Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 25.03.2015; Aktenzeichen 5 S 2456/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 3
a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob bei einem teilweise bebauten im Innenbereich gelegenen Grundstück die Ermittlung der Eingriffsintensität in die eigentumsrechtlich vermittelte Baufreiheit in summarischer Betrachtung erfolgen darf oder die Beeinträchtigung für einzelne Grundstücksbereiche jeweils gesondert ermittelt werden muss.
Rz. 4
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Soweit ihr überhaupt ein über den Einzelfall hinausgehender rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf zu entnehmen ist, geht sie an dem angegriffenen Urteil vorbei. Die Antragstellerin wirft dem Verwaltungsgerichtshof der Sache nach vor, er habe allein den Umstand, dass auf ihrem Grundstück ein den vorhandenen Bestand umfassendes Baufenster zur geringfügigen Erweiterung der bestehenden Bebauung vorgesehen sei, für die Annahme ausreichen lassen, dass auf anderen Bereichen ihres Grundstücks der Belang der Siedlungsstruktur ihren Bauwünschen vorgehe (Beschwerdebegründung S. 4). Hiervon geht der Verwaltungsgerichtshof indes nicht aus. Er hat die Festsetzungen des Bebauungsplans für die Grundstücksteile jeweils einzeln in den Blick genommen (UA S. 11 ≪aa≫). Bei der Abwägungskontrolle hat er den Bauwunsch der Antragstellerin dem von der Antragsgegnerin verfolgten Ziel, das Ortsbild zu erhalten, gegenübergestellt. Seine Billigung des Abwägungsergebnisses (UA S. 11 f. ≪bb≫) nimmt – wie von der Antragstellerin gefordert – die städtebauliche Situation gerade desjenigen Grundstücksteils in den Blick, für das die Antragstellerin ein Baufenster fordert. Denn der Verwaltungsgerichtshof stellt tragend darauf ab, dass ein an der von der Antragstellerin gewünschten Stelle errichtetes Gebäude die Zäsur und damit die Auflockerung der Bebauung beseitigen werde, die derzeit zwischen ihrem Wohnhaus und der Bebauung südlich des auf dem Fl.-Nr. 8… verlaufenden Weges bestehe.
Rz. 5
b) Auf die weitere Frage,
ob der außenbereichsspezifische Belang der gelockerten Siedlungsstruktur im Rahmen des unbeplanten Innenbereichs als ein die Bebaubarkeit ausschließender Belang berücksichtigungsfähig ist,
lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Beschluss vom 14. August 1995 – 4 NB 21.95 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 86 und Urteil vom 10. September 2015 – 4 CN 8.14 – m.w.N.). Es steht deshalb außer Frage, dass das von der Antragsgegnerin verfolgte Planungsziel, das aufgelockerte, durch unterschiedlich große Lücken charakterisierte Siedlungsbild im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin zu erhalten (UA S. 11), ein öffentlicher Belang ist, der, sofern hinreichend gewichtig, eine Beschränkung von Eigentümerbefugnissen im Rahmen der Abwägung rechtfertigen kann. Dass auch die Freihaltung von Flächen von einer Bebauung zu den Zielen gehört, welche die Gemeinde in ihrer Bauleitplanung verfolgen kann, zeigen im Übrigen die Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 Nr. 10, 15, 18, 20, 24 und 25 BauGB. Ob dem Belang in der konkreten Planungssituation hinreichendes Gewicht zukommt, ist eine von der Tatsacheninstanz zu beantwortende Frage des Einzelfalls und einer revisionsgerichtlichen Prüfung grundsätzlich entzogen.
Rz. 6
2. Die Revision ist auch nicht wegen des behaupteten Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Rz. 7
Die Beschwerde macht geltend, das Normenkontrollurteil sei am 25. März 2015 verkündet, jedoch erst am 17. Juni 2015, also fast drei Monate später zugestellt worden. Die Übermittlung der Entscheidungsgründe sei damit verfahrensfehlerhaft nicht mehr „alsbald” im Sinne von § 117 Abs. 4 VwGO erfolgt. Bereits diese Zeitspanne allein stelle eine nicht unerhebliche Verzögerung dar. Zudem seien weitere Indizien feststellbar, welche die korrekte Wiedergabe der entscheidungsleitenden Gründe in Zweifel zögen. Einen Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde mit diesem Vortrag nicht auf.
Rz. 8
Gemäß § 117 Abs. 4 Satz 1 VwGO ist ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, vor Ablauf von zwei Wochen vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Für den Fall, dass dies ausnahmsweise nicht erfolgen kann, bestimmt § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO, dass der von den Richtern unterschriebene Urteilstenor innerhalb dieser zwei Wochen der Geschäftsstelle zu übermitteln ist; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind sodann alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln. Den Begriff „alsbald” hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – BVerwGE 92, 367 ≪LS und 372 und 376 f.≫) dahingehend konkretisiert, dass ein bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil nicht mit Gründen versehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen eines Zeitraums von fünf Monaten schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Diese Frist ist vorliegend gewahrt, wie auch die Beschwerde einräumt.
Rz. 9
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2001 – 4 B 31.01 – Buchholz 310 § 117 Nr. 47 und vom 3. Mai 2004 – 7 B 60.04 – juris Rn. 5, jeweils m.w.N.) kann auch bei Einhaltung der Fünf-Monats-Frist ein kausaler Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass infolge der verzögerten Abfassung der Urteilsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses und der für die Entscheidungsfindung leitenden Erwägungen nicht mehr gewährleistet ist. Solche fallbezogenen Anhaltspunkte zeigt die Beschwerde nicht auf. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind am 8. Juni 2015 und damit rund zweieinhalb Monate nach der Verkündung des Urteils der Geschäftsstelle übergeben worden. Ein Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO liegt damit von vornherein fern. Die Vorschrift dient der Antragstellerin, wie ihre weiteren Ausführungen zeigen, allein als Anknüpfung für eine materielle Kritik am vorinstanzlichen Urteil im Stile einer Berufungsbegründung. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Dies gilt auch für die nach Einschätzung der Beschwerde „äußerst schlanke Begründung” des Verwaltungsgerichtshofs zur Feststellung einer schützenswerten Siedlungsstruktur.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Külpmann
Fundstellen