Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 11.07.2003; Aktenzeichen 8 S 2553/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Antragstellerin beimisst.
1.1 Dem Beschwerdevorbringen zur frühzeitigen Bürgerbeteiligung i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entnehmen. Die Beschwerde wirft eine derartige Frage weder ausdrücklich noch sinngemäß auf. Sie erschöpft sich in einer auf den Streitfall zugeschnittenen Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Die Beschwerde wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Normenkontrollgerichts, “ein größeres Busverkehrsaufkommen” in der Poststraße sei Gegenstand der frühzeitigen Bürgerbeteiligung gewesen (vgl. UA S. 8 f.). Eine derartige Entscheidungskritik ist nicht geeignet, eine über den konkreten Rechtsstreit hinausreichende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen.
1.2 Die Beschwerde wirft ferner als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf, “inwieweit das Betätigungsverbot der §§ 20, 21 VwVfG als letztendlich der Verfassung ausfließendes bundesstaatliches Prinzip” über Art. 31 GG als “Korrektiv” in den Gemeindeordnungen (hier: § 18 GemO) wirkt. Die Frage ist auf die vom Normenkontrollgericht als entscheidungserheblich angesehene Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 2 GemO zugeschnitten, nach der ein Gemeinderatsmitglied, das im Aufsichtsrat eines rechtlich selbstständigen Unternehmens sitzt, dem die Entscheidung des Gemeinderats einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, dann nicht befangen ist, wenn er diesem Organ als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde angehört. Auf der Grundlage dieser Vorschrift hat die Vorinstanz angenommen, dass die Mitgliedschaft des Bürgermeisters der Antragsgegnerin sowie von sieben Mitgliedern des städtischen Gemeinderats in der Stadtentwicklungsgesellschaft mbH keinen Befangenheitsgrund bei der Beschlussfassung über den angegriffenen Bebauungsplan darstellte.
Die aufgeworfene Frage führt nicht zu einer revisionsgerichtlich klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des Bundesrechts. Das bei der Aufstellung von Bauleitplänen einzuhaltende Verfahren bestimmt sich, soweit das Baugesetzbuch keine Regelung trifft, nach Landesrecht. Unter welchen Voraussetzungen kommunale Mandatsträger wegen Interessenkollision von der Beratung und Entscheidung über Satzungen ausgeschlossen sind, richtet sich nach Landesrecht (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1971 – BVerwG 4 C 18.70 – DVBl 1971, 757). Das verkennt auch die Beschwerde nicht. Die von ihr zur Tragweite der §§ 20, 21 VwVfG formulierte Frage ist auf der Grundlage des geltenden Rechts zu beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Der Ausschluss gemeindlicher Mandatsträger wegen Besorgnis der Befangenheit beurteilt sich nach den Gemeindeordnungen der Länder (Kommunalverfassungsrecht), nicht nach den Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (vgl. § 9 VwVfG). Die Vorschriften über den Ausschluss von Personen wegen Befangenheit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder lassen sich zwar ebenso wie die Befangenheitsvorschriften der Gemeindeordnungen der Länder als Folgerung aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) sowie vor allem als Ausdruck der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Prinzipien einer fairen, objektiven und unparteiischen Amtsführung werten. Diese Prinzipien bedürfen jedoch der einfachgesetzlichen Ausformung und Konkretisierung. Dabei kann der Landesgesetzgeber den unterschiedlichen Aufgaben der betroffenen Amts- oder Mandatsträger sowie den verfahrensspezifischen Besonderheiten der jeweiligen Rechtsmaterie (hier: Bauleitplanung) Rechnung tragen. Eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage zur spezifisch kommunalrechtlichen Ausformung des Mitwirkungsverbots wegen Befangenheit in § 18 Abs. 2 Nr. 2 GemO wirft die Beschwerde nicht auf.
1.3 Die weitere von der Beschwerde formulierte Rechtsfrage, “inwieweit Erklärungen in der mündlichen Verhandlung in einem Normenkontrollverfahren Rückschlüsse auf die Erkennbarkeit von Argumenten im Zuge des (gemeindlichen) Abwägungsvorgangs haben können”, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil die Antwort auf diese Frage von den konkreten Umständen im Einzelfall abhängt und daher in einem Revisionsverfahren nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise geklärt werden könnte. Im Übrigen wäre in einem Revisionsverfahren mangels zulässiger und begründeter Aufklärungsrügen von der tatsächlichen Feststellung des Normenkontrollgerichts auszugehen, dass der Gemeinderat der Antragsgegnerin bei Beschlussfassung über den Bebauungsplan “vollständig und korrekt über alle vorgetragenen Argumente” informiert war (vgl. UA S. 9).
1.4 Die übrigen von der Beschwerde geltend gemachten Abwägungsfehler erschöpfen sich in einer einzelfallbezogenen Kritik der vorinstanzlichen Normenkontrolle und lassen keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen.
2. Die erhobene Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist unzulässig, da sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Gatz
Fundstellen