebliche Wertänderungen erst nach der Besitzeinweisung eintraten und dadurch umfangreiche Planänderungen erforderlich wurden, die zu entsprechenden Verfahrensverzögerungen führten. Dem wollte der Gesetzgeber mit § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG abhelfen und ermöglichen, dass Wertsteigerungen, die die Abfindungsgrundstücke seit dem Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung erfahren, nicht mehr den Altbesitzern zugerechnet werden müssen. Diese Regelung entspricht den bei Enteignungen im Falle einer vorläufigen Besitzeinweisung üblichen bundes- und landesrechtlichen Entschädigungsregelungen (vgl. z.B. § 93 Abs. 4 Satz 2 BauGB).
Entgegen der Annahme der Beschwerde ist ein bestimmter (von ihr mit zwei bis drei Jahren angegebener) Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung und der Ausführungsanordnung auch nicht ungeschriebenes (immanentes) Tatbestandsmerkmal der Norm. Dafür bietet der Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt. Auch den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber seinerzeit davon ausgegangen ist, der Zeitraum zwischen vorläufiger Besitzeinweisung und Ausführungsanordnung betrage durchschnittlich zwei bis drei Jahre. Vielmehr werden in der Begründung des Regierungsentwurfs statistische Erhebungen erwähnt, die einen Zeitraum “von über einem Jahr bis zu sechs Jahren und länger” (BTDrucks 7/3020 a.a.O., Hervorhebung nur hier) ermittelt haben. Dass Flurbereinigungsverfahren, auch was den hier betrachteten Verfahrensabschnitt betrifft, wegen ihrer Komplexität, die sich aus der auch vom Gesetzgeber (a.a.O.) gesehenen Vielzahl und Gegenläufigkeit der Interessen der Teilnehmer und Planungsträger ergibt, oft einen wesentlich längeren Zeitraum beanspruchen, entspricht der Erfahrung des Senats aus einer Vielzahl von Verfahren.
b) Diese Klarstellungen zur Entstehungsgeschichte, zum Hintergrund und zum Sinn und Zweck der Vorschrift vorausgeschickt, kann die von der Beschwerde aufgeworfene Frage anhand vorhandener höchstrichterlicher Rechtsprechung dahingehend beantwortet werden, dass es mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn eine eventuelle Wertsteigerung des Einlagegrundstücks im Zeitraum zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG) und dem in der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan bestimmten Eintritt des neuen Rechtszustands (§ 44 Abs. 1 Satz 3, § 61 Satz 2 FlurbG) nicht zugunsten des Alteigentümers berücksichtigt wird, und zwar auch dann, wenn sich dieser Zeitraum über mehrere Jahre erstreckt.
aa) Dabei gibt die Beschwerde keinen Anlass zu generellen Aussagen zu verfassungsrechtlichen Unterschieden zwischen einer (hier gegebenen) Unternehmensflurbereinigung (§ 87 FlurbG) und einer Regelflurbereinigung (§§ 1, 37 ff. FlurbG). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen Umlegungsmaßnahmen wie die mit einem Regelflurbereinigungsverfahren notwendig verbundenen Veränderungen des konkreten Eigentumsbestandes Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (Urteile vom 3. November 1988 – BVerwGE 5 C 18.85 – BVerwGE 80, 340 ≪341≫ und vom 10. Mai 1990 – BVerwG 5 C 1.87 – BVerwGE 85, 129 ≪133≫, noch offen gelassen von BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juli 1998 – 1 BvR 851/87 – NVwZ 1999, 62). Dies hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen für das vergleichbare Verfahren der Baulandumlegung nach den §§ 45 ff. BauGB ebenfalls bejaht (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 2001 – 1 BvR 1512/97, 1 BvR 1677/97 – BVerfGE 104, 1 ≪9 f.≫) und entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Papier, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 14 Rn. 654; Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rn. 329 ff.; Haas, NVwZ 2002, 272 ≪277≫, jeweils m.w.N.). Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht die (städtebauliche) Unternehmensflurbereinigung (§ 87 Abs. 1 FlurbG) als an Art. 14 Abs. 3 GG zu messende Enteignung eingestuft (Urteil vom 24. März 1987 – 1 BvR 1046/85 – BVerfGE 74, 264 ≪279 ff.≫).
Dem braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, die allein auf die Anwendbarkeit von § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG zielt, ist unerheblich, ob die Vorschrift im Rahmen einer Unternehmens- oder einer Regelflurbereinigung zur Anwendung kommt. Denn die in § 44 Abs. 1 Satz 3 und 4 FlurbG geregelte Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Landabfindung stellt sich im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung nicht in besonderer Weise (vgl. Gerhardt, AgrarR 1986, 217 ≪220≫; Hegele, in: Seehusen/Schwede, a.a.O. § 88 Rn. 30) und ist unabhängig davon, ob der Träger des Unternehmens einem Teilnehmer daneben – zusätzlich zur Landabfindung – eine von Art. 14 Abs. 3 GG gebotene Entschädigung zu leisten hat (vgl. § 88 Nr. 4 bis 7 FlurbG).
bb) Danach ist die hier in Rede stehende Stichtagsregelung des § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.
Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 – 1 BvR 35, 356, 794/82 – BVerfGE 68, 193 ≪222≫; stRspr). Dieser Schutzbereich ist hier berührt. Denn in § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG geht es um die Zuordnung von Wertveränderungen an Grund und Boden an diesen oder jenen Teilnehmer eines bodenordnenden Verfahrens (vgl. Gerhardt, a.a.O. S. 217). Die Vorschrift zielt nicht darauf ab, zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben konkrete subjektive Eigentumspositionen ganz oder teilweise zu entziehen. Sie dient vielmehr dem Ausgleich der privaten Interessen der von der Bodenordnungsmaßnahme Betroffenen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Mai 2001 a.a.O. S. 10). Sie ist damit keine Enteignung i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine solche besteht in der generellen und abstrakten Festlegung von Rechten und Pflichten, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, durch den Gesetzgeber (BVerfG, Beschluss vom 12. März 1986 – 1 BvL 81/79 – BVerfGE 72, 66 ≪76≫). In diesem Sinne regelt auch § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG die rechtliche Ausformung des Eigentums, derer es als Zuordnung eines vermögenswerten Rechtsgutes zu einem Rechtsträger bedarf.
Als Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muss § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitssatz genügen. Auch insoweit begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass der eventuelle Wertzuwachs eines Einlagegrundstücks im Falle einer vorläufigen Besitzeinweisung nicht mehr dem Alteigentümer zugute kommt. Dies ist unmittelbare Konsequenz der Entscheidung des Gesetzgebers, die vorläufige Besitzeinweisung (neben dem Zeitpunkt der Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan als Eintritt des neuen Rechtszustands) zum maßgeblichen Stichtag für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Landabfindung zu bestimmen. Das schließt – darin liegt der Sinn und Zweck jeder Stichtagsregelung – die Berücksichtigung späterer wertverändernder Umstände aus.
Der Gesetzgeber durfte die Bestimmung eines solchen frühen Stichtages für erforderlich halten. Sie ist gerechtfertigt durch das Anliegen, die Flurbereinigungsbehörde davon zu entlasten, die mit umfangreichem Verwaltungsaufwand erreichte Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung (§ 32 FlurbG) fortlaufend unter Kontrolle zu halten und Wertänderungen, die die Abfindungsgrundstücke seit dem Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung erfahren, den Altbesitzern zurechnen zu müssen. Der frühe Stichtag und der Ausschluss der Erheblichkeit späterer Wertveränderungen dienen somit der Abschichtung der im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens abzuarbeitenden komplexen Interessenlage und damit der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Das sind gewichtige Gründe des Allgemeinwohls. Dass die Vorschrift geeignet ist, diese Ziele zu erreichen, steht außer Frage. Sie ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine mildere, denselben Zweck in gleicher Weise dienende Regelung ist nicht ersichtlich. Dass sich der Gesetzgeber von den ausweislich der Gesetzesmaterialien erwogenen fünf Zeitpunkten (neben den beiden Gesetz gewordenen Stichtagen waren dies die Anordnung der Flurbereinigung, die Feststellung der Bewertungsergebnisse und die Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans, vgl. BTDrucks 7/3020 S. 27) gerade für den Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung entschieden hat, ist aus den dort genannten Gründen sachlich gerechtfertigt: Mit der vorläufigen Besitzeinweisung geht das “wirtschaftliche Eigentum” auf den Eingewiesenen über. Das Recht auf Besitz und Nutzung besteht schon an den jeweils zugewiesenen Abfindungsgrundstücken. Dem (Alt-)Eigentümer bleibt nur noch eine “formale” Eigentumsposition hinsichtlich seines nur noch grundbuchmäßig ausgewiesenen Altbesitzes. Dies legt es nahe, zu diesem Zeitpunkt auch das “Wertrisiko”, also die Zuordnung wertmäßiger Verbesserungen oder Verschlechterungen übergehen zu lassen. Der Übergang des Wertrisikos zu diesem Zeitpunkt ist auch deshalb verhältnismäßig, weil er quasi “wertneutral” ist und allen Teilnehmern der Flurbereinigung Vor- und Nachteile bringen kann (vgl. Gerhardt, a.a.O. S. 218). Der Chance auf einen eventuellen Wertzuwachs beim Einlagegrundstück steht die entsprechende Chance auf einen Wertzuwachs am Abfindungsgrundstück gegenüber (vgl. Schwantag, a.a.O. Rn. 25), aber ebenso wechselseitig die Gefahr eines Wertverlusts. Der Möglichkeit, dass in dem hier in Rede stehenden Zeitraum – aus denkbar unterschiedlichen Gründen – den Wert der Einlagegrundstücke beeinflussende Umstände eintreten, unterliegen alle Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens in gleicher Weise. Von daher begegnet die Vorschrift auch mit Blick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) keinen Bedenken. Eine tragfähige Begründung dafür, dass § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG allein deshalb in die Verfassungswidrigkeit umschlagen soll, weil sich die Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan über einen längeren Zeitraum verzögert, ist nach alldem nicht ersichtlich und vermag auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands beruht auf den § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen