Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 03.03.2004; Aktenzeichen 22 B 03.2451) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. März 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.
Gründe
Die Kläger wenden sich im Wege der Unterlassungsklage gegen Lärm- und Rauchimmissionen, die von einem an ihr Grundstück angrenzenden Mietwohngrundstück der Beklagten ausgehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben sie ferner hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten verlangt, Maßnahmen zur Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Pflichten anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zugelassen und den Rechtsstreit hinsichtlich des Hauptantrags an das Amtsgericht verwiesen. Hinsichtlich des Hilfsantrags hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, weil das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen habe. Die Revision gegen seinen als Urteil bezeichneten Beschluss gemäß § 130a VwGO hat er nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Urteil ist statthaft, obwohl es sich in Wahrheit um einen Beschluss gemäß § 130a VwGO handelt, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Gründen seiner Entscheidung zutreffend festgestellt hat; denn die Nichtzulassungsbeschwerde ist sowohl bei einem Beschluss gemäß § 130a VwGO als auch bei einem Urteil gegeben, von dem der Verwaltungsgerichtshof hier im Entscheidungstenor zu Unrecht ausgegangen ist. Die inkorrekte Entscheidung führt für sich genommen nicht zur Zulassung der Revision, da der angegriffene Beschluss auf diesem Verfahrensfehler nicht beruhen kann.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die für klärungsbedürftig gehaltene Frage, “ob es sich um eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO handelt, wenn das Klagebegehren sowohl auf einen allgemeinen Immissionsabwehranspruch gestützt wird als auch im Hilfsantrag auf eine Verpflichtung nach § 24 BImSchG …”, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Kläger haben vor dem Verwaltungsgericht zwei Klageanträge gestellt, denen nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zwei selbständige prozessuale Ansprüche zugrunde lagen. Da der Verpflichtungsantrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, führte er zu einer sukzessiven Klagenhäufung. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass hierin eine Klageänderung zu sehen ist, auf die § 91 VwGO Anwendung findet (Urteil vom 28. April 1999 – BVerwG 4 C 4.98 – BVerwGE 109, 74 ≪78≫).
Die behauptete Abweichung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von dem Beschluss vom 3. März 1995 – BVerwG 4 B 26.95 – liegt nicht vor, da der Verwaltungsgerichtshof keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der einem in der Divergenzentscheidung aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widerspricht. Die Beschwerde wendet sich mit diesem Vorbringen gegen eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall begründet für sich genommen nicht den Zulassungsgrund der Divergenz. Unbegründet ist auch die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge. Die Beschwerde sieht eine Verletzung des § 91 Abs. 2 VwGO darin, dass der Verwaltungsgerichtshof ebenso wie das Verwaltungsgericht eine Einwilligung der Beklagten in die Klageänderung verneint hat. Der Vorwurf trifft nicht zu. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in die Klageänderung nicht ausdrücklich eingewilligt. Sie hat sich auch nicht rügelos auf die geänderte Klage eingelassen. Der von ihr gestellte Klagabweisungsantrag stellte keine Einlassung i.S. des § 91 Abs. 2 VwGO dar, da er sich gerade gegen eine sachliche Behandlung des geänderten Klageantrags richtete. Ebenso wenig begründeten der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf den Unterschied zwischen dem Gegenstand der erhobenen Unterlassungsklage und einem Verfahren auf Vollzug der Kleinfeuerungsanlagenverordnung sowie das von der Beklagten eingeführte Schreiben des Bezirkskaminkehrermeisters äußere Indizien dafür, dass die Beklagte mit einer Änderung des Streitgegenstandes einverstanden war. Das folgt schon daraus, dass die Kläger den Verpflichtungsantrag auf Einschreiten der Beklagten erst im Anschluss an diese Erörterung in der mündlichen Verhandlung gestellt haben.
Grundsätzliche Bedeutung verleiht der Rechtssache auch nicht die weitere Frage der Beschwerde, “ob allein die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Verzögerung des Rechtsstreits durch ggf. erforderlich werdende Beweisaufnahme und zusätzliche Beiladung Dritter die Sachdienlichkeit in Frage” stellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Annahme des Verwaltungsgerichts gebilligt, dass eine Behandlung des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrags die Entscheidung über die Klage erheblich verzögert hätte. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof den weitgehend von Erwägungen der Prozessökonomie beherrschten und infolgedessen einer Einschätzungsprärogative unterliegenden Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit ausgefüllt. Eine grundsätzliche Frage von allgemeiner Bedeutung verbindet sich hiermit schon deswegen nicht, weil in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, dass es für die Sachdienlichkeit einer Klageänderung darauf ankommt, ob eine Verzögerung des Verfahrens wegen Nichtverwertbarkeit der Ergebnisse der bisherigen Prozessführung zu erwarten ist oder ob der sachliche Streitstoff zwischen den Beteiligten im anhängigen Verfahren endgültig ausgeräumt werden kann (Beschluss vom 21. Oktober 1983 – BVerwG 1 B 116.83 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 51; Urteil vom 26. Oktober 1978 – BVerwG 5 C 85.77 – BVerwGE 57, 31 ≪34≫; jeweils m.w.N.). Ob der Verwaltungsgerichtshof die Sachdienlichkeit der Klageänderung im vorliegenden Verfahren zutreffend verneint hat, rechtfertigt als einzelfallbezogene Rechtsanwendungsfrage nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I S. 390), i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Unterschriften
Sailer, Herbert, Krauß
Fundstellen