Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 31.08.2004; Aktenzeichen 11 K 2152/98) |
Tenor
Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt, soweit die Beigeladene zu 19 ihre Beschwerde zurückgenommen hat.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. August 2004 wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger als Gesamtschuldner fünf Sechstel, die Beigeladene zu 19 ein Sechstel. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 51 129,19 € festgesetzt.
Gründe
1. Die Beigeladene zu 19 hat ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit Schriftsatz vom 10. Februar 2005 zurückgenommen. Das Beschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
2. Die Beschwerde der Kläger bleibt ohne Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.
2.1 Der Sache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
ob die Rechtsprechung zur machtmissbräuchlichen Bestellung eines Abwesenheitspflegers im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG auch auf die Fälle der Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1960 BGB anwendbar ist.
Die Kläger meinen, der Nachlasspfleger habe wesentlich weitergehende Befugnisse und sei schon deshalb mit dem Abwesenheitspfleger nicht zu vergleichen. Zudem beruhe die Nachlasspflegschaft auf einem unabhängig von politischen Verhältnissen eintretenden Bedarf zur Verwaltung von Vermögenswerten und habe deshalb ihre Ursache nicht in der Teilung Deutschlands. Ihr fehle das von der Rechtsprechung herausgearbeitete Wesensmerkmal der teilungsbedingten künstlichen Abwesenheit des Eigentümers.
Die aufgeworfene Frage ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres zu bejahen. Die Bestellung eines Abwesenheitspflegers durch das Staatliche Notariat gemäß § 105 Abs. 1 DDR-FGB stellt sich in der Regel als eine unlautere Machenschaft in Form des Machtmissbrauchs dar, wenn sie allein dazu diente, ein Grundstück an eine Privatperson zu einem privaten Nutzungszweck zu verkaufen. In diesen Fällen fehlt es regelmäßig an dem für die Berufung des Pflegers notwendigen Fürsorgebedürfnis. Ein Interesse des Abwesenden scheidet aus, wenn die Pflegschaft ausschließlich der Veräußerung eines ihm gehörenden Vermögenswertes dienen soll und für eine dahingehende Willensrichtung nicht erkennbar ist. Zwar umfasst § 105 Abs. 1 DDR-FGB daneben auch ein gesellschaftliches Fürsorgebedürfnis, das die Einrichtung der Abwesenheitspflegschaft rechtfertigen kann. Bezweckt das Rechtsgeschäft jedoch ausschließlich die Befriedigung eines privaten Erwerbsinteresses, kommt auch ein solches von der Person des Abwesenden losgelöstes Fürsorgebedürfnis von vornherein nicht in Betracht (Urteile vom 16. Juli 1998 – BVerwG 7 C 24.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 157; vom 29. Januar 1998 – BVerwG 7 C 60.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 136 und vom 29. Januar 1998 – BVerwG 7 C 18.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 137).
Für die Nachlasspflegschaft des § 1960 BGB kann nichts anderes gelten. Kennt die Abwesenheitspflegschaft des § 105 Abs. 1 FGB-DDR noch ein gesellschaftliches Fürsorgebedürfnis, so dient die Nachlasspflegschaft ausschließlich den Interessen des Erben an der Erhaltung des Nachlasswertes (vgl. Leiphold, in: Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Auflage, München 2004, § 1960 Rn. 17 ff.). Soweit die Bestellung allein der Befriedigung eines privaten Erwerbsinteresses dient, missachtet sie deshalb den gesetzlichen Fürsorgeauftrag und stellt sich als missbräuchlich dar. Dass die deutsche Teilung auch für die Rechtspraxis bei Nachlasspflegschaften Bedeutung hatte und der Aufenthalt potentieller Erben in Westdeutschland zu ihrer Benachteiligung führen konnte, erweist schon der Rechtserwerb der Kläger selbst. Ließ sich mit dem Aufenthalt in Westdeutschland bei der Anwendung des § 105 FGB-ZGB durch die Behörden die Abwesenheit des Eigentümers konstruieren, war es im Rahmen des § 1960 BGB die Unbekanntheit des Erben.
Entgegen der Auffassung der Kläger bedurfte es in diesem Zusammenhang keines Eingehens auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Befugnissen des Nachlasspflegers. Denn diese weisen keine Besonderheiten auf. Nachlass- wie auch Abwesenheitspfleger kommen – vorbehaltlich einer Genehmigungsbedürftigkeit durch das Nachlass- bzw. Vormundschaftsgericht – umfassende Verfügungsbefugnisse zu, die für den Abwesenheitspfleger aus seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter des Pflegebedürftigen folgen (vgl. § 105 Abs. 3 FGB-DDR). Das Verwaltungsgericht hat daher im angefochtenen Urteil keine gewichtigen Unterschiede verkannt. Zudem wird die Einordnung einer Nachlasspflegerbestellung als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG nicht vom Umfang der verliehenen Befugnisse gesteuert, sondern davon, welchen Zwecken die Bestellung diente. Stand die Bestellung im Widerspruch zu den beachtlichen Interessen des Erben und diente sie allein der Befriedigung privater Erwerbsinteressen, liegt eine Schädigung vor. Soweit die Beschwerde eine Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verlangt, wie etwa der getätigten Investitionen auf dem Grundstück, greift sie die Subsumtion des Verwaltungsgerichts im konkreten Fall an und umschreibt keine der Revision zugängliche, abstrakte Rechtsfrage.
2.2 Auch der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet aus. Die Divergenzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt die Herausarbeitung eines abstrakten Rechtssatzes voraus, der die angefochtene Entscheidung trägt und einem solchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Einen solchen abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam benennt die Beschwerde nicht. Eine Abweichung des Verwaltungsgerichts von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 1998 und 2. April 1993 wird lediglich unsubstantiiert behauptet. Soweit sie sich mit Fragen der Redlichkeit von Funktionsträgern auseinander setzt, greift sie das Ergebnis der gerichtlichen Wertung an, nicht jedoch die ihr zu Grunde liegenden abstrakten Rechtssätze.
2.3 Ohne Erfolg berufen sich die Kläger schließlich auf etwaige Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
a) Soweit die Beschwerde eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend macht, fehlt es schon an einer prozessordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Aufklärungsrüge erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher Tatsachen unter Beachtung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts Beweise angetreten worden sind, oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel zur Verfügung standen, zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich geführt hätte und inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und inwiefern das Ergebnis zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Es wird nicht dargelegt, welche konkreten Beweismittel das Gericht hätte ausschöpfen müssen und welche Tatsachen voraussichtlich Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wären.
Eine weitere Aufklärung hat sich dem Gericht auch nicht von Amts wegen aufdrängen müssen. Für die Einbringung der landwirtschaftlichen Flächen in die GPG gilt dies schon deshalb, weil die Beteiligten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übereinstimmend hiervon ausgingen. Die Kläger selbst trugen noch in ihrer Klagebegründung vom 19. Mai 1998 vor, dass der Grundbesitz in die GPG eingebracht worden sei (S. 6 des Schriftsatzes). Hinsichtlich der konkreten Nutzungsform der im Grundbuch als Gartenland bezeichneten Flächen kam eine Beweiserhebung nicht in Betracht. Denn geeignete Beweismittel sind den Akten nicht zu entnehmen und folglich dem Gericht unbekannt geblieben.
b) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde auch den behaupteten Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen die Grundsätze der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie wendet sich im Grunde nur gegen die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Allein die Kritik an der tatsächlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung bezeichnet keinen Verfahrensmangel. Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden.
Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung, die ausnahmsweise als Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz einen Verfahrensmangel bezeichnen könnte, liegt ersichtlich nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat. Ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln. Davon kann hier keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen plausibel begründet, weshalb nach seiner materiellrechtlichen Auffassung sowohl der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG vorliegt, wie auch die Annahme eines redlichen Erwerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 VermG ausscheidet.
Die Beschwerde bezeichnet auch keine entscheidungserheblichen Tatsachen, die das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung völlig unberücksichtigt gelassen hat, obwohl diese ihm bekannt waren und ihnen für die Entscheidung Bedeutung zukam. Insbesondere hat sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit dem Schicksal des Grundstücks in der Zeit von 1953 bis zur Veräußerung beschäftigt und die aus seiner Sicht maßgeblichen Umstände schon im Tatbestand des angefochtenen Urteils dokumentiert.
Schließlich scheidet der behauptete Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz durch eine aktenwidrige Heranziehung von Tatsachen aus. Die Beschwerde behauptet sinngemäß eine Aktenwidrigkeit für die vom Verwaltungsgericht angenommene Tatsache, dass der Klägerin zu 1 und ihrem verstorbenen Ehemann beim Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks der Inventarbeitrag ausgezahlt worden sei. Hierzu verweist die Beschwerde auf einen in den Verwaltungsakten befindlichen Vermerk, der zwar in der Tat keinen Hinweis auf den Inventarbeitrag enthält. Er stammt allerdings auch nicht von der Sachbearbeiterin P…, auf die das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, sondern von dem zuständigen Sachgebietsleiters W…. Der handschriftliche Vermerk der Sachbearbeiterin P… über das Gespräch vom 28. Februar 1995 findet sich auf den Blättern 120a f. der Beiakte II und enthält folgende Ausführung: “eingebr. Inventarbeitrag wurde bei Kauf des Grundst. an Fam. F… ausgezahlt”. Von einer Aktenwidrigkeit der angenommenen Tatsache kann mithin keine Rede sein.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. Hauser
Fundstellen