Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 28.11.2006; Aktenzeichen 3 K 776/02 GE) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf Grund mündlicher Verhandlung vom 28. November 2006 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, 3 und 4. Die Beigeladenen zu 1, 5 und 6 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Weder weist die Sache grundsätzliche Bedeutung auf noch liegt die behauptete Abweichung von bestimmten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vor oder beruht das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler. Die außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist erhobenen Rügen sind unbeachtlich (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu,
ob eine Kommanditgesellschaft, deren Gesellschafter enteignet wurden, als stillgelegt angesehen werden muss, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. nach Enteignung des letzten Gesellschafters, von einem VEB teilweise Produktionsmittel und Anlagevermögen der KG übernommen worden waren.
Die Beantwortung dieser Frage erfordert keine Zulassung der Revision. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Begriff der Stilllegung ist höchstrichterlich geklärt. Er ist unmittelbar aus dem Unternehmensbegriff zu verstehen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung muss von einem Entzug eines bestehenden Unternehmens als solchem gesprochen werden können; das Unternehmen muss durch den in Rede stehenden Eingriff als organisatorische Einheit endgültig aufgehört haben zu bestehen oder – anders gewendet – als Zusammenfassung vermögenswerter Gegenstände zerschlagen worden sein (stRspr; vgl. Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 6.00 –, Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 42). Geklärt ist ferner, dass für den Bestand eines Unternehmens die Person des Inhabers grundsätzlich unerheblich ist. Mit dem vom DDR-Staat erzwungenen Ausscheiden der Gesellschafter und dem handelsrechtlichen Ende ihrer Personenhandelsgesellschaft ist zwar der Rechtsträger des Unternehmens fortgefallen; dieser Umstand besagt aber noch nichts über den Fortbestand des Unternehmens (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 12.97 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 27). Die Schlussfolgerungen, die das Verwaltungsgericht aus diesen Rechtssätzen gezogen hat, betreffen den vorliegenden Einzelfall. Ob sie zu rechtlichen Zweifeln Anlass geben, ist für die Zulassung der Revision unerheblich.
Die sodann von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage,
ob die Vorschrift der Fristversäumnis nach § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG auch auf Sachverhalte anzuwenden ist, bei denen eine Berechtigung hinsichtlich der Betriebsgrundstücke einer Gesellschaft durch das zuständige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen zunächst festgestellt wurde,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Beklagte und das Verwaltungsgericht sind nicht davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes beinhaltet. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist mit dem Teilbescheid vom 18. September 1995 zunächst nur die Berechtigung der Klägerin festgestellt und die Rückgabe des Unternehmens abgelehnt worden. Welche Vermögenswerte im Einzelnen restituierbar seien, habe diese Entscheidung jedoch einer künftigen Entscheidung vorbehalten. Wenn die Klägerin meint, in dem Teilbescheid befinde sich kein Vorbehalt, übersieht sie, dass es dort unter Nr. 5 des Tenors heißt:
“Über Rückübertragung gemäß § 6 Abs. 6a VermG oder Entschädigung nach dem EALG ergeht ein gesonderter Bescheid”.
Dieser liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Bescheid.
Auch von daher gesehen kommt der für rechtsgrundsätzlich gehaltenen Rechtsfrage kein Klärungsbedarf zu,
ob ein Gericht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO verstößt, wenn es in einem Fall, in dem der Bescheid für die Berechtigtenstellung und der Bescheid hinsichtlich des Anspruchs nach § 6 Abs. 6a VermG auseinanderfallen und gegenteilige Entscheidungen ergehen, die Frage der Anwendung von § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG und des Weiteren auch die Rechtsfrage, ob hinsichtlich des zweiten negativen Bescheides das Rechtsinstitut der Verwirkung eingreift, keiner umfassenden Rechtsprüfung unterzieht.
Abgesehen davon, dass diese Frage nicht von fallübergreifender Bedeutung ist, verkennt die Klägerin den Sinn eines gestuften Verwaltungsverfahrens. Der Verwaltungsakt vom 18. September 1995 stellt nur einen Teilbescheid dar. Er enthält die Berechtigtenfeststellung und die Ablehnung der Unternehmensrestitution, behält aber ausdrücklich die Entscheidung darüber vor, welche einzelnen Vermögensgegenstände (im Sinne einer sogenannten Trümmerrestitution) rückgegeben werden können. Der Restitutionsantrag der Klägerin harrte folglich der abschließenden Entscheidung.
Für die des Weiteren aufgeworfene Frage,
inwieweit ein Verwaltungsgericht in zivilgerichtlich abgeschlossene notarielle Verträge dergestalt eingreifen kann, dass es rechtsverbindliche Feststellungen trifft, welche Auswirkungen derartige Verträge auf Bestimmungen des Vermögensgesetzes haben, d.h. ob Ansprüche wirksam abgetreten worden sind oder nicht,
besteht kein Klärungsbedarf. Es geht vorliegend nicht um eine Feststellungsklage über die Wirksamkeit eines notariellen Vertrages, sondern um einen Verwaltungsakt, der feststellt, dass eine notariell beurkundete Abtretung keinen vermögensrechtlichen Anspruch zum Gegenstand hat. Für die dagegen gerichtete Anfechtungsklage ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1 VwGO).
Der Behörde hat im vorliegenden Falle auch nicht die Befugnis gefehlt, ergänzend zu ihrer Entscheidung, dass auf bestimmte ehemalige Betriebsgrundstücke kein Rückgabeanspruch besteht, klarzustellen, dass deshalb solche Ansprüche auch nicht Gegenstand einer Abtretung sein konnten. Für diese sogenannte Annex-Feststellung, die aus der ablehnenden Entscheidung folgt, steht ihr die Befugnis nach allgemeinem Verwaltungsrecht zu. Wer die Kompetenz zur Entscheidung in der Hauptfrage hat, besitzt sie auch für die dazu in unmittelbarem Zusammenhang stehende Nebenfrage. Dieser Feststellung kommt im Übrigen keine konstitutive Bedeutung zu; sie dient nur der Klarstellung.
Schließlich weist auch die Frage keine grundsätzliche Bedeutung auf,
ob die Klägerin noch passiv-legitimiert gewesen ist, als ihr der angefochtene Bescheid erteilt wurde oder ob nicht vielmehr der Bescheid den Beigeladenen zu 1 bis 4 hätte erteilt werden müssen, da sie Anspruchsinhaber der nach der Vorschrift von § 6 Abs. 6a VermG abgetretenen Ansprüche geworden waren.
Die Antwort darauf ist eindeutig: Mit der Abtretung scheidet der Abtretende (Zedent) als Beteiligter aus dem vermögensrechtlichen Verfahren aus und der Abtretungsempfänger (Zessionar) wird neuer Beteiligter des vermögensrechtlichen Verfahrens dergestalt, dass er die Rechtsposition einnimmt, die dem Zedenten im Zeitpunkt der Zession zustand. Aus Sinn und Zweck der die Abtretung zulassenden Vorschrift in § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG folgt, dass die Wirksamkeit der Abtretung nicht davon abhängt, ob dem Zedenten der vermögensrechtliche Anspruch wirklich zustand (vgl. Beschluss vom 22. Juli 1996 – BVerwG 7 B 219.96 – Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 8).
Für die Einschätzung dieser Rechtslage bedarf es keines Revisionsverfahrens, weil sie ohne weiteres aus der benannten Vorschrift folgt. Die damit einhergehenden Zweifel an der Richtigkeit des angefochten Urteils vermögen die Revision nicht zuzulassen. Ein solcher Grund mag die Zulassung einer Berufung rechtfertigen (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), rechtfertigt aber nicht die Zulassung einer Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO.
2. Soweit die Klägerin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, beziehen sich ihre Beanstandungen auf Rechtsausführungen zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, die sie in dem angefochtenen Urteil vermisst. Da jedoch das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Bescheid keine Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gesehen hat, sondern einen ergänzenden Teilbescheid, bedurfte es keines Eingehens auf die genannte Fristbestimmung.
3. Die Divergenzrügen ergeben eine die Revision eröffnende Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht.
Der als Rechtssatz bezeichneten Aussage in dem Urteil vom 28. März 2001 – BVerwG 8 C 6.00 – a.a.O., dass in der Einbringung einer einzelbäuerlichen Landwirtschaft in die LPG (Typ III) eine Stilllegung des Betriebes liegen könne, hat das Verwaltungsgericht nicht widersprochen. Wenn die Klägerin meint, sie stehe einem einzelbäuerlichen Betrieb rechtlich gleich, macht sie keinen Rechtssatzwiderspruch geltend, sondern rügt eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung des Rechtssatzes durch das Verwaltungsgericht. Ein Fehler bei der Zuordnung von Sachverhaltselementen zu den Voraussetzungen der einschlägigen Norm führt nicht zu einer erfolgreichen Divergenzrüge.
Auch gegenüber den benannten Urteilen vom 26. Mai 1994 – BVerwG 7 C 15.93 – und vom 24. Februar 1994 – BVerwG 7 C 20.93 – enthält das angefochtene Urteil keine abweichenden Rechtssätze. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht rechtliche Schlussfolgerungen aus diesen Rechtssätzen gezogen, welche die Klägerin nur nicht teilt.
Das des Weiteren angeführte Urteil vom 20. Dezember 1999 – BVerwG 7 C 42.98 – und der Beschluss vom 7. November 2000 – BVerwG 8 B 137.00 – beziehen sich auf die Rücknahme von Verwaltungsakten. Um einen solchen geht es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Falle nicht.
Auch der Beschluss vom 18. Oktober 1977 – BVerwG 7 B 136.77 – ist nicht einschlägig. Er betrifft die Zulassung einer Feststellungsklage, an der es vorliegend fehlt.
Soweit die Beschwerde in Form einer Berufungsbegründung ihre Rechtsauffassung und ihre Bewertung der Aussagen der Zeugen an die Stelle der rechtlichen Darlegungen und der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts setzt, wird damit ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht dargetan.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen