Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 18.12.2018; Aktenzeichen 4 S 1956/17) |
VG Stuttgart (Entscheidung vom 26.07.2017; Aktenzeichen 3 K 3195/16) |
Tenor
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2018 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit vorläufig - für das Revisionsverfahren auf 250,56 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über die Berechnung der Höhe des Kindererziehungsergänzungszuschlags.
Rz. 2
1. Die Klägerin stand von August 1976 bis zu ihrer antragsgemäßen vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. März 2016 im Dienst des beklagten Landes, zuletzt als Fachoberlehrerin, besoldet nach der Endstufe der Besoldungsgruppe A 11. Sie hat vier Kinder. Die beiden jüngsten wurden am 13. September 1985 und 12. Dezember 1990 geboren. Die Klägerin war mehrfach, so auch in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 16. August 1992, ohne Dienstbezüge beurlaubt.
Rz. 3
Mit Bescheid vom 14. März 2016 setzte der Beklagte das Ruhegehalt der Klägerin auf 2 128,41 € fest. Hierbei wurden Kindererziehungszeiten nach dem 1. Januar 1992 von insgesamt 108 Monaten zugrunde gelegt. Der Kindererziehungsergänzungszuschlag wurde aufgrund einer Vergleichsberechnung und Anwendung der Höchstgrenze auf 0,00 € festgesetzt; diese Berechnung geschah in der Weise, dass der insgesamt zu gewährende Kindererziehungsergänzungszuschlag unter Zusammenfassung aller zu berücksichtigenden Monate der Kindererziehung ermittelt und zusammen mit dem in der gesamten Zeit der Kindererziehung erzielten Ruhegehaltsanspruch einer einheitlichen Höchstgrenze (Kappungsgrenze) gegenübergestellt wurde (sog. Gesamtheitsmethode).
Rz. 4
Die Klägerin machte dagegen geltend, dass die Berechnung der Höchstgrenze des Kindererziehungsergänzungszuschlags fehlerhaft sei: Der Zuschlag sei für Zeiten der Kindererziehung, die mit ruhegehaltsfähigen Zeiten bzw. mit nicht ruhegehaltsfähigen Zeiten zusammentreffen, getrennt voneinander zu berechnen und anschließend an der jeweils einzeln für diesen Zeitraum berechneten Höchstgrenze zu messen (sog. Spitzberechnung).
Rz. 5
Nach erfolglosem Widerspruch und erstinstanzlicher Klageabweisung hat das Berufungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit sie entgegenstanden, antragsgemäß verpflichtet, das festgesetzte Ruhegehalt der Klägerin erstmals um einen Kindererziehungsergänzungszuschlag in Höhe von 6,96 € monatlich zu erhöhen.
Rz. 6
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wurde am 20. Dezember 2018 mit einfacher Briefsendung - unter Beifügung eines anwaltlich bzw. behördlich zu zeichnenden Empfangsbekenntnisses - zur Post gegeben. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zeichnete das Empfangsbekenntnis unter dem 21. Dezember 2018. Auf Nachfrage der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofs sandte das auf Beklagtenseite zuständige Landesamt ein unter dem 7. Januar 2019 vom Leiter des dortigen Rechtsreferats gezeichnetes Empfangsbekenntnis zurück.
Rz. 7
Die Beschwerde des beklagten Landes ist am 4. Februar 2019, die Beschwerdebegründung am 7. März 2019 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Die Klägerin rügt die Zulässigkeit der Beschwerde wegen Verfristung; sie bezweifelt, dass das Berufungsurteil dem Beklagten erst zu diesem späten Zeitpunkt zugestellt worden sei. Der Senat hat Auskünfte bei der Deutschen Post AG zu den Postläufen im fraglichen Zeitraum und bei dem zuständigen Landesamt zu dessen behördeninterner Organisation eingeholt.
Rz. 8
2. Die Beschwerde ist zulässig.
Rz. 9
Ausgehend davon, dass das Berufungsurteil ausweislich des auf den 7. Januar 2019 datierten Empfangsbekenntnisses des zuständigen Landesamts für Besoldung und Versorgung (nachfolgend: LBV BW) dem Beklagten (erst) zu dem genannten Zeitpunkt zugestellt worden ist, wurde die Beschwerde am 4. Februar 2019 beim Verwaltungsgerichtshof fristgerecht eingelegt (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und mit einem dort am 7. März 2019 eingegangenen weiteren Schriftsatz auch fristgerecht begründet (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Rz. 10
Der Einwand der Klägerin, die Beschwerde sei verfristet und deshalb unzulässig, greift im Ergebnis nicht durch. Der Senat hat die Zulässigkeit der Beschwerde - auch ohne Rüge - von Amts wegen zu prüfen und ggf. im Wege des Freibeweises aufzuklären (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Oktober 1993 - 4 B 166.93 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 14 S. 3 f. und vom 15. Februar 2001 - 6 BN 1.01 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 19 S. 2; BGH, Beschluss vom 27. September 2018 - IX ZB 67/17 - NJW-RR 2018, 1398 Rn. 14).
Rz. 11
a) Gemäß § 57 Abs. 1 VwGO beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung. Gemäß § 56 Abs. 1 und 2 VwGO sind (u.a.) Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO zuzustellen (und nicht mehr - wie vor dem Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni 2001, BGBl I S. 1206 - nach dem Verwaltungszustellungsgesetz). Gemäß § 174 Abs. 1 ZPO kann ein Schriftstück (u.a.) an einen Anwalt oder eine Behörde gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Gemäß § 174 Abs. 4 ZPO genügt zum Nachweis der Zustellung nach Abs. 1 das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist.
Rz. 12
Für eine wirksame Zustellung ist entscheidend, dass das in Zustellabsicht übersandte Schriftstück vom Empfänger mit dem Willen entgegengenommen wird, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. März 1994 - XII ZB 159/93 - NJW 1994, 2295 und vom 20. Juli 2006 - I ZB 39/05 - NJW 2007, 600 Rn. 7; BSG, Beschlüsse vom 23. April 2009 - B 9 VG 22/08 B - NJW 2010, 317 Rn. 6 und vom 5. Juni 2019 - B 12 R 3/19 R - NJW 2020, 422 Rn. 7). Dieser Empfangswille wird in der Regel (erst) durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch den dafür nach der Behördenorganisation zuständigen Amtswalter bekundet (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Mai 1979 - 2 C 1.79 - BVerwGE 58, 107 ≪108 f.≫ und vom 24. Januar 1985 - 2 C 39.82 - juris Rn. 11 sowie Beschlüsse vom 21. Dezember 1979 - 4 ER 500.79 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 7 S. 5 und vom 14. Dezember 1989 - 9 B 466.89 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 13 S. 1; vgl. auch Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 33; Krausnick, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 56 Rn. 27 ff., Schlatmann, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 11. Aufl. 2017, § 5 VwZG Rn. 19 m.w.N.). Die Festlegung, welcher Amtswalter zur Zeichnung des Empfangsbekenntnisses befugt ist, unterliegt der Organisationsgewalt der Behörde.
Rz. 13
Seine frühere Rechtsprechung, die auf den Eingang in der Posteingangsstelle der Behörde abstellte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Februar 1966 - 4 B 112.65 - Buchholz 340 § 8 VwZG Nr. 5 S. 7 und vom 1. Februar 1971 - 4 CB 147.68 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 2 S. 1), hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf die Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte, nach der es bei der Zustellung an einen Rechtsanwalt allein auf die von einem Empfangswillen getragene Zeichnung durch diesen selbst und nicht etwa durch dessen Kanzleipersonal ankommt, im Interesse der Rechtseinheit und der Gleichbehandlung von Rechtsanwälten und Behörden aufgegeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1979 - 4 ER 500.79 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 7 S. 5). Die Zustellungsform des Empfangsbekenntnisses ist eine Privilegierung eines vom Gesetz als besonders vertrauenswürdig angesehenen Kreises von Zustellungsempfängern. Für den Fall, dass dieses Vertrauen in der Praxis durch Unzulänglichkeiten im Ablauf oder gar durch Missbrauch der damit verbundenen Zeichnungsfreiheit des Zustellungsempfängers enttäuscht wird, steht es im Ermessen des Gerichts, an den Betroffenen nur noch in einer strengeren Form, etwa gegen Postzustellungsurkunde, zuzustellen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 23. Februar 1989 - 11 TH 4784/88 - juris Rn. 14 ff. ≪Rn. 16≫ = DVBl 1989, 894 ≪nur Leitsatz≫).
Rz. 14
b) Ein behördliches Empfangsbekenntnis i.S.v. § 174 Abs. 1 und 4 ZPO (ebenso ein solches i.S.v. § 5 Abs. 2 VwZG a.F./§ 5 Abs. 4 VwZG n.F.) erbringt als öffentliche Urkunde i.S.v. § 418 ZPO vollen Beweis dafür, dass der darin angegebene Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2006 - I ZB 39/05 - NJW 2007, 600 Rn. 7). Wer diese Urkunde nicht gegen sich gelten lassen will, muss sie entkräften (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 14. Dezember 1989 - 9 B 466.89 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 13 S. 1 m.w.N.). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit ist zulässig. Er wird allerdings nicht schon dadurch geführt, dass die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs dargetan wird. Erforderlich ist, dass die Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis nicht nur erschüttert, sondern die Möglichkeit, die Angaben könnten richtig sein, ausgeschlossen ist. Die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde muss vollständig entkräftet werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Oktober 1993 - 4 B 166.93 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 14 S. 3 und vom 15. Februar 2001 - 6 BN 1.01 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 19 S. 2).
Rz. 15
c) Ausgehend von diesen Maßstäben vermag der Senat - ungeachtet verbleibender Zweifel - keinen anderen Sachverhalt festzustellen, der die für die Richtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Datums streitende Beweiswirkung - vollständig - entkräftet.
Rz. 16
aa) Die Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde rühren daher, dass das Berufungsurteil dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am 21. Dezember 2018 (dem Tag nach der Absendung) zugestellt wurde, dem LBV BW dagegen - nach dem Empfangsbekenntnis - erst am 18. Tag nach der Absendung (am 7. Januar 2019) zugestellt worden sein soll. Ein derart großer Zeitunterschied ist in hohem Maße ungewöhnlich und lässt daher Zweifel an der Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses aufkommen (vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom 23. Februar 1989 - 11 TH 4784/88 - juris Rn. 14 ff. = DVBl. 1989, 894 ≪nur Leitsatz≫ zu einem Zeitunterschied von 28 Tagen). Dies gilt auch angesichts der Besonderheit des Streitfalls, dass elf dieser 18 Tage auf Wochenend- und Feiertage fielen (darunter Heiligabend, die beiden Weihnachtsfeiertage, Silvester, Neujahr, Dreikönigsfest), mithin beim LBV BW nur an den verbleibenden sechs Tagen Dienst geleistet wurde (am 21., 27. und 28. Dezember 2018 sowie am 2., 3. und 4. Januar 2019), bei der Deutschen Post AG im Übrigen an fünf weiteren Tagen (am 22., 24., 29. und 31. Dezember 2018 sowie am 5. Januar 2019). Auch angesichts dessen wäre eine deutlich frühere Zustellung des Berufungsurteils (durch Zeichnung des Empfangsbekenntnisses) zu erwarten gewesen.
Rz. 17
bb) Die vom Senat bei der Deutschen Post AG und beim LBV BW eingeholten Auskünfte zu den postalischen und innerbehördlichen Abläufen haben Folgendes ergeben:
Rz. 18
Nach der Auskunft der Deutschen Post AG, Niederlassung Betrieb Stuttgart, gilt auch für den hier fraglichen Zeitraum die grundsätzliche Aussage der Deutschen Post AG, dass eine einfache Briefsendung am nächsten oder jedenfalls am übernächsten Werktag am Bestimmungsort ausgeliefert wird (vgl. auch die entsprechende Vorgabe in § 2 Nr. 3 Satz 1 Post-Universaldienstleistungsverordnung - PUDLV). Auch im Hinblick auf den höheren Anfall von Brief- und Paketsendungen zu Weihnachten und zum Jahreswechsel seien daran keine Abstriche zu machen. In der Postfachsortierung habe in dem Zeitfenster kein Personalengpass bestanden; Verzögerungen habe es allenfalls im Umfang von ein bis zwei Tagen gegeben. Für das LBV BW bestimmte Briefsendungen würden täglich von Fahrern des LBV BW selbst oder ggf. einem anderen Postdienstleister zu zwei unterschiedlichen Zeiten beim Zustellstützpunkt Fellbach abgeholt und zum LBV BW gebracht.
Rz. 19
In der Auskunft des LBV BW zu dessen innerbehördlichen Abläufen wird unter Angabe der konkreten Personalstärke in der Posteingangsstelle (wo die Postsendungen geöffnet, gescannt und sortiert werden), der Abläufe im Botendienst und der personellen Besetzung des Rechtsreferats dargetan, dass auch im fraglichen Zeitraum - trotz der Feiertags- und Urlaubsabwesenheiten um die Weihnachtstage und den Jahreswechsel - an allen Stellen des innerbehördlichen Ablaufs Personal zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs vorhanden war. Allerdings wird eingeräumt, dass im fraglichen Zeitraum die Bearbeitung des Posteingangs des LBV BW in dessen Posteingangsstelle um mehrere Tage rückständig war. So ist der darüber erstellten tabellarischen Übersicht z.B. zu entnehmen, dass der Posteingang vom 21. Dezember 2018 (erst) am 28. Dezember 2018 bearbeitet wurde; der Posteingang vom 28. Dezember 2018 wurde (erst) am 7. Januar 2019 bearbeitet. Die dem LBV BW übersandte Ausfertigung des Berufungsurteils trägt ausweislich der vorgelegten Ablichtung der ersten Seite den Scan-Vermerk: "gescannt 7. Januar 2019". Nach der Auskunft besteht für das Rechtsreferat des LBV BW die Sonderregelung, dass für dieses Referat bestimmte Postsendungen, denen ein Empfangsbekenntnis beigefügt ist, in der Posteingangsstelle - anders als die sonstige Post - keinen Eingangsstempel erhalten, weil allein dem Rechtsreferat im LBV BW die Zeichnung eines solchen Empfangsbekenntnisses vorbehalten sei. Das Rechtsreferat schließlich war während des gesamten Zeitraums durchgängig mit Mitarbeitern besetzt, mindestens stets mit dem zur Zeichnung eines Empfangsbekenntnisses befugten Referatsleiter oder seiner Stellvertreterin. Tatsächlich gezeichnet wurde das Empfangsbekenntnis vom Leiter des Rechtsreferats. Dieser hat in seiner dienstlichen Erklärung angegeben, dass er die Eingangspost regelmäßig am Tag des Eingangs im Rechtsreferat zeichne, an den Eingang des Berufungsurteils aber - verständlicherweise - keine konkrete Erinnerung mehr habe; er gehe davon aus, dass sich das Berufungsurteil in dem ihm am 7. Januar 2019 vorgelegten Poststapel befand, und folgert dies daraus, dass er (da er seit dem 2. Januar 2019 wieder im Dienst war) es früher gezeichnet hätte, wäre es früher im Rechtsreferat eingegangen.
Rz. 20
cc) Der Senat bewertet die sich aus diesen Auskünften ergebende Sachlage wie folgt:
Rz. 21
Festzuhalten bleibt zunächst, dass die Auskunft des LBV BW in mehrfacher Hinsicht Defizite aufzeigt: In ihr wird an zwei Stellen eingeräumt, dass es keine schriftlichen Dienstanweisungen zu den innerbehördlichen Abläufen gibt und offenbar auch keine Kontrolle, ob und inwieweit die behaupteten tatsächlichen Gepflogenheiten eingehalten werden; so wird z.B. bestätigt, dass ein Mitarbeiter des Rechtsreferats die Post bisweilen selbst bei der Eingangsstelle abholt, wenn man im Rechtsreferat den Eindruck habe, die Postmappe sei überfällig. Dies wirft die Frage auf, ob behördliche Organisationsmängel vorliegen. Zum zweiten räumt das LBV BW selbst ein, dass im fraglichen Zeitraum die Bearbeitung des Posteingangs des LBV BW in der Posteingangspoststelle rückständig war, und zwar um mehrere Tage. Ob auch die Postsendung mit dem Berufungsurteil davon betroffen war, bleibt unklar: Einerseits sollen Postsendungen mit Empfangsbekenntnis in der zentralen Posteingangsstelle keinen Eingangsstempel erhalten; andererseits trägt die erste Seite der dem LBV BW zugestellten Ausfertigung des Berufungsurteils einen Scan-Vermerk vom 7. Januar 2019. Beides wäre dann in Übereinstimmung zu bringen, wenn der Scan-Vermerk nicht als Eingangsstempel im vorstehenden Sinne verstanden wird. Zum dritten ist die dienstliche Erklärung des Leiters des Rechtsreferats, er habe das Empfangsbekenntnis (erst) am 7. Januar 2019 gezeichnet, nur von eingeschränktem Aussagewert, weil diese Aussage allein auf dem Rückschluss aus dem von ihm eingetragenen Datum beruht (also auf einem Schluss von der in Zweifel gezogenen Tatsache auf deren Richtigkeit).
