Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 10.08.2005; Aktenzeichen 2 A 109/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3 bis 6, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 184 065 € festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Keiner der geltend gemachten Verstöße gegen Denkgesetze liegt als Verfahrensfehler vor.
Ein Verstoß gegen die Denkgesetze kann im Einzelfall das Revisionsverfahren nur eröffnen, wenn er sich auf die Würdigung tatsächlicher Umstände durch das Tatsachengericht bezieht und nicht dessen rechtliche Subsumtion betrifft. Ferner hat das Tatsachengericht nicht schon dann gegen Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; vgl. Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 29.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen haben die Beschwerdeführer keinen beachtlichen Verstoß gegen Denkgesetze dargelegt.
Mit der Rüge, dass § 1 Abs. 2 Verwalterverordnung willkürlich ausgelegt worden sei, wird die Unterordnung des konkreten Sachverhalts unter den Tatbestand einer abstrakten Norm der DDR angegriffen, was einen materiellrechtlichen Angriff darstellt. Auch wenn es sich bei der Anwendung einer Vorschrift der DDR, worauf die Beigeladenen zu 1 und 2 zu Recht hinweisen, um eine Tatsachenfeststellung handelt, kommen hier nicht die Grundsätze zur Anwendung, nach denen ein Verstoß der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze ausnahmsweise einen Verfahrensmangel begründet. Nach der Rechtsprechung sind dies Fälle, in denen sich die Würdigung auf den tatsächlichen Bereich beschränkt, wie es etwa bei einem Indizienbeweis der Fall ist (Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 75 f., Beschluss vom 3. April 1996 – BVerwG 4 B 253.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28). Hierunter fällt die Subsumtion unter eine Vorschrift der DDR nicht. Das Verwaltungsgericht hat der benannten Vorschrift auch keinen falschen Wortlaut beigefügt, sondern – wie sich aus S. 23 der Urteilsabschrift ergibt – den maßgeblichen Text wiedergegeben und auf den beiden folgenden Seiten die für seine Auslegung herangezogenen Worte erkennbar nur in einer bereits eine Interpretation darstellenden Zusammenfassung verwandt.
Der Vorwurf der Beschwerdeführer, dass das Verwaltungsgericht einen bestehenden Instandsetzungsbedarf nicht als Überschuldungsgrund angesehen habe, betrifft nicht die zur Subsumtion herangezogene Tatsachenermittlung, sondern die Würdigung des Tatbestandsmerkmals “zu befriedigende Forderungen” in § 1 Abs. 2 Verwalterverordnung.
Ebenso wenig haben die Verfahrensrügen der Beigeladenen zu 1 und 2 Erfolg, mit denen sie die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts angreifen, dass sie das Nutzungsrecht unredlich erworben hätten. Diese Annahme ist auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt. Die Revision kann insofern nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (Beschluss vom 9. Dezember 1994 – BVerwG 11 PKH 28.94 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Dies ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat den Erwerb der Beigeladenen zu 1 und 2 zum einen deshalb als unredlich angesehen, weil diese gezielt darauf hingewirkt hätten, dass der Staat seine Machtmittel dazu eingesetzt habe, um ihnen den Erwerb des Gebäudes und des Nutzungsrechts an dem Grundstück zu ermöglichen. Insoweit ist kein Revisionszulassungsgrund gegeben. Eine Grundsatz- oder Divergenzrüge ist nicht erhoben worden. Auch der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Unredlichkeit darauf gestützt, dass der Beitrag der Beigeladenen zu 1 und 2 über die bloße Stellung eines Antrags hinausgegangen sei und sich aus den in den Akten enthaltenen Vermerken aus dem Jahr 1983 ergebe, dass das Verfahren vom Verkauf des Verwalters bis hin zum Kauf durch die Beigeladenen zu 1 und 2 ausschließlich den Erwerb durch diese bezweckt habe. Dies werde u.a. dadurch bestätigt, dass das Wertgutachten auch nur für die Gebäudehälfte der Beigeladenen zu 1 und 2 erstellt worden sei. Die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf eine Unredlichkeit der Beigeladenen zu 1 und 2 verstößt nicht gegen Denkgesetze. Hierfür kommt es, wie dargelegt, nicht darauf an, ob die Beweiswürdigung überzeugend ist. Eine aus Gründen der Logik schlechthin unmögliche Schlussfolgerung hat das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht gezogen. Da hinsichtlich dieser selbständig tragenden Begründung kein Verfahrensfehler gegeben ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 auf Grund der familiären Situation die fehlende Voraussetzung für einen Verkauf des Grundstücks durch den staatlichen Verwalter gekannt und deshalb unredlich gehandelt hätten, auf einem Verfahrensfehler – etwa der irrigen Annahme eines Erfahrungssatzes – beruht.
Nicht nachvollziehbar ist die Beschwerdebegründung, soweit mit ihr der Zusammenhang des Verkaufs der Grundstücke in das Eigentum des Volkes und der nachfolgende Verkauf des aufstehenden Gebäudes mit gleichzeitiger Verleihung des Nutzungsrechts an dem Grundstück geleugnet wird. Der Tatbestand des Urteils weist diesen Zusammenhang als feststehenden Sachverhalt aus; seine Berichtigung ist nicht erfolgt.
2. Die Rüge nicht erschöpfender Amtsermittlung ist unbegründet. Für das Verwaltungsgericht bestand kein Anlass festzustellen, wie von der Verwaltungspraxis der DDR § 1 Abs. 2 Verwalterverordnung angewandt wurde. Nach der dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegenden materiellrechtlichen Sicht, die den Umfang der gebotenen Sachverhaltsaufklärung bestimmt, kam es der Vorinstanz für die Feststellung der Unredlichkeit auf die Auslegung der Rechtsvorschrift, nicht auf eine möglicherweise davon abweichende Verwaltungspraxis an.
3. Das Verwaltungsgericht hat den Beschwerdeführern auch gebotenes rechtliches Gehör nicht versagt. Entscheidungserheblichen Vortrag hat es nicht übergangen.
Soweit es im Urteil auf Seite 30 angeführt hat, dass der Beigeladene zu 2 “neben seinem Antrag an das VEG auch einen bei dem Rat der Gemeinde W… gestellt” hatte, mag darin zwar eine gewisse Ungenauigkeit liegen. Nach seiner Begründung in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2000 hat der Beigeladene zu 2 von einer Durchschrift des Kaufantrags gesprochen, die er dem Rat der Gemeinde zugesandt habe. Dem Verwaltungsgericht kam es jedoch nur darauf an darzulegen, dass sich der Beigeladene zu 2 auch “an den Rat der Gemeinde W… gewandt ≪habe≫, um einen Eigentumserwerb zu erreichen” (UA S. 30). Die gewisse Ungenauigkeit bei der Angabe der Mittel, derer sich der Beigeladene zu 2 zur Erreichung dieses Zwecks bedient hatte, ist nicht erheblich.
Revisionseröffnend ist schließlich nicht der Vorhalt gegenüber dem Verwaltungsgericht, es habe den Vortrag übergangen, dass der Vorschlag zum Kauf vom VEG gekommen sei. Nicht jedes Vorbringen muss das Tatsachengericht ausdrücklich in seiner Entscheidungsbegründung abhandeln. Nur wenn es entscheidungserheblich sein könnte, kann eine Darlegungspflicht in Betracht kommen. Selbst wenn also die Anregung, sich um einen Ankauf zu bemühen, von dem VEG ausgegangen war, bleibt davon doch die Erkenntnis des Verwaltungsgerichts unberührt, dass den Beschwerdeführern die Rechtswidrigkeit des Verkaufs der Grundstücke in das Eigentum des Volkes bewusst war. Gleiches gilt für die weitere tragende Feststellung, dass sie auf die Manipulation hingewirkt hätten. In beidem hat die Vorinstanz die Unredlichkeit ihres Erwerbs gesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 GKG und entspricht – dem Streitstand entsprechend – der Hälfte der Wertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Postier
Fundstellen