Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Beschluss vom 29.11.2022; Aktenzeichen 19 PS 2/22) |
VG Hannover (Beschluss vom 05.10.2022; Aktenzeichen 10 A 305/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Fachsenats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. November 2022 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 29. April 2022 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf folgende geschwärzte Inhalte der zur Klägerin geführten Sachakte bezieht:
- Blatt 37: Schwärzungen zwischen "Als Gast konnten wir den" und "17.00 Uhr"
- Blatt 38: geschwärzte Zeile unter "Schlusswort" und die geschwärzten zwei Zeilen unter "Wahlkreisbüro"
- Blatt 39: Schwärzungen zwischen "Als Gast konnten wir den" und "Die Regionalkonferenz wird geleitet"
- Blatt 43: Schwärzungen zwischen dem Namen der Klägerin und "führt sicherlich"
- Blatt 44: Schwärzungen außer der Fußzeile
- Blatt 84: Schwärzungen in der mit "An" beginnenden Zeile
- Blatt 87: alle Schwärzungen
- Blatt 92: alle Schwärzungen
- Blatt 95: alle Schwärzungen
- Blatt 98: alle Schwärzungen
- Blatt 101: alle Schwärzungen
- Blatt 106: alle Schwärzungen
- Blatt 111: alle Schwärzungen
- Blatt 114: alle Schwärzungen
- Blatt 117: alle Schwärzungen
- Blatt 120: alle Schwärzungen
- Blatt 123: alle Schwärzungen
- Blatt 192: geschwärzter Betreff
- Blatt 196: Schwärzungen hinter "Mit freundlichen Grüßen"
- Blatt 217: alle Schwärzungen im Text des Schreibens
- Blatt 218: Schwärzungen hinter "September 2011"
- Blatt 219: alle Schwärzungen unter "September 2010"
- Blatt 220: Schwärzungen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 222: alle Schwärzungen hinter "sprach"
- Blatt 247: Schwärzung in Zeile 5
- Blatt 251: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 252: Schwärzungen in den Zeilen 3, 40, 41 und 50
- Blatt 253: Schwärzungen in der Tabelle
- Blatt 258: Schwärzung in Zeile 2
- Blatt 259: Schwärzung hinter "Antragsteller"
- Blatt 260: Schwärzungen in den Zeilen 4 und 5
- Blatt 261: Schwärzungen in der Zeile 2
- Blatt 268: Schwärzungen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 269: Schwärzungen in Zeile 5
- Blatt 273: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 274: Schwärzungen in den Zeilen 3, 40, 41 und 50
- Blatt 275: Schwärzungen in der Tabelle
- Blatt 280: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 281: Schwärzung hinter "Antragsteller"
- Blatt 282: Schwärzungen in den Zeilen 4 und 5
- Blatt 283: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 284: Schwärzungen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 285: Schwärzungen in Zeile 5
- Blatt 289: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 290: Schwärzungen in den Zeilen 3, 40, 41 und 50
- Blatt 291: Schwärzungen in der Tabelle
- Blatt 296: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 297: Schwärzungen hinter "Antragsteller"
- Blatt 298: Schwärzungen in den Zeilen 4 und 5
- Blatt 299: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 300: Schwärzungen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 301: Schwärzungen in Zeile 5
- Blatt 305: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 306: Schwärzungen in den Zeilen 3, 40, 41 und 50
- Blatt 307: Schwärzungen in der Tabelle
- Blatt 312: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 313: Schwärzungen hinter "Antragsteller"
- Blatt 314: Schwärzungen in den Zeilen 4 und 5
- Blatt 315: Schwärzungen in Zeile 2
- Blatt 355: alle geschwärzten Namen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 356: alle geschwärzten Namen unter "O..."
- Blatt 357: Schwärzungen hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 358 bis 363 und 365 bis 367: geschwärzte Informationen hinter "Antragsteller" und "Antragstellerin"
- Blatt 381: Schwärzungen zwischen "Rede von" und "Kreisvorsitzende" und hinter dem Namen der Klägerin
- Blatt 383: alle Schwärzungen mit Ausnahme derjenigen über der Absender-Email-Adresse und der letzten Zeile
- Blatt 384: Schwärzungen zwischen dem Namen der Klägerin und "Kreisvorsitzende" und Schwärzung vor "pdf"
- Blatt 385: alle Schwärzungen unter "Genossen"
- Blatt 386: Schwärzungen zwischen dem Namen der Klägerin und "Kreisvorsitzende"
- Blatt 388: Schwärzungen zwischen "To" und "Liebe Genossinnen" und zwischen dem Namen der Klägerin und "Kreisvorsitzende"
- Blatt 390 bis 395: alle Schwärzungen, die schwarz getippten Text betreffen
- Blatt 398 bis 404: alle Schwärzungen, die schwarz getippten Text betreffen
- Blatt 406: alle Schwärzungen zwischen der E-Mail-Adresse der Klägerin und "Dateianhänge zur E-Mail"
- Blatt 466: Schwärzungen zwischen dem Namen der Klägerin und "Kreisvorsitzende"
- Blatt 468: Schwärzungen ab Zeile 6
- Blatt 469: Schwärzungen in Zeile 197
- Blatt 470: Schwärzungen in den Zeilen 582 und 601
- Blatt 471: Schwärzungen ab Zeile 411
- Blatt 520: Schwärzung der Empfängeradresse (zweite Zeile)
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin zu einem Fünftel und der Beklagte zu vier Fünftel.
Gründe
I
Rz. 1
Die Klägerin begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, den Beklagten zu verpflichten, ihr gemäß § 30 Abs. 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes weitere Auskunft über die zu ihr gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.
Rz. 2
Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 29. April 2022 verweigert.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 1. September 2022 hat die Kammer des Verwaltungsgerichts beschlossen, über den Inhalt der über die Klägerin erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten Beweis zu erheben durch Einsichtnahme in die vollständigen Vorgänge des Beklagten, die solche Daten enthalten. Dies lehnte der Beklagte unter Verweis auf die Sperrerklärung ab.
Rz. 4
Auf Antrag der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Sache mit Beschluss vom 5. Oktober 2022 an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben. Mit Beschluss vom 29. November 2022 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung des Beklagten rechtswidrig ist, soweit sie sich auf neun einzeln bezeichnete Blätter der Sachakte bezieht, und im Übrigen die Sperrerklärung für rechtmäßig erklärt.
Rz. 5
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
Rz. 6
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts ist die Sperrerklärung des Beklagten vom 29. April 2022 auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Tenor angeführten Daten von Personen bezieht.
Rz. 7
1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO) unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.
Rz. 8
Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).
Rz. 9
Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass diese Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 15). An der Schutzwürdigkeit personenbezogener Angaben kann es fehlen, etwa wenn die Daten anderweitig öffentlich bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juni 2013 - 20 F 10.12 - juris Rn. 11) oder dem jeweiligen Kläger ersichtlich ohnehin in den jeweiligen Zusammenhängen bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 20 F 2.14 - juris Rn. 13).
Rz. 10
2. Ausgehend davon ist die Sperrerklärung, soweit sie sich auf die im Tenor genannten Akteninhalte von Personen bezieht, rechtswidrig. Für die Schwärzungen dieser Daten lässt sich nicht erkennen, dass der von dem Beklagten insoweit jeweils allein geltend gemachte Weigerungsgrund nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO besteht. Die personenbezogenen Daten sind in Unterlagen enthalten, die der Klägerin bekannt sind, weil es sich dabei um von ihr stammende oder an sie gerichtete E-Mails und Schreiben bzw. um Dokumente handelt, die sie in ihrer Eigenschaft als Funktionärin der... bzw. der... erhalten oder versandt hat (etwa für Teilnehmer an Parteiveranstaltungen gefertigte Protokolle, Einladungen und Anträge). Vor diesem Hintergrund erscheinen die jeweils genannten Personen nicht als schutzbedürftig. Zu den schutzwürdigen Belangen dieser Personen gibt auch die Sperrerklärung des Beklagten über die allgemein gehaltene Begründung hinaus keinen nachvollziehbaren Aufschluss. Es erschließt sich zudem nicht, welche Rückschlüsse sich bei einer Offenlegung dieser Daten ergeben könnten.
Rz. 11
Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe insoweit bestehen. Weitere Teilschwärzungen in Bezug auf entnommene Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 29. November 2022 unter II.2.b.) hinausreichenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 12
Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.
Rz. 13
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Fundstellen
Dokument-Index HI16356245 |