Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurtaxe
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kurtaxe dann nicht von ortsfremden Personen – insbesondere Montagearbeitern – zu erheben, wenn sie in der Gemeinde arbeiten, diese jedoch zur Kurtaxe heranzuziehen, wenn sie außerhalb der Gemeinde arbeiten, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; KAG BW §§ 2-3, 43
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 31.07.2020; Aktenzeichen 2 S 2777/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 565 EURO festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde, die sich allein auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO stützt, bleibt ohne Erfolg. Die Fragen
Verletzt die Kurtaxepflicht ortsfremder Personen, die berufsbedingt in der Kurgemeinde übernachten, aber nicht dort, sondern z.B. in einer Nachbargemeinde arbeiten, den Grundsatz der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG?
Verletzt die Kurtaxepflicht von Montagearbeitern, die sich ausschließlich zum Zwecke der Berufsausübung in der Kurgemeinde aufhalten, den Grundsatz der Belastungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG?
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 2
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, jedoch in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Wird im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde die Unvereinbarkeit von Landesrecht (in der für das Revisionsgericht maßgeblichen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht bzw. den Verwaltungsgerichtshof) mit Bundes(verfassungs)recht gerügt, so kann sich daraus ein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung nur ergeben, wenn die Auslegung der bundes(verfassungs)rechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Rz. 3
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben einen weitreichenden Gestaltungsspielraum hat und dass nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen neben der Steuer zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Als solche Gründe sind u.a. Zwecke des Vorteilsausgleichs anerkannt. Geklärt ist in ständiger Rechtsprechung darüber hinaus, dass der Grundsatz der Belastungsgleichheit verlangt, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des mit dem Beitrag abgegoltenen Vorteils vorgenommen wird und dass die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden. Dabei erlaubt der weitreichende Gestaltungsspielraum des Normgebers bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben typisierende Betrachtungen, um sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheiten verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten; die Vorteile der Typisierung müssen jedoch in einem rechten Verhältnis zu der mit ihnen verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen. Außerdem muss sich eine gesetzliche Typisierung realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2015 – 9 C 23.14 – Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 5 Rn. 31 f. und vom 21. Juni 2018 – 9 C 2.17 – BVerwGE 162, 266 Rn. 16; Beschluss vom 30. Juli 2018 – 9 B 23.17 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 63 Rn. 6).
Rz. 4
Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie will lediglich geklärt wissen, ob es diesen Grundsätzen widerspricht, eine Kurtaxe gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 KAG BW vom 17. März 2005 i.d.F. vom 4. Mai 2009 (GBl. 2009 Nr. 7 S. 185 ≪194≫) nur dann nicht von ortsfremden Personen – insbesondere Montagearbeitern – zu erheben, wenn sie in der Gemeinde arbeiten, diese jedoch zur Kurtaxe heranzuziehen, wenn sie außerhalb der Gemeinde arbeiten. Dies hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, dass bei Letzteren der Aufenthalt in der Fremdenverkehrsgemeinde nicht typischerweise ausschließlich berufliche Gründe habe. Vielmehr liege es dort bei typisierender Betrachtung nahe, dass der Unterkunftsort im Hinblick auf die – auch bei berufsbedingten Aufenthalten verbleibende – Freizeit auch mit Rücksicht auf die Attraktivität der Gemeinde ausgewählt worden sei, weshalb nicht in gleicher Weise die Vermutung entfalle, die Betroffenen würden sich dort (zumindest auch) zu Fremdenverkehrszwecken aufhalten. Ihnen stehe es gleichwohl auch ohne entsprechende Befreiungsregelungen in der Satzung offen, im Einzelfall den Nachweis zu erbringen, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kur- und Erholungseinrichtungen nicht bestehe oder aufgrund des zeitlichen Umfangs der beruflichen Inanspruchnahme nur theoretisch erscheine. Die hierfür erforderlichen Nachweise – insbesondere konkrete Angaben zum Arbeitsort sowie zu Art und Dauer der beruflichen Tätigkeit – habe der Kläger nicht erbracht.
Rz. 5
Die Beschwerdebegründung geht letztlich nicht über den Einwand hinaus, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des Landesrechts den bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsgleichheit verletzt. Mit der nach der angefochtenen Entscheidung bestehenden Möglichkeit einer Befreiung von der Kurtaxe auch für außerhalb der Gemeinde tätige Übernachtungsgäste setzt sich die Beschwerde zudem nicht auseinander. Soweit sie geltend macht, gerade bei Montagearbeitern sei davon auszugehen, dass sie keine oder nur völlig untergeordnete Möglichkeiten hätten, Kur- und Erholungseinrichtungen zu nutzen, vielmehr werde der Aufenthaltsort regelmäßig vom Arbeitgeber aus finanziellen Erwägungen ausgewählt, stehen dem darüber hinaus die das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen. Danach gibt es keinen „allgemeinen Typus” des Montagearbeiters, sondern bestehen insoweit – wie bei sonstigen Geschäftsreisenden – Unterschiede hinsichtlich der zeitlichen Inanspruchnahme durch die Berufstätigkeit und ist im Übrigen auch bei Montagearbeitern von der Einhaltung der Vorgaben über die höchstzulässige Arbeitszeit auszugehen; darüber hinaus kann nicht angenommen werden, dass Übernachtungen in Fremdenverkehrsgemeinden finanziell besonders günstig sind.
Rz. 6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Bick Steinkühler, Prof. Dr. Schübel-Pfister
Fundstellen
Dokument-Index HI14906620 |