Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 31.07.2002; Aktenzeichen 2 K 2724/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 EUR festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ein Zulassungsgrund für die Revision vor, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Beschwerde rügt die Verletzung des § 86 Abs. 3 und § 88 VwGO, weil das Verwaltungsgericht es unterlassen habe, den (missglückten) Klageantrag in einen sachdienlichen Antrag „umzudeuten” bzw. die Einzelrichterin des Verwaltungsgerichts nicht auf eine sachdienliche Antragstellung hingewirkt habe.
Zu Unrecht macht die Beschwerde eine Verletzung des § 88 VwGO geltend. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Vielmehr hat das Gericht das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln (Urteil vom 22. Mai 1980 – BVerwG 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144 ≪149≫). § 88 VwGO legitimiert den Richter aber nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie – nach Meinung des Richters – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (Beschluss vom 29. August 1989 – BVerwG 8 B 9.89 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17).
Vorliegend genügt die Rüge der Verletzung des § 88 VwGO schon nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 VwGO. Die Beschwerde lässt jegliche Ausführungen dazu vermissen, aufgrund welcher konkreten Umstände eine andere als die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des Klagebegehrens geboten gewesen sei. Der pauschale und substanzlose Hinweis, der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers habe in der mündlichen Verhandlung Tatsachen zur Vertreibung des Klägers und der gezielten Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz vorgetragen, genügt nicht. Ungeachtet der mangelnden Darlegung eines Verfahrensfehlers liegt ein solcher auch nicht vor. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts, hat der Kläger bereits im behördlichen Verfahren seine Rehabilitierung hinsichtlich der Entziehung der betreffenden, vormals in seinem Eigentum stehenden Grundstücke begehrt. Mit diesem Begehren korrespondiert der in der Klageschrift formulierte Klageantrag, der die Rückübertragung der fraglichen Grundstücke zum Gegenstand hat. In diesem und den weiteren zur Klagebegründung eingereichten Schriftsätzen steht jeweils immer die Rückübertragung dieser Grundstücke im Vordergrund. Hieraus ergibt sich in völliger Eindeutigkeit, dass die seinerzeit erfolgte Vermögensentziehung die zu rehabilitierende Maßnahme darstellen sollte. Dieses Klageziel hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Darüber hinaus kam eine Auslegung oder – wie die Beschwerde formuliert – Umdeutung des Klagebegehrens in die von der Beschwerde formulierten Klageanträge auch deshalb nicht in Betracht, weil selbst diese Anträge der Klage nicht hätten zum Erfolg verhelfen können. Besteht der Eingriff in eines der in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG angesprochenen Rechtsgüter ausschließlich in einer von § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG erfassten Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, so ist eine Rehabilitierung auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG, um die es auch vorliegend geht, ausgeschlossen, weil diese Vermögensentziehung, die selber nicht Gegenstand einer Rehabilitierung sein kann, auch bei der Beurteilung der Frage, ob ggf. andere hoheitliche Maßnahmen einer deutschen behördlichen Stelle zu einem Eingriff in Vermögenswerte geführt haben, außer Betracht zu lassen ist (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Verfahren 3 B 167.02).
Ebenfalls zu Unrecht rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen die sich aus § 86 Abs. 3 VwGO ergebende Pflicht der Einzelrichterin, auf die Stellung sachdienlicher Anträge und Ergänzung ungenügender tatsächlicher Angaben hinzuwirken. Sachdienlich ist ein Antrag, wenn er zumindest seiner Art nach geeignet ist, der Partei zu ihrem Rechtsschutzziel zu verhelfen oder sie diesem näher zu bringen (vgl. Dawin in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86 Rz. 142). Die Sachdienlichkeit eines Klageantrags ist somit abhängig von dem mit der Klage verfolgten Rechtsschutzziel. Wie bereits dargelegt, lässt sich nicht nur dem im erstinstanzlichen Verfahren formulierten Klageantrag, sondern auch und vor allem der Klagebegründung eindeutig entnehmen, dass dieses Ziel vorliegend in der Aufhebung der im Zuge der so genannten Bodenreform erfolgten Enteignung des Beschwerdeführers bestand. Gemessen hieran war der genau hierauf gerichtete Klageantrag durchaus sachdienlich. Er konnte allerdings – wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat – im Hinblick auf die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 3 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht zum Erfolg der Klage führen. Im Übrigen braucht das Gericht auch nicht auf einen unbegründeten oder aussichtslosen Antrag hinzuwirken (vgl. Beschluss vom 10. März 1977 – BVerwG 6 B 38.76 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 Nr. 21; Dawin, a.a.O., § 86 Rz. 142). Das wäre aber hinsichtlich der von der Beschwerde formulierten Anträge aus den vorstehenden Gründen der Fall gewesen.
Darüber hinaus bestand die von der Beschwerde eingeforderte Hinweispflicht auch deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer nicht nur anwaltlich vertreten war, sondern sein Prozessbevollmächtigter den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Beistand eines weiteren Rechtsanwalts wahrgenommen hat, der die Klägerinteressen in den einschlägigen Verfahren BVerwG 3 C 15.01 und 3 C 16.01 vertreten hat, wobei die in diesen Verfahren ergangenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts den Ausgang des vorliegenden erstinstanzlichen Verfahrens maßgeblich mitbestimmt haben. Bei dieser Sachlage konnte das Verwaltungsgericht ohne weiteres davon ausgehen, dass ein zur Erreichung des Rechtsschutzziels geeigneter Klageantrag gestellt werde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski
Fundstellen