Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 07.05.2009; Aktenzeichen 20 A 4452/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger hält Trakehner-Pferde. Bis Mai 2002 hielt er eine Herde von zuletzt 33 Pferden auf einer Burg in der Eifel. Nachdem die vom Kläger bis dahin genutzten Weideflächen außerhalb der Burgmauern von deren Eigentümer anderweitig verpachtet worden waren, kam es seit Mitte 2001 zu Beanstandungen der Haltungsbedingungen durch den Beklagten. Im Laufe des Jahres 2002 erließ der Beklagte drei Verwaltungsakte, die im Dezember desselben Jahres zur Fortnahme von zehn Pferden führten.
Rz. 2
Im April 2002 kam es auf der Burg zu einer Aktion von Tierschützern, um die nach deren Einschätzung nicht artgerechten Haltungsbedingungen anzuprangern. Über diese Aktion wurde in den Medien berichtet.
Rz. 3
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2004 wies die Bezirksregierung Köln die Widersprüche des Klägers gegen die drei im Jahre 2002 erlassenen Anordnungen zurück.
Rz. 4
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
festzustellen, dass die drei im Jahre 2002 erlassenen Verwaltungsakte rechtswidrig waren und festzustellen, dass die konkrete Durchführung der Fortnahme der zehn Pferde und ihre Überlassung durch den Beklagten an einen Tierschutzverein im Dezember 2002 rechtswidrig waren.
Rz. 5
Daneben hat der Kläger einige Hilfsanträge gestellt.
Rz. 6
Mit Urteil vom 25. Oktober 2006 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Überlassung der im Dezember 2002 fortgenommenen zehn Pferde durch den Beklagten an den Tierschutzverein rechtswidrig war, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Rz. 7
Die dagegen erhobene Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Das im Berufungsverfahren weiterverfolgte Klagebegehren sei insgesamt unzulässig. Für die mit den Hauptanträgen begehrten Feststellungen fehle es jedenfalls an dem erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Hilfsanträge seien unstatthaft.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 8
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 1.). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 2.).
Rz. 9
1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anträge des Klägers, festzustellen, dass die drei im Jahre 2002 erlassenen Verwaltungsakte rechtswidrig waren, ohne Verfahrensfehler als unzulässig bewertet.
Rz. 10
Die drei Verwaltungsakte hatten sich vor Klageerhebung erledigt. Die Anträge, festzustellen, dass diese Verwaltungsakte rechtswidrig waren, sind deshalb nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an diesen Feststellungen hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
Rz. 11
Unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das vom Kläger geltend gemachte Rehabilitierungsinteresse zwar ein Feststellungsinteresse begründen kann, dass dies aber nur dann der Fall ist, wenn das Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist (vgl. Urteile vom 10. Februar 2002 – BVerwG 2 A 3.99 – juris und vom 11. November 1999 – BVerwG 2 A 5.98 – NVwZ 2000, 574).
Rz. 12
Davon ausgehend ist das Berufungsgericht aufgrund einer umfangreichen Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. UA S. 14 bis 16) zu dem Ergebnis gelangt, dass das Rehabilitierungsinteresse des Klägers hier nicht schutzwürdig ist.
Rz. 13
Der Kläger greift den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsurteils nicht an. Vielmehr meint er sinngemäß, bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls hätte das Rehabilitierungsinteresse des Klägers als schutzwürdig anerkannt werden müssen. Dies wird in der Beschwerdebegründung unter Heranziehung verschiedener Umstände des Einzelfalls umfassend begründet. Damit wird jedoch kein Verfahrensmangel dargelegt.
Rz. 14
Eine Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil stellt nur dann einen Verfahrensfehler dar, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung prozessualer Vorschriften beruht, die Vorinstanz etwa die dort verwendeten Begriffe verkannt hat. Ist die Vorinstanz hingegen deshalb zu einem Prozessurteil gelangt, weil sie den Sachverhalt infolge ihrer materiellrechtlichen Beurteilung unter eine zutreffend erkannte Prozessvoraussetzung fehlerhaft subsumiert hat, liegt kein Verfahrensfehler, sondern ein materiellrechtlicher Mangel des Urteils vor (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 28. Juli 2006 – BVerwG 7 B 56.06 – ZOV 2006, 373). Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Einzelfall ist Teil der materiellrechtlichen Beurteilung. Selbst wenn die Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls in dem Berufungsurteil – wie die Beschwerde meint – rechtsfehlerhaft sein sollte, läge darin also ein materiellrechtlicher Mangel des Urteils und damit kein Verfahrensfehler.
Rz. 15
Auch den Antrag, festzustellen, dass die konkrete Durchführung der Fortnahme der zehn Pferde und ihre Überlassung durch den Beklagten an einen Tierschutzverein im Dezember 2002 rechtswidrig waren, hat das Oberverwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei wegen Fehlens eines berechtigten Interesses an der Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO) als unzulässig beurteilt.
Rz. 16
Zu Unrecht meint die Beschwerde, ein Feststellungsinteresse hätte hier bejaht werden müssen, weil das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) es gebiete, dass der Betroffene Gelegenheit erhalte, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann deren Rechtmäßigkeit gerichtlich klären zu lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen könne.
Rz. 17
In seinem Urteil vom 25. Oktober 2006 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Überlassung der im Dezember 2002 fortgenommenen zehn Pferde durch den Beklagten an den Tierschutzverein rechtswidrig war. Insoweit ist dieses Urteil rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Eigentumsverlust an den Pferden allein infolge dieser Überlassung eingetreten ist. Die Fortnahme selbst hat – wie in dem Berufungsurteil zutreffend ausgeführt wird – nur zum Verlust des Besitzes an den Tieren geführt. Ohne Verfahrensrecht zu verletzen, ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein solcher Besitzverlust kein tiefgreifender Grundrechtseingriff, der ein Feststellungsinteresse begründen könnte, ist.
Rz. 18
2. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinaus gehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Rz. 19
a) Die Beschwerde hält zunächst für klärungsbedürftig die Frage, ob durch einen rechtswidrigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 14 GG, in Entsprechung zu der Rechtsprechung bezüglich sich schnell erledigender und zugleich eingriffsintensiver Polizeimaßnahmen, ein Feststellungsinteresse begründet werden kann, wenn zuvor ein effektiver Rechtsschutz aufgrund der schnellen Erledigung nicht zu erreichen ist.
Rz. 20
In der Beschwerdebegründung wird jedoch weder dargelegt, warum diese Frage klärungsbedürftig ist, noch warum ihre Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Die Beschwerde befasst sich weder mit der vorliegenden Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse noch äußert sie sich dazu, warum die Entziehung des Besitzes – um die es hier wie oben dargelegt alleine geht – eine “eingriffsintensive” Maßnahme ist und warum hier effektiver Rechtsschutz – beispielsweise im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren – nicht erreichbar ist.
Rz. 21
b) Weiter hält die Beschwerde für klärungsbedürftig die Frage, welche Anforderungen grundsätzlich an ein Gutachten des beamteten Tierarztes gemäß § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG zu stellen sind und ob ein bloßer Aktenvermerk bei individualisierbaren Tieren ausreichend ist.
Rz. 22
Insoweit wird schon nicht dargelegt, wieso diese Frage hier entscheidungserheblich ist. Dies hätte die Beschwerde auch nicht darlegen können, da sich diese Frage aufgrund der Abweisung der Klage als unzulässig offenkundig hier nicht stellt.
Rz. 23
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann
Fundstellen