Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 8 A 1570/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt.
1. Die Beschwerde beruft sich zunächst auf den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und macht geltend, das Berufungsurteil beruhe auf einem Verfahrensmangel. Das Berufungsgericht sei unter Verletzung des § 86 VwGO zu der Annahme gelangt, dass der Kläger die südafrikanische Staatsangehörigkeit erworben habe, bevor ihm die Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erteilt worden sei. Das Tatsachengericht habe in Fällen, in denen ihm zur Entscheidung einer streitigen Frage die erforderliche Sachkunde fehle, die Pflicht, Beweis zu erheben und andere ausreichende Erkenntnisquellen, insbesondere Gutachten von Sachverständigen zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Kläger die südafrikanische Staatsangehörigkeit erlangt habe, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und damit die mangelnde eigene Sachkunde dokumentiert habe, sodann aber keinen weiteren Sachverständigen befragt habe, als es Zweifel an der Richtigkeit des erstellten Gutachtens gehegt habe.
Hiermit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensverstoß im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Das Gericht entscheidet grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Sachverständigengutachten erforderlich ist oder ob es sich selbst die nötige Sachkunde zutraut. Es verletzt seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt oder seine Entscheidungsgründe auf mangelnde Sachkunde schließen lassen. Geht es um das Bestehen und den Inhalt von Vorschriften des ausländischen Rechts und ihrer Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis, so liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts, in welcher Weise es sich die erforderliche Kenntnis verschafft (vgl. § 86 VwGO, § 293 ZPO i.V.m. § 173 VwGO). Als Verfahrensmangel kann insoweit nur gerügt werden, dass der Tatrichter seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, insbesondere die Grenzen seines Ermessens nicht beachtet habe (vgl. Urteil vom 28. September 1993 – BVerwG 1 C 25.92 – NVwZ 1994, 387; Beschluss vom 18. Dezember 1991 – BVerwG 1 B 139.91 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 41 m.w.N.).
Das Berufungsgericht, dessen Rechtsauffassung insoweit maßgeblich ist, hat die seinem Urteil zugrunde liegende Annahme, dass der Kläger die südafrikanische Staatsangehörigkeit am 26. Mai 1978 erworben hat, selbständig tragend darauf gestützt, dass nach Angaben des für Einbürgerungsverfahren zuständigen Innenministeriums der Republik Südafrika für den Erwerb der südafrikanischen Staatsangehörigkeit bei der hier gegebenen Fallkonstellation auf den Zeitpunkt der Eidesleistung, auf dem die Urkunde ausgestellt werde, abzustellen sei (vgl. UA S. 33 f.). Das Berufungsgericht hat dargelegt, dass insoweit – unabhängig davon, wie die einschlägigen südafrikanischen Bestimmungen mit herkömmlichen Auslegungsmitteln verstanden und angewendet werden könnten – die Interpretation der zuständigen südafrikanischen Stellen maßgeblich sei. Im vorliegenden Zusammenhang bedeute dies, dass dem Zeitpunkt der Aushändigung des Einbürgerungsdokuments selbst dann keine für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne, wenn sich die hier einschlägigen §§ 10, 11 des südafrikanischen Citizenship Act in diese Richtung verstehen ließen. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen auf eine Äußerung des Leiters für Staatsangehörigkeitssachen im Innenministerium der Republik Südafrika gegenüber einem Mitarbeiter des Generalkonsulats in Johannesburg sowie auf zwei im Berufungsurteil näher bezeichnete Schreiben des südafrikanischen Innenministeriums abgestellt (vgl. UA S. 31 f.). Soweit Prof. S. in seinem Sachverständigengutachten vom 12. Oktober 1994 und in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 27. Juni 2000 hinsichtlich des Zeitpunkts des Erwerbs der südafrikanischen Staatsangehörigkeit eine abweichende Auffassung vertritt, beruht dies nach seinen eigenen Angaben auf einer aus Wortlaut und Gesetzessystematik gewonnenen Auffassung, nicht aber auf Kenntnissen der südafrikanischen Rechtspraxis.
Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, dass unter diesen Umständen in Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ein (weiteres) Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, inwiefern das Berufungsgericht nach Maßgabe dieser Grundsätze ohne die erforderliche Sachkunde entschieden haben soll, indem es – wie oben dargestellt – unter Heranziehung der erwähnten Stellungnahmen auf die Interpretation der einschlägigen Vorschriften durch das Innenministerium der Republik Südafrika abgestellt hat. Die Beschwerde zeigt namentlich nichts dafür auf, dass diese vom Berufungsgericht verwerteten Erkenntnisquellen grobe Mängel wie z.B. Widersprüche aufweisen, dass sich Zweifel an der Sachkunde oder Voreingenommenheit derjenigen ergeben, die Stellung genommen haben oder dass diese nicht in ausreichendem Maße über ein hier erforderliches spezielles Fachwissen verfügen (vgl. auch Beschluss vom 18. Dezember 1991, a.a.O.).
Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe durch die Einholung des Sachverständigengutachtens „die mangelnde eigene Sachkunde dokumentiert”, trifft dies bereits deshalb nicht zu, weil das in Rede stehende Gutachten des Prof. S. nicht vom Berufungsgericht, sondern vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren eingeholt worden ist. Was die Anhörung des Gutachters durch das Berufungsgericht angeht, lag diese angesichts der abweichenden Ansicht des Gutachters zur entscheidungserheblichen Frage des Zeitpunkts des Erwerbs der südafrikanischen Staatsangehörigkeit nahe. Hieraus kann nicht auf fehlende Sachkunde des Berufungsgerichts geschlossen werden.
Zu Unrecht macht die Beschwerde darüber hinaus geltend, das Berufungsgericht habe bezogen auf die Heranziehung des einschlägigen südafrikanischen Rechts seine Sachkunde nicht hinreichend dargetan. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es unter den gegebenen Umständen – Maßgeblichkeit der bereits erwähnten Angaben der zuständigen südafrikanischen Behörde nach Auffassung des Berufungsgerichts – überhaupt entsprechender Darlegungen bedurfte. Jedenfalls reichen die in der Beschwerdeschrift (S. 3) wiedergegebenen Darlegungen des Berufungsgerichts insoweit aus.
2. Die Beschwerde beruft sich weiter auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung maßgebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Das Beschwerdevorbringen verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG nicht berücksichtigt. Das danach bestehende Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit hindere zwar nicht, bei Erfüllung bestimmter gesetzlicher festgelegter Tatbestände den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vorzusehen, doch müsse es sich dabei um von dem Betroffenen selbst willentlich gesetzte, also vermeidbare und ihrem Wesen nach auf Abkehr vom deutschen Staatsverband gerichtete Tatbestände handeln. Im Tatbestand des Berufungsurteils werde dargelegt, dass der Kläger sich erst um die Einbürgerung bemüht habe, nachdem ihm das Einverständnis der zuständigen deutschen Stellen mit der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit signalisiert worden sei. Der Verlust gehe also nicht auf einen selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss zurück, sondern auf einen von den zuständigen Behörden ursächlich ausgelösten Willensmangel des Klägers. § 25 Abs. 1 RuStAG sei damit „in Fällen wie diesen” verfassungswidrig bzw. bedürfe der verfassungskonformen Auslegung des Inhalts, dass der in § 25 Abs. 1 RuStAG vorausgesetzte Antrag nicht auf einem von Behörden ausgelöste Willensmangel beruhen dürfe.
Damit ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht den erläuterten Anforderungen entsprechend dargetan. In der Beschwerdebegründung wird keine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage und ihre – aus Rechtsgründen sich ergebende – Klärungsbedürftigkeit herausgearbeitet. Auch wenn man die Beschwerde dahin versteht, dass die Frage aufgeworfen wird, ob ein Antrag nach dem hier noch anzuwendenden § 25 Abs. 1 RuStAG (vgl. jetzt § 25 Abs. 1 StAG) in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 29. Juni 1977 (BGBl I S. 1101) dann nicht den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auslöst, wenn er auf einem von (deutschen) Behörden ausgelösten Willensmangel beruht, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde macht nämlich nicht ersichtlich, inwiefern diese Frage in einem Revisionsverfahren erheblich wäre. Sie legt insbesondere nicht in der gebotenen Weise dar, aus welchen vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen sich ergibt, dass der Kläger aufgrund der Angaben deutscher Behörden einem Willensmangel unterlegen sein und worin dieser Willensmangel konkret bestanden haben soll. Das Beschwerdevorbringen, der Kläger habe auf jeden Fall den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vermeiden wollen, legt die Annahme nahe, dass ihm jedenfalls die Möglichkeit eines solchen – infolge des Erwerbs der südafrikanischen Staatsangehörigkeit eintretenden – Verlusts bekannt war. Die Beschwerde legt aber nicht dar, ob der Kläger, nachdem ihm das Einverständnis der zuständigen deutschen Stellen mit der Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit „signalisiert” worden war, bereits vor der Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund des Erwerbs der südafrikanischen Staatsanghörigkeit ausgeschlossen hat. Weiter setzt sich die Beschwerde nicht mit den Ausführungen des Berufungsgerichts (UA S. 43) auseinander, der Kläger könne sich nicht auf einen Rechtsirrtum hinsichtlich des Zeitpunkts der Einbürgerung nach südafrikanischem Recht berufen; insoweit wäre ggf. weiter darzulegen gewesen, inwiefern ein derartiger Irrtum von deutschen Behörden verursacht wurde.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt, dass es unerheblich ist, ob ein Antragsteller mit Stellung des Antrags nach § 25 Abs. 1 RuStAG seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben wollte oder nicht (vgl. Urteil vom 21. Mai 1985 – BVerwG 1 C 12.84 – Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5 S. 15). Es kommt vielmehr darauf an, ob er den Willen zum Ausdruck gebracht hat, die ausländische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Bejahendenfalls trat bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen mit dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit – auch ohne oder gar gegen den Willen des Antragstellers – kraft Gesetzes ein, ohne dass darin ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG läge. Soll demgemäß nach dem Gesetz der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ohne Rücksicht auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines dahin gehenden Willens des in den fremden Staat antragsgemäß Eingebürgerten eintreten, so kann ein für die Verlustfolge ausreichender Antrag i.S.d. § 25 Abs. 1 RuStAG nicht allein deswegen verneint werden, weil der Antragsteller den Verlust nicht wünscht, insbesondere sich über diese Folge des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit irrt (Urteil vom 21. Mai 1985, a.a.O.). Die Beschwerde zeigt einen über diese Grundsätze hinausgehenden Klärungsbedarf nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Dr. Hahn
Fundstellen