Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Stufenvertretung. allgemeine Aufgaben der Personalvertretung
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze über die Abgrenzung der Zuständigkeit von örtlichen Personalräten und Stufenvertretungen erfassen auch die allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung.
Normenkette
SAPersVG §§ 57, 71
Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 15.04.2009; Aktenzeichen 5 L 3/08) |
VG Magdeburg (Entscheidung vom 18.04.2008; Aktenzeichen 11 A 23/07 MD) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fachsenats für Landespersonalvertretungssachen des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. April 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben, soweit dabei überhaupt den Darlegungsanforderungen nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG Rechnung getragen wurde, keine grundsätzliche Bedeutung, oder sie sind nicht entscheidungserheblich.
Rz. 2
1. Der Antragsteller will ausweislich Abschnitt III 1 seiner Beschwerdebegründung zunächst geklärt wissen, ob die Stufenvertretung allgemeine Aufgaben nach § 57 Abs. 1, §§ 58 bis 60 SAPersVG nur dann wahrnehmen kann, wenn ihre Zuständigkeit nach § 71 Abs. 1 SAPersVG begründet ist. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie anhand der gesetzlichen Bestimmungen und vorliegender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig zu bejahen ist.
Rz. 3
Zu ihr Stellung genommen hat das beschließende Gericht bereits auf der Grundlage der Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 1958, GV.NRW. S. 209. Diesen Bestimmungen sind diejenigen des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt im hier einschlägigen Regelungsbereich nach Wortlaut und Systematik vergleichbar. Danach sind die Grundsätze über die Abgrenzung der Zuständigkeit von örtlichen Personalräten und Stufenvertretungen nicht auf die Fälle der Mitwirkung und Mitbestimmung beschränkt. Sie erfassen vielmehr auch die allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung. Der Begriff der “Beteiligung”, wie er in der die Zuständigkeit der Stufenvertretung begründenden Vorschrift verwandt wird, hat umfassende Bedeutung und schließt alle Fälle ein, in denen die Personalvertretung tätig werden kann. Ist nach den Grundsätzen über die Abgrenzung der Zuständigkeit die Stufenvertretung zu beteiligen, so tritt sie in alle Aufgaben und Befugnisse ein, die sonst dem Personalrat zustehen. Der Stufenvertretung und nicht dem Personalrat obliegen in diesen Fällen insbesondere folgende Aufgaben:
– Maßnahmen zu beantragen, die der Dienststelle und ihren Angehörigen dienen,
– darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geschaffenen Bestimmungen durchgeführt werden,
– Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und ggf. auf Abhilfe hinzuwirken,
– Entwürfe von Verwaltungsanordnungen mit der Dienststelle zu beraten
(vgl. Beschluss vom 24. Oktober 1969 – BVerwG 7 P 9.68 – Buchholz 238.37 § 72 PersVG NW Nr. 1 S. 2; ebenso zur Rechtslage nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz: Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 82 Rn. 2; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V, K § 82 Rn. 7c; Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 82 Rn. 17; ebenso ausdrücklich zur Anhörung nach § 78 Abs. 3, § 79 Abs. 3 BPersVG: Beschluss vom 1. April 1986 – BVerwG 6 P 7.82 – Buchholz 238.3 A § 82 BPersVG Nr. 12 S. 7).
Rz. 4
Auch im Falle des § 71 Abs. 1 SAPersVG steht nicht entgegen, dass diese die Zuständigkeit der Stufenvertretung begründende Bestimmung den Begriff “Beteiligung” verwendet. Dieser Begriff ist hier – ebenso wie in der Überschrift zum Gesetzeskapitel 5, zu dessen Abschnitt 4 und zu § 71 SAPersVG selbst – in einem umfassenden, alle Aufgaben des Personalrats einbeziehenden Sinne zu verstehen. Dieses Verständnis liegt schon deswegen nahe, weil § 71 Abs. 4 SAPersVG für die Befugnisse und Pflichten der Stufenvertretungen die entsprechende Anwendung der §§ 56 bis 70 SAPersVG anordnet, also die §§ 56 bis 60 SAPersVG ausdrücklich mit umfasst. Beschlüsse der Stufenvertretung, wie sie in § 71 Abs. 2 SAPersVG angesprochen sind, werden auch in allgemeinen Angelegenheiten gefasst (vgl. §§ 35, 53 Abs. 1 Satz 1 SAPersVG).
Rz. 5
Der Gesetzgeber lässt sich in § 71 Abs. 1 SAPersVG – ebenso wie in § 82 Abs. 1 BPersVG und in vergleichbaren Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze – von den Grundsätzen leiten, dass die Zuständigkeit der Personalvertretungen derjenigen der Dienststelle folgt, bei denen sie gebildet sind, dass die Stufenvertretungen im Verhältnis zu den örtlichen Personalräten bei den übergeordneten Dienststellen (“Hauspersonalräte”) für Angelegenheiten des gesamten Geschäftsbereichs und der nachgeordneten Dienststellen zuständig sind und dass die Zuständigkeit der Stufenvertretungen und diejenige der örtlichen Personalräte sich gegenseitig ausschließen (vgl. Beschlüsse vom 13. September 2002 – BVerwG 6 P 4.02 – Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 17 S. 7 ff., vom 15. Juli 2004 – BVerwG 6 P 1.04 – Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 18 S. 15 f. und vom 30. März 2009 – BVerwG 6 PB 29.08 – juris Rn. 30). Nach dem sich daraus ergebenden System personalvertretungsrechtlicher Zuständigkeiten sind Beteiligungslücken ausgeschlossen, soweit für eine Wahrnehmung spezifischer Beschäftigteninteressen nach den gesetzlichen Katalogen allgemeiner und spezieller Aufgaben und Befugnisse der Personalvertretungen Raum ist. Daraus ergibt sich für die in Abschnitt III 1.2 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen konkreten Fragestellungen:
Rz. 6
a) Die Stufenvertretung ist nur dann gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2, § 71 Abs. 4 SAPersVG befugt, die Einhaltung einer Verwaltungsvorschrift zu überwachen, wenn die übergeordnete Dienststelle, bei welcher sie gebildet ist, diese Verwaltungsvorschrift für alle Beschäftigten ihres Geschäftsbereichs oder für diejenigen der nachgeordneten Dienststellen selbst durchführt. Dass der übergeordneten Dienststelle die Fachaufsicht zusteht, reicht nicht aus. Demgemäß entscheidet der Senat in ständiger Rechtsprechung, dass die Entscheidungsbefugnis einer Dienststelle der nachgeordneten Verwaltungsebenen und damit auch die Beteiligungsbefugnis der bei ihr gebildeten Personalvertretung nicht dadurch aufgehoben wird, dass das Handeln dieser Dienststelle von internen Weisungen der übergeordneten, weisungsbefugten Dienststelle ganz oder teilweise bestimmt wird (vgl. Beschlüsse vom 24. September 1985 – BVerwG 6 P 21.83 – Buchholz 238.3 A § 92 BPersVG Nr. 4 S. 3, vom 16. Juni 1989 – BVerwG 6 P 10.86 – BVerwGE 82, 131 ≪133≫ = Buchholz 250 § 8 BPersVG Nr. 1 S. 2, vom 10. März 1992 – BVerwG 6 P 13.91 – Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 24 S. 34 f., vom 20. Januar 1993 – BVerwG 6 P 21.90 – Buchholz 250 § 70 BPersVG Nr. 2 S. 9 insoweit bei BVerwGE 91, 346 nicht abgedruckt, und vom 30. März 2009 – BVerwG 6 PB 29.08 – juris Rn. 10).
Rz. 7
b) Die Stufenvertretung kann von ihrem Antragsrecht nach § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 4 SAPersVG nur Gebrauch machen, wenn die übergeordnete Dienststelle, bei welcher sie gebildet ist, für die begehrte Maßnahme zuständig ist und die Maßnahme entweder die Beschäftigten des gesamten Geschäftsbereichs oder Beschäftigte nachgeordneter Dienststellen betrifft. Ist dies der Fall, so ist die Stufenvertretung in dem Umfang von der Dienststelle zu unterrichten, wie dies für die effektive Verfolgung des Begehrens erforderlich ist (§ 57 Abs. 2 Satz 1 und 2 SAPersVG). Entsprechendes gilt für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen, die im Wege des Initiativantrages nach § 61 Abs. 4 SAPersVG verfolgt werden.
Rz. 8
2. Ohne Erfolg bleibt die Grundsatzrüge ferner, soweit sie sich in Abschnitt III 2 der Beschwerdebegründung zu § 60 SAPersVG verhält.
Rz. 9
a) Insofern hat der Antragsteller schon die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG). Entgegen seiner Annahme ist das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss auf § 60 SAPersVG nicht eingegangen. Dass seine Entscheidung gleichwohl von der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängt, hätte der Darlegung bedurft.
Rz. 10
b) Abgesehen davon ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Den Ausführungen in Abschnitt 1 dieses Beschlusses ist zu entnehmen, dass die aus § 71 Abs. 1 SAPersVG herzuleitenden Grundsätze für die Zuständigkeit der Stufenvertretung auch für die Beteiligung beim Erlass von Verwaltungsanordnungen nach § 60 SAPersVG anzuwenden sind.
Rz. 11
3. Die in Abschnitt III 3 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Abschluss von Dienstvereinbarungen nach § 70 SAPersVG sind nicht entscheidungserheblich. Die Absicht des Personalrats, mit der Dienststelle eine Dienstvereinbarung abzuschließen, ist als solche für Art und Umfang seines Informationsanspruchs nach § 57 Abs. 2 Satz 1 und 2 SAPersVG belanglos.
Rz. 12
Dieser Anspruch ist nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut streng aufgabenbezogen. Er besteht nur, wenn die begehrten Informationen in Beziehung gesetzt werden können zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe (vgl. Beschluss vom 20. März 2002 – BVerwG 6 P 6.01 – Buchholz 250 § 77 BPersVG Nr. 16 S. 8). Der nach § 70 BPersVG in weitem Umfang zulässige Abschluss von Dienstvereinbarungen ist nicht selbst eine Aufgabe, sondern ein Instrument im Rahmen der Wahrnehmung der allgemeinen und speziellen Aufgaben, welche dem Personalrat gesetzlich übertragen sind (vgl. Vogelgesang, in: Bieler/Vogelgesang/Plaßmann/Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, § 70 Rn. 32). Art und Umfang des Informationsanspruchs richtet sich daher nach dem Gegenstand zulässiger Aufgabenwahrnehmung. Geht die Initiative zum Erlass der Maßnahme vom Personalrat aus (§ 57 Abs. 1 Nr. 1, § 61 Abs. 4 SAPersVG), so hängt die Informationspflicht der Dienststelle nach Grund und Ausmaß vom Inhalt des Begehrens ab, welches der Personalrat zulässigerweise verfolgt. Handelt es sich bei der begehrten Maßnahme um eine abstrakt-generelle Regelung, so ist es für die Unterrichtung des Personalrats letztlich unerheblich, ob die Maßnahme in Gestalt einer zweiseitigen Dienstvereinbarung oder einer – inhaltlich gleich lautenden – einseitigen Verwaltungsanordnung ergeht (vgl. in diesem Zusammenhang Beschluss vom 17. Dezember 2003 – BVerwG 6 P 7.03 – BVerwGE 119, 363 ≪375≫, insoweit bei Buchholz 451.9 Art. 234 EG-Vertrag Nr. 2 nicht abgedruckt).
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Büge, Vormeier
Fundstellen
Haufe-Index 2220605 |
ZTR 2009, 554 |
PersV 2009, 463 |
RiA 2010, 39 |
RiA 2010, 95 |
ZfPR 2009, 111 |