Rz. 22
Dass die lange Laufzeit von 18 Tagen auf Verzögerungen im Bereich der Deutschen Post beruhen könnte, erscheint nahezu - allerdings eben auch nur: nahezu - ausgeschlossen. Dagegen spricht bereits, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des von ihm gezeichneten Empfangsbekenntnisses das Berufungsurteil bereits am Tag nach der Absendung erhalten hat. Dass die Dauer des Postlaufs von zwei gleichzeitig abgesandten Briefsendungen zu zwei rd. 60 bzw. 130 (Autobahn-)Kilometer entfernten Bestimmungsorten derart unterschiedlich ausfällt, ist in hohem Maße ungewöhnlich. Allerdings ist wegen des hohen Postanfalls zur Weihnachtszeit nach der Auskunft der Deutschen Post AG eine Verzögerung von ein bis zwei Tagen nicht auszuschließen. Letzteres liefe (wegen der fünf dienstfreien Tage beim LBV BW nach dem 21. Dezember 2018) auf einen dortigen Eingang am 27. oder 28. Dezember 2018 hinaus. Hiernach kann die Auskunftslage zum Postweg - mit verbleibenden Ungewissheiten - durchaus in Übereinstimmung mit der Darstellung des LBV BW zu den dortigen innerbehördlichen Abläufen gebracht werden. Denn ausgehend von den eingeräumten Bearbeitungsrückständen in der Posteingangsstelle und dem erwähnten Scan-Vermerk wäre es durchaus schlüssig, dass das Berufungsurteil, wenn es (erst) am 28. Dezember 2018 in der Posteingangsstelle eingegangen sein sollte, dort (erst) am 7. Januar 2019 bearbeitet (insbesondere gescannt) und noch am selben Tag dem zeichnungsbefugten Leiter des Rechtsreferats vorgelegt worden wäre.
Rz. 23
Entscheidend ist nach all dem, dass nach dem oben dargestellten Maßstab das Berufungsurteil nicht mit dem Eingang in der Poststelle, sondern (erst) als an dem Tag zugestellt gilt, an dem der Leiter des Rechtsreferats des LBV BW es mit Empfangswillen entgegengenommen und gezeichnet hat. Nach den eingeholten Auskünften kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsurteil (möglicherweise mit einer leichten Verzögerung bereits auf dem Postweg) zwar deutlich vor dem 7. Januar 2019 in der Poststelle des LBV BW eingegangen ist, dort aber infolge des hohen Geschäftsanfalls um die Weihnachtstage und den Jahreswechsel mehrere Tage lang unbearbeitet blieb und erst am 7. Januar 2019 dort gescannt und am selben Tag dem für die Zeichnung des Empfangsbekenntnisses zuständigen Leiter des Rechtsreferats vorgelegt wurde. Dafür sprechen das Datum des erwähnten Scan-Vermerks und die vom LBV BW eingeräumten Bearbeitungsrückstände in seiner Posteingangsstelle, wonach am 7. Januar 2019 erst der Posteingang vom 28. Dezember abgearbeitet wurde.
Rz. 24
Nach all dem vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses - vollständig - entkräftet ist.
Rz. 25
3. Die Beschwerde ist auch begründet.
Rz. 26
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage zugelassen, ob die Berechnung der Höchstgrenze (Kappungsgrenze) des Kindererziehungsergänzungszuschlags nach § 66 Abs. 6 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes Baden-Württemberg (LBeamtVG BW) im Wege der sog. "Gesamtheitsmethode" oder der sog. "Spitzberechnung" vorzunehmen ist.
Rz. 27
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 3 GKG; die vorläufige Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 GKG. Sie entspricht jeweils dem dreifachen Jahresbetrag der geltend gemachten monatlichen Erhöhung in Höhe von 6,96 €.
Fundstellen
Dokument-Index HI13909987 |