Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 10.03.2022; Aktenzeichen 22 B 19.197) |
VG München (Urteil vom 17.10.2017; Aktenzeichen M 16 K 15.5398) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. März 2022 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Mitglieder der Klägerin sind gemeinschaftlich Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten, das mit einem Hochhaus mit Wohnungen in den Obergeschossen und gewerblichen Flächen im Erdgeschoss bebaut ist. Die Beklagte erteilte dem Beigeladenen zunächst eine zweimal verlängerte, befristete vorläufige und im Juli 2015 eine unbefristete Gaststättenerlaubnis für die zu einer Teileigentumseinheit gehörenden Räume im Erdgeschoss des Gebäudes. Mit bestandskräftigem Bescheid vom Januar 2016 widerrief die Beklagte die dem Beigeladenen erteilte Gaststättenerlaubnis vom Juli 2015.
Rz. 2
Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Gaststättenerlaubnisse erhobene Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Für den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der dem Beigeladenen erteilten Gaststättenerlaubnisse bestehe kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Klägerin fehle zudem die Klagebefugnis. Die Sofortvollzugsanordnung könne nicht in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Klage gemacht werden. Auch die weiteren Anträge seien unzulässig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Rz. 3
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 4
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen. Eine Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - juris Rn. 5 und vom 18. März 2022 - 8 B 49.21 - juris Rn. 3).
Rz. 5
Diesen Anforderungen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Die Klägerin rügt eine Abweichung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 26. März 1976 - 4 C 7.74 - (BVerwGE 50, 282), in den Beschlüssen vom 10. Oktober 2006 - 4 BN 29.06 - (juris) und 11. März 2010 - 7 B 36.09 - (Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 89) sowie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 - (juris) aufgestellt haben sollen. Sie zeigt allerdings nicht auf, dass der Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Urteil davon abweichende, entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze aufgestellt hätte. Die Kritik der Klägerin richtet sich vielmehr dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof bei seiner konkreten Rechtsanwendung die genannte Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht, die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen und auch teilweise das Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt haben soll. Mit einem solchen Vorbringen kann eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt werden.
Rz. 6
2. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
Rz. 7
a) Auf der als verfahrensfehlerhaft gerügten "willkürlichen Nichtzulassung der Revision" kann das angegriffene Urteil schon nicht beruhen, denn von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO werden nur die Hauptsacheentscheidung betreffende Verfahrensfehler erfasst (vgl. Berlit, in: Posser/Wolff/Decker, Beck OK, VwGO, Stand 1. Juