Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 30.06.2009; Aktenzeichen 2 A 877/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Dies trifft auf keine der vom Kläger aufgeworfenen Grundsatzfragen zu.
Rz. 3
1.1 Soweit der Kläger geltend macht, der vom Berufungsgericht für die Bewertung der als Vermögen berücksichtigten Wertpapiere herangezogene Bewertungszeitpunkt stehe mit dem Gesetz in der heranzuziehenden Fassung nicht im Einklang, das allein auf den “Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung” abstelle, wird im Kern eine fehlerhafte Rechtsanwendung geltend gemacht.
Rz. 4
Die Frage,
“ob eine Stichtagsregelung ohne gesetzliche Grundlage aus der – angeblichen – Natur der Sache heraus geändert werden kann oder nicht”,
stellt sich in dieser Allgemeinheit schon nicht. Denn das Berufungsgericht hat auf den Anschaffungszeitpunkt nur deswegen abgestellt, weil es sich bei den hier zu bewertenden Wertpapieren um eine Neuemission aus dem Jahr 2000 gehandelt hat, für die am 31. Dezember 1999, dem Ende des der Antragstellung vorangehenden Jahres, ein Kurswert nicht festzustellen war, und hat lediglich für diesen, von der von § 28 Abs. 2 BAföG (a.F.) zur erleichterten Wertfeststellung geschaffenen Bewertung nicht erfassten Einzelfall einen abweichenden Wertstichtag angenommen.
Rz. 5
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. Mai 2009 – BVerwG 5 C 14.08 – juris), die zwar der Kläger, noch nicht aber das Berufungsgericht zur Kenntnis nehmen konnte, ist überdies geklärt, dass § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG (a.F.), nach dem bei der Bewertung von Vermögen des Auszubildenden bei Wertpapieren der Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung maßgebend war, nicht auf solche Wertpapiere anzuwenden ist, die der Auszubildende erst nach diesem Zeitpunkt erworben hat. Dass es nach diesem Urteil für diese Wertpapiere dabei verbleibt, dass der Kurswert zum Zeitpunkt der Antragstellung zugrunde zu legen ist, rechtfertigt die Zulassung ebenfalls nicht. Denn damit ist auch diese Teilfrage geklärt. Dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hiervon abweicht, rechtfertigt die Zulassung der Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (nachträglichen) Divergenz (s. dazu Beschluss vom 27. November 2008 – BVerwG 5 B 54.08 – juris ≪Rn. 5≫); denn in Bezug auf die Frage, ob bei nachträglich erworbenen Wertpapieren auf den Antrags- oder den Anschaffungszeitpunkt abzustellen ist, hat der Kläger mit der Beschwerde keine für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage bezeichnet.
Rz. 6
1.2 Die Revision ist auch nicht wegen der aufgeworfenen Fragen zuzulassen, ob
“– eine unstreitige und festgestellte und nicht als Schenkung festgestellte Hingabe von Geld nur deshalb nicht als Verbindlichkeit festgestellt werden kann, weil formale Kriterien des Drittvergleichs o.ä., wie sie etwa in BVerwG Urt. v. 04.09.2008, Az.: 5 C 12.08 vorgeschlagen werden, nicht subsumiert werden können. M.a.W.: Darf ein nicht erfülltes Indizmerkmal (mangelnde Separierung//Nichtangabe bei AntragsteIlung) mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn ein Sachverhalt (nichtschenkungsweise Hingabe von DM 5.000,00 seitens heutiger Ehefrau) nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann.
– ein Verschulden iSd §§ 45 Abs. 3 Nr. 3 SGB X, 60 SGB I auch dann angenommen werden kann, wenn weder die Verwaltung, noch das Verwaltungsgericht in der Lage waren/sind, eine zutreffende Begründung für die Nichtberücksichtigung der Verbindlichkeiten zu geben.”
Rz. 7
Dies legt eine klärungsbedürftige Rechtsfrage revisiblen Rechts nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar, sondern greift in der Sache die dem Berufungsgericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts an.
Rz. 8
Die Beschwerde geht zudem von rechtlichen Voraussetzungen und Bewertungen aus, die mit dem Inhalt des Berufungsurteils nicht im Einklang stehen. So bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Verschulden i.S.d. §§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X, 60 SGB I dann unerheblich ist (und nicht angenommen werden kann), wenn mangels Rechtswidrigkeit bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme des Verwaltungsaktes nicht vorliegen. Das Berufungsgericht hatte überdies eine Rechtslage zu beurteilen, nach der dem Kläger als Inhaber eines Depotkontos eine vermögenswerte Forderung in bestimmter Höhe zustand und lediglich zu beurteilen war, ob ein wirksames Treuhandverhältnis begründet worden war. Dies hat das Berufungsgericht im rechtlichen Ansatz im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 4. September 2008 – BVerwG 5 C 12.08 – BVerwGE 132, 21) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles geprüft und verneint; dass eine “nichtschenkungsweise Hingabe” “aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden” könne (hieran knüpfen auch eine Divergenz- und eine Verfahrensrüge an), lässt sich dem Berufungsurteil gerade nicht entnehmen.
Rz. 9
2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Rz. 10
2.1 Eine Divergenz ist nur dann i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (bzw. eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte) aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 m.w.N.). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerde nicht.
Rz. 11
2.2 Die von der Beschwerde herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 7. November 1995 – 2 BvR 802/90 – und 15. August 1996 – 2 BvR 3027/95 –), welche die Beschwerde jeweils in längeren Abschnitten zitiert, betreffen vom Sachverhalt her Fragen der Beweiswürdigung im Bereich der Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten, die Anforderungen, die der Gesetzgeber an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge zwischen Ehegatten stellen darf, sowie die (verneinte) Frage, ob ein Indizmerkmal dann mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden darf, wenn ein Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Eine zur Zulassung führende Divergenz ist damit schon deswegen nicht dargelegt, weil es sich insoweit nicht um fallübergreifende, abstrakte Rechtssätze handelt, die zu derselben Rechtsnorm ergangen sind, die das Berufungsgericht anzuwenden hatte, und der Kläger auch keine hiervon abweichenden Rechtssätze benennt, die das Berufungsgericht auch aufgestellt hat. Die Behauptung des Klägers,
“Es steht daher außer Frage und bedarf daher auch keines weiteren Beweises, dass damit der Kläger ab diesem Zeitpunkt mit der Rückzahlung dieser Summe belastet war, und zwar ungeachtet dessen, ob und dass er noch – auf Veranlassung des Verwaltungsgerichts – nachträglich eine Treuhandabrede hierüber gestülpt hat.
Trotzdem hat es der Senat hierbei nicht bewenden lassen, sondern vielmehr – im Ergebnis letztlich doch unter Rückgriff auf die steuerrechtlichen Fremdvergleichskriterien – einzelne Kriterien wie die Separierung des Geldes, der Nichtangabe der “Treuhandabrede” im Antragsformular usw. verwendet, hierunter subsumiert (und verneint) und das eindeutige Ergebnis der Beweisaufnahme hierdurch wieder konterkariert.”,
unterstellt überdies eine Treuhandvereinbarung und daraus folgende Rückzahlungsverpflichtung, die das Berufungsgericht gerade nicht feststellen konnte. Es hat vielmehr nach der Bewertung, dass das Wertpapierkonto Vermögen des Klägers sei, das nicht mit einer Rückforderung aus einem Treuhandverhältnis belastet sei, ausgeführt:
“Es ist auch nicht ersichtlich, dass seiner damaligen Verlobten gegen den Kläger damals andere Ansprüche zustanden, die als Schulden von seinem Vermögen abzuziehen wären” (UA S. 18).
Rz. 12
2.3 Aus denselben Sachgründen liegt keine Abweichung von dem herangezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15. Juni 2004 – XI ZR 220/03 –) vor, die auch deswegen nicht zur Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO führen könnte, weil der Bundesgerichtshof in dieser Regelung nicht genannt ist.
Rz. 13
3. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Verletzung der §§ 96, 98, 108 VwGO (Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Rz. 14
3.1 Mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe
“seine Entscheidung aus der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen und nicht anhand von gesetzlich nicht vorgesehenen Beweis- und Einwendungsregeln”,
greift der Kläger der Sache nach die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht an. Damit wird ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht dargelegt, weil die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung jedenfalls in aller Regel revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind (vgl. Beschluss vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind von der Beschwerde nicht dargetan. Die Beschwerde vernachlässigt insbesondere, dass der vom Kläger als unstreitig unterstellte Rückzahlungsanspruch gerade nicht schon allein aus der bloßen Übergabe einer bestimmten Geldsumme zu einem bestimmten Zeitpunkt folgt und das Berufungsgericht überdies im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Treuhandvereinbarung festzustellen sei, ausgeführt hat, der Senat könne schon “nicht feststellen […], dass dem Kläger ein Betrag von 5 000 DM, oder auch nur ein bestimmter geringerer Betrag von seiner Verlobten damals übergeben worden” (UA S. 16) sei. Die weiteren Ausführungen zur Nichtvorlage der Kontoauszüge sowie zur notwendigen Separierung des Treugutes (Beschwerdeschrift S. 17 f.) greifen ohne erkennbaren Bezug zu einem Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an.
Rz. 15
3.2 Einen Verfahrensfehler legt auch nicht das Vorbringen dar, das Berufungsgericht habe es vermieden, die weiteren Zeuginnen A… P… und H… R… zu hören, und die Beweislast trotz der Hinweise des Prozessbevollmächtigten nach der Zeugeneinvernahme, “gewisse Undeutlichkeiten und Lücken der Zeugenaussage könnten schon deshalb nicht zu Lasten des Klägers gehen, weil dieser bereits im Jahr 2002 vor der Beklagten beantragt habe, sämtliche Zeugen gemäß §§ 24, 26 VwVfG; 20 ff. SGB X zu hören und dies der Beklagte pflichtwidrig unterlassen habe”, bei dem Kläger gesehen.
Rz. 16
In Bezug auf die Nichtanhörung weiterer Zeugen ist der sinngemäß erhobene Verfahrensmangel der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht schon deswegen nicht hinreichend dargelegt worden, weil von dem anwaltlich vertretenen Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht nicht durch Stellung eines Beweisantrages auf die von ihm nunmehr beanstandete unterbliebene Sachaufklärung hingewirkt worden (stRspr, Beschluss vom 13. Januar 2009 – BVerwG 9 B 64.08 – juris ≪Rn. 5≫) und auch nichts dafür vorgetragen ist, dass und aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht die Vernehmung dieser Zeuginnen hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 28. Mai 2009 – BVerwG 5 B 90.08 – juris ≪Rn. 3≫).
Rz. 17
Das Vorbringen zu den Auswirkungen einer – aus Sicht des Klägers – unzureichenden Sachverhaltsaufklärung im Verwaltungsverfahren, die dem Beklagten zuzurechnen sei, bezieht sich ebenfalls allein auf die dem materiellen Recht zuzuordnende tatrichterliche Sachverhaltswürdigung; ein etwaiger Fehler im Verwaltungsverfahren setzte sich nicht als Fehler des gerichtlichen Verfahrens fort.
Rz. 18
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen