Entscheidungsstichwort (Thema)
Planfeststellung. Eisenbahn-Neubaustrecke Köln-Rhein/Main. Verkehrslärm. Lärmschutz. Gebietsqualifizierung. verfestigte Planungsabsichten. konkurrierende Planungsträger;. Gebot der Rücksichtnahme. Problemtransfer. Schienenbonus. Zumutbarkeit von Immissionen. Luftschall. Körperschall. Erschütterungen. technische Regelwerke. DIN 4150-2. VDI 2058 Blatt 1
Leitsatz (amtlich)
1. Mit der Regelung des § 2 der 16. BImSchV hat der Verordnungsgeber einen Problemtransfer auf konkurrierende Planungsträger nicht zulassen wollen. Einer durch Planauslegung bereits verfestigten Planungsabsicht der eisenbahnrechtlichen Fachplanung kann deswegen nicht durch einen Bebauungsplan entgegengewirkt werden, der in diesem Bereich die bauliche Gebietsqualifizierung zum Nachteil des Vorhabenträgers ändert, ohne Schutzvorkehrungen festzusetzen (im Anschluss an BVerwGE 77, 285 ≪292 f.≫).
2. Das in Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV für die Berechnung der Beurteilungspegel bei Schienenwegen festgelegte Verfahren stellt allein auf den Luftschall ab. Hinsichtlich der durch Körperschall übertragenen Immissionen findet die Regelung des § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG Anwendung.
Normenkette
VwGO § 132 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 133 Abs. 3 S. 3, Abs. 5 S. 2, § 137 Abs. 2; VwVfG § 74 Abs. 2 Sätze 2-3; BImSchG § 41; 16. BImSchV §§ 2, 3 S. 2, § 3 Anlage 2
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 20 D 74/98.AK) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ebenso wenig kann die Beschwerde mit den von ihr erhobenen Verfahrensrügen durchdringen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Beschwerde greift zunächst die Aussagen an, mit denen die Vorinstanz dem Klagebegehren auf verbesserten aktiven Schallschutz (Klageantrag zu 1.) entgegengetreten ist.
a) In diesem Zusammenhang wirft die Beschwerde sinngemäß die Frage auf,
ob § 2 Abs. 2 Satz 1 der 16. BImSchV dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine zu Gunsten der Anlieger des Verkehrsweges erfolgte Änderung eines Bebauungsplans unberücksichtigt bleibt, wenn sich zu diesem Zeitpunkt bereits die konkurrierende Fachplanung für den Verkehrsweg verfestigt hatte.
Diese Frage hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig, weil das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall – entgegen dem Grundsatz, dass bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses auf den Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen sei – maßgeblich auf den Zeitpunkt der Auslegung der Planunterlagen abgestellt habe (UA S. 15). Zur Rechtfertigung dieser Vorgehensweise habe sich das Oberverwaltungsgericht zwar auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 33 – 35.83 – (BVerwGE 77, 285 ≪292 f.≫) berufen (UA S. 14). Diese Entscheidung sei jedoch noch vor In-Kraft-Treten der Verkehrslärmschutzverordnung ergangen und sei davon beeinflusst, dass damals normativ verbindliche Grenzwerte für die Beurteilung von Verkehrslärm fehlten. Auch das angefochtene Urteil räume ein, dass die dort vertretene Auslegung nicht zwingend aus § 2 Abs. 2 der 16. BImSchV folge.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens um zu klären, dass die vom 4. Senat in seinem Urteil vom 22. Mai 1987 aufgestellten Rechtssätze nach In-Kraft-Treten der Verkehrslärmschutzverordnung weiterhin Geltung beanspruchen. Es trifft zwar zu, dass § 2 der 16. BImSchV das Maß an Lärmschutz, das der Planungsträger zu gewährleisten hat, grundsätzlich danach bestimmt, welche bauliche Gebietsqualifizierung dem lärmbetroffenen Bereich im Zeitpunkt der Planfeststellung zukommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 A 11.95 – Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 14). Dies ändert aber nichts daran, dass eine kommunale Bauleitplanung auf hinreichend konkretisierte und verfestigte Planungsabsichten der konkurrierenden Fachplanung Rücksicht nehmen muss, auch wenn diese noch nicht rechtsverbindlich sind (vgl. zum umgekehrten Fall BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1989 – BVerwG 4 B 224.89 – Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 5). Im Hinblick auf § 50 BImSchG war die Entscheidung der Gemeinde, die Wohnbebauung eines allgemeinen Wohngebietes (vgl. § 4 BauNVO) ohne Schutzabstand an einen vorhandenen Schienenweg angrenzen zu lassen, von vornherein problematisch; denn der Bebauungsplan ließ das sich damit verschärfende Lärmproblem unbewältigt, wenn er nicht zumindest Schutzvorkehrungen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB) festsetzte. Ob der Bebauungsplan deswegen nichtig ist, konnte das Oberverwaltungsgericht aber offen lassen(UA S. 13). In jedem Fall verstieß der Bebauungsplan nämlich gegen das genannte Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, nachdem für die Gemeinde durch die Planauslegung im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren die hinreichende Verfestigung konkreter Planungsabsichten der Beigeladenen erkennbar geworden war. Denn ein Einverständnis der Beigeladenen mit einem durch den Bauleitplan bewirkten Problemtransfer lag ersichtlich nicht vor. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Verordnungsgeber mit der Regelung des § 2 der 16. BImSchV einen Problemtransfer auf konkurrierende Planungsträger zulassen wollte. In der amtlichen Begründung zu der genannten Regelung (BRDrucks 661/89, S. 34) hat der Verordnungsgeber zudem speziell auf das Urteil des 4. Senats vom 22. Mai 1987 verwiesen. Unter diesen Gegebenheiten spricht nichts dafür, dass der Verordnungsgeber die diesem Urteil zu entnehmenden Aussagen zur Schutzbedürftigkeit der Lärmbetroffenen – soweit es das Problem der konkurrierenden Planungen angeht – hätte korrigieren wollen. Aus der Sicht des Verordnungsgebers war dieses Problem vielmehr durch diese Rechtsprechung geklärt, so dass sich insoweit kein Regelungsbedarf ergab.
b) Die Beschwerde hält verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Schienenbonus (Korrekturfaktor S der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV) für klärungsbedürftig. Sie rügt insoweit zugleich, das Oberverwaltungsgericht habe ihren diesbezüglichen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, jedenfalls aber nicht in Erwägung gezogen, worin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liege.
aa) Der gerügte Verfahrensverstoß liegt nicht vor. Der Vortrag des Klägers zum Schienenbonus beschränkte sich auf eine kritische Würdigung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wobei insbesondere die begrenzte Aussagefähigkeit der empirischen Grundlagen hervorgehoben wurde, die der Verordnungsgeber bei seiner Regelung habe berücksichtigen müssen (Klagebegründung vom 20. Juli 1998, S. 14 – 19). Das Oberverwaltungsgericht hat dem entgegengehalten, „weitergehende Erkenntnisse”, die diesbezüglich auf einen Fortschritt in der Lärmwirkungsforschung hindeuten würden, seien ihm nicht bekannt geworden (UA S. 17). Dies reicht aus, um die Gründe nachvollziehbar zu machen, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist damit genügt.
Die Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist von dem materiellrechtlichen Standpunkt des Tatsachengerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt bedenklich sein sollte (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1, S. 1). Das Oberverwaltungsgericht hat hier angenommen, dass allenfalls relevante Erkenntnisfortschritte die Gültigkeit der vom Verordnungsgeber getroffenen Regelung in Frage stellen können. Von diesem materiellrechtlichen Ansatz aus musste sich eine weitere Sachaufklärung, wie sie vom Kläger offenbar erwartet worden ist, der Vorinstanz ebenso wenig aufdrängen wie eine erneute Diskussion der Erkenntnisgrundlagen, die vom Bundesverwaltungsgericht bei seiner Überprüfung des Schienenbonus bereits ausgewertet worden sind (vgl. Urteil vom 5. März 1997 – BVerwG 11 A 25.95 – BVerwGE 104, 123 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 25; Urteil vom 18. März 1998 – BVerwG 11 A 55.96 – BVerwGE 106, 241 = Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 8; Urteil vom 18. März 1998 – BVerwG 11 A 55.96 – Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 8).
bb) Auch eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt insofern nicht in Betracht.
aaa) Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf,
ob der Schienenbonus auch dann anzuwenden ist, wenn seine Inanspruchnahme zu einer Belastung führt, welche die Schwelle der Gesundheitsgefährdung erreicht oder übersteigt.
Diese Frage kann einen Zulassungsgrund i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon deswegen nicht abgeben, weil die Tatsacheninstanz eine Gesundheitsgefährdung des Klägers nicht festgestellt hat. Fehlen Tatsachenfeststellungen, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würden, und besteht lediglich die Möglichkeit, dass sie nach Zurückverweisung der Sache erheblich sein würden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zugelassen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 1996 – BVerwG 9 B 387.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12). Das gilt zumindest dann, wenn die weitere Sachaufklärung nicht fehlerhaft aus Gründen der materiellen Rechtsansicht von der Tatsacheninstanz abgelehnt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 14, S. 20). Gegenteiliges ist von der Beschwerde nicht dargelegt worden.
bbb) Wenn im vorliegenden Fall demnach nicht von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen ist, würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren auch nicht die zusätzlich von der Beschwerde aufgeworfene Frage stellen,
ob bei der Anwendung des Schienenbonus dann verfassungsrechtliche Grenzen aus Art. 1 Abs. 1, Art. 14 GG bestehen, wenn die Exposition des Immissionspunktes erkennbar unter Extrembedingungen erfolgt, die bei den der Einführung des Schienenbonus zu Grunde liegenden Untersuchungen nicht einmal ansatzweise berücksichtigt werden konnten.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf eine in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses des Klägers befindliche Signalanlage hinweist, wird damit kein Gesichtspunkt aufgezeigt, der die Vereinbarkeit des Schienenbonus mit den genannten Grundrechtsartikeln in Frage stellen könnte. Die durch Signalanlagen veränderte Lärmcharakteristik des Schienenverkehrs lässt die Verkehrslärmschutzverordnung unberücksichtigt. Dies wird dadurch kompensiert, dass nach der Tabelle B der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV in die Berechnung der Beurteilungspegel über den Korrekturfaktor D(l,v) Werte für die Zuggeschwindigkeiten in die Berechnung eingehen, die so hoch sind, dass im Allgemeinen auch das atypische Lärmgeschehen an Signalanlagen abgedeckt wird.
ccc) Als klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde ferner die Frage,
ob der Schienenbonus auch dann Anwendung finden kann, wenn hinsichtlich der Zugfrequenz die zeitliche Lärmbelastung einen Umfang erreicht, in dem es anders als in den dem Schienenbonus zu Grunde liegenden Untersuchungen praktisch keine nennenswerten Ruhezeiten mehr gibt.
Insofern muss sich die Beschwerde entgegenhalten lassen, dass die im Fall des Klägers errechnete Lärmbelastung nach den Feststellungen der Vorinstanz (UA S. 16), die für das Revisionsgericht bindend sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), noch deutlich unter dem Dauerschallpegel von über 70 dB(A) liegen, der vom Senat in seinem Urteil vom 18. März 1998 (a.a.O., S. 14) als eventuell kritisch bezeichnet worden ist. Allein mit dem Hinweis der Beschwerde auf eine – von der Beigeladenen angezweifelte – Zugfrequenz, die sich für die nächtliche Spitzenstunde ergeben soll, lässt sich unter diesen Umständen ein Klärungsbedarf nicht herleiten.
ddd) Die Beschwerde sieht in diesem Zusammenhang die Frage als klärungsbedürftig an,
ob der Schienenbonus auch dann Anwendung finden kann, wenn eine Immissionsbelastung nicht nur durch Luftschall, sondern im Hinblick auf die unmittelbare Nähe zwischen Schiene und Immissionspunkt in erheblichen Umfang auch durch Körperschall und Erschütterungen stattfindet.
Diese Frage gibt einen Zulassungsgrund i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht her, weil sie sich unmittelbar aus der Verkehrslärmschutzverordnung beantwortet. Das in Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV für die Berechnung der Beurteilungspegel bei Schienenwegen festgelegte Verfahren stellt allein auf den Luftschall ab. Durch Körperschall übertragene Immissionen werden nicht erfasst (so schon der als Vorläufer der Verkehrslärmschutzverordnung anzusehende Entwurf eines Verkehrslärmschutzgesetzes, BTDrucks 8/1671, S. 23). Dementsprechend ist der Schienenbonus bei Ermittlung des Schienenverkehrslärms unabhängig davon anzusetzen, ob durch die Zugvorbeifahrten gleichzeitig Erschütterungen und als Folge davon Körperschall ausgelöst werden. Erschütterungen einschließlich des daraus resultierenden Körperschalls unterfallen im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren der Regelung des § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 – BVerwG 11 B 100.95 – NVwZ-RR 1997, 336 ≪338≫). Dass der damit den Planbetroffenen gewährte Immissionsschutz eine Lücke aufweist, die den Verordnungsgeber beim Zusammentreffen von Schienenverkehrslärm und Erschütterungen hätte veranlassen müssen, den Anwendungsbereich des Schienenbonus einzuschränken, legt die Beschwerde nicht einmal ansatzweise dar.
eee) Die Beschwerde hält sinngemäß die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
ob die Bedenken, die gegen die Anwendung des Schienenbonus bestünden, in die Abwägung zwischen aktivem und passivem Lärmschutz eingestellt werden müssen.
Mit dieser Frage kann die Revision schon deswegen nicht zugelassen werden, weil die von der Beschwerde gegen den Schienenbonus erhobenen Bedenken, wenn sie nicht geeignet sind, den normativen Geltungsanspruch des Korrekturfaktor S der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV zu widerlegen, auch keinen Gesichtspunkt abgeben, aus dessen Nichtbeachtung ein i.S. von § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erheblicher Abwägungsfehler resultieren könnte. Zumindest reicht es nicht aus, wenn die Beschwerde – ohne nähere Darlegung – Gegenteiliges behauptet.
c) Schließlich wirft die Beschwerde sinngemäß die Frage auf,
ob die Abwägungsentscheidung zur Gewährung aktiven Lärmschutzes sich in einem anderen Lichte darstellen würde, falls die dem Beklagten in dem angefochtenen Urteil auferlegte Überprüfung ergibt, dass keine der Beigeladenen nach § 41 Abs. 2 BImSchG zumutbaren Maßnahmen zur Minderung von Körperschall zur Verfügung stehen.
Einer Zulassung der Revision mit dieser Fragestellung tritt die Beigeladene mit Recht zunächst unter Hinweis darauf entgegen, dass eine Erhöhung der Lärmschutzwand die Erschütterungen und damit auch den Körperschall nicht beeinflussen kann. Von dieser Sachlage dürfte zwar auch die Beschwerde ausgehen. Sie will aber anscheinend die Forderung erheben, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG medienübergreifend gehandhabt wird. Dafür findet sich im Gesetz allerdings keine Handhabe.
In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde einen Verfahrensmangel „im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Dreifachbelastung des Klägers durch Luftschall, Körperschall und Erschütterungen”. Diese Verfahrensrüge bleibt schon deswegen ohne Erfolg, weil sie den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht i.S. von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet.
2. Die Beschwerde greift zum anderen die Erwägungen an, mit denen die Vorinstanz die teilweise Klageabweisung hinsichtlich des Klagebegehrens auf verbesserten Erschütterungsschutz (Klageantrag zu 2.) gerechtfertigt hat. Auch der insoweit geltend gemachte Zulassungsgrund aus § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt jedoch nicht vor.
a) Keine grundsätzliche Bedeutung hat die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage,
ob für die Beurteilung der Erschütterungsimmissionen unter Berücksichtigung der DIN 4150-2 auf die mit der tatsächliche Bebauung nicht identischen Festsetzungen des Bebauungsplans abzustellen ist.
Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde vornehmlich gegen die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, eine eventuell abweichende Vorgabe der DIN 4150-2 sei unter Berücksichtigung normativer Entscheidungen etwa in § 2 Abs. 2 Satz 1 der 16. BImSchV nicht maßgeblich (UA S. 30). Gegen diese Aussage ist jedoch aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern. Die Beschwerde übersieht möglicherweise, dass die DIN 4150-2 als technisches Regelwerk keine Rechtsnorm ist. Deswegen ist für die gerichtliche Überprüfung der Zumutbarkeit von Erschütterungen die von der Beschwerde angeführte Erläuterung zur Tabelle 1, die sich mit der Gebietseinteilung unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit befasst, nicht bindend. Rechtlicher Maßstab für die Beurteilung von Erschütterungsimmissionen ist unmittelbar § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Unter Berücksichtigung des in der DIN 4150-2 zum Ausdruck kommenden naturwissenschaftlich-technischen Sachverstandes hat die Rechtsprechung Maßstäbe dazu entwickelt (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 – BVerwG 11 A 6.00 – Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 27 ff. = NVwZ-RR 2001, 653 ≪655≫), die u.a. besagen, dass auch speziell bei Erschütterungen eineplangegebene Vorbelastung grundsätzlich als zumutbar hingenommen werden muss und sich dementsprechend schutzmindernd bei der Anwendung der Anhaltswerte der Tabelle 1 auswirkt. Einen weitergehenden Klärungsbedarf hat die Beschwerde nicht aufgezeigt.
b) Auch die weitere Frage der Beschwerde,
ob die Differenzierung in der DIN 4150-2 nach verschiedenen Gebieten der BauNVO nicht der normativen Wertung des Verordnungsgebers in der 24. BImschV widerspricht,
verleiht der Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Insoweit macht der Senat von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO Gebrauch.
c) Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde ferner die Frage:
„Kann die DIN 4150, Teil 2, Stand: 1999 (Ziff. 6.5.2.5) … (noch) so verstanden werden, dass hierdurch der obere Anhaltswert der Tabelle 1 … bei von Schienenverkehrswegen ausgehenden Erschütterungen generell auf 0,6 angehoben wird?”
Hiermit wird eineRechtsfrage nicht aufgeworfen, sondern die tatrichterliche Würdigung des konkreten Sachverhalts angegriffen. Aus dieser Fragestellung kann sich deswegen kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben.
d) Entsprechendes gilt für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage:
„Ist bei der hier in Rede stehenden regelmäßigen Überschreitung des oberen Anhaltswertes … ohne weiteres davon auszugehen, dass bei diesen Immissionen eine Gesundheitsgefährdung nicht eintritt?”
Der Senat macht auch insoweit von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO Gebrauch.
e) Nicht klärungsbedürftig ist die weitere Frage der Beschwerde:
„Muss nicht das Gericht – anders als möglicherweise im Falle der Anwendung der Rechtsnormen der 16. BImSchV – die von der DIN 4150 Teil 2 vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Erschütterungsemissionen, die von Schienenverkehr und sonstigen Emittenten ausgehen, auf ihre Richtigkeit hin überprüfen?”
Die Beschwerde zeigt keine Aussage der Vorinstanz auf, die darauf hindeutet, dass diese nicht erkannt hat, welche Grundsätze die Gerichte zu beachten haben, wenn sie im Rahmen ihrer Sachverhaltswürdigung technische Regelwerke als Beurteilungsgrundlage heranziehen (vgl. dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 25. April 1997 – BVerwG 7 B 114.97 – Buchholz 406.25 § 22 BImSchG Nr. 16, S. 12).
f) Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde die Frage,
ob hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit von Körperschallimmissionen die Orientierungswerte der VDI 2058 Blatt 1 oder die Werte der VDI 2719 zu Grunde gelegt werden müssen.
Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde gegen die Aussage der Vorinstanz, die strengeren Innenwerte der VDI 2058 Blatt 1 seien mit Blick auf die unterschiedlichen Luftschallwerte, die für Arbeitslärm einerseits und Verkehrslärm andererseits als maßgeblich angesehen würden, im vorliegenden Fall nicht als maßgeblich anzusehen (UA S. 33). Die Beschwerde tritt dieser Argumentation entgegen und möchte wissen, anhand welches „Normwerkes” die Zumutbarkeit von Körperschallimmissionen richtigerweise zu beurteilen ist. Diese Frage könnte in dem angestrebten Revionsverfahren jedoch nicht geklärt werden. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es derzeitkein technisches Regelwerk gibt, das sich mit Körperschallimmissionen durch Schienenverkehr befasst (UA S. 32). Dies will die Beschwerde nicht in Abrede stellen, trotzdem aber die Nichtanwendung der Richtwerte der VDI 2058 Blatt 1 beanstanden. In der Nichtanwendung der dortigen Richtwerte könnte aber nur dann ein Rechtsverstoß gesehen werden, wenn sich das Oberverwaltungsgericht damit dem Vorwurf ausgesetzt hätte, den Sachverhalt unter Vernachlässigung des aktuell verfügbaren naturwissenschaftlich-technischen Sachverstands gewürdigt zu haben. Die Beschwerde legt zum einen nicht dar, warum dies der Fall sein könnte, obwohl die aus dem Jahre 1985 stammende VDI 2058 Blatt 1 vom VDI zwischenzeitlich im Hinblick auf die Novellierung der TA Lärm zurückgezogen worden ist (vgl. DIN-Mitteilungen 78.1999 Nr. 6, A 450 unter 17.140.20). Zum anderen hätte die Beschwerde dann, um eine revisionsgerichtliche Überprüfung ihrer Fragestellung zu ermöglichen, nicht eine Grundsatz-, sondern eine – ordnungsmäßige – Aufklärungsrüge erheben müssen.
g) Die vorstehenden Erwägungen muss sich die Beschwerde auch entgegenhalten lassen, wenn sie die Frage als klärungsbedürftig aufwirft:
„Ist es bezogen auf Körperschallimmissionen rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Planfeststellungsbehörde für die Beurteilung der Zumutbarkeit an der 24. BImSchV orientiert, obwohl die VDI 2058 die einzige Richtlinie ist, die sich ausdrücklich mit Körperschall befasst?”
Der Senat macht insoweit von § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO Gebrauch.
h) Schließlich wirft die Beschwerde die Frage auf:
„Muss nicht im Falle der grundsätzlichen Zulässigkeit der Heranziehung der 24. BImSchV … dann angestrebt werden, dass die dort genannten Werte bei einer Summierung der Körperschall- und Luftschallimmissionen eingehalten werden, weil anderenfalls derjenige, der ausschließlich Luftschall-immissionen ausgesetzt wird, weniger hinnehmen muss, als derjenige, der zusätzlich Körperschallimmissionen ausgesetzt wird?”
Diese Fragestellung gibt einen Zulassungsgrund i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht her, weil die Beschwerde sich nicht damit auseinander setzt, dass die Vorinstanz sich mit dem Problem des Zusammenwirkens von Luft- und Körperschall anhand des ihm vorliegenden Sachverständigengutachtens befasst hat und im Fall des Klägers zu dem Ergebnis gekommen ist, u.a. gerade deswegen werde der prognostizierte Körperschall die Zumutbarkeitsgrenze nachts überschreiten (UA S. 34). Dabei hat das Oberverwaltungsgericht erkannt, dass der von ihm für die Nachtzeit als Maßstab gewählte Wert von 27 dB(A) nur ein „Orientierungswert” sein kann, der bei der Beurteilung des Körperschalls „als Richtschnur” dienen soll (UA S. 33). Damit hat das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass es zur Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze mangels normativer Vorgaben vorrangig einer individuell-konkreten Abwägung bedarf. Falls die Fragestellung der Beschwerde auf die Forderung hinausläuft, auf dieses Vorgehen zu verzichten, legt sie nicht dar, wie ihre Position mit der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 25. April 1997, a.a.O.) zu vereinbaren wäre.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
Haufe-Index 660226 |
NVwZ-RR 2002, 178 |
NuR 2002, 352 |
ZUR 2002, 300 |
DVBl. 2002, 276 |
UPR 2002, 75 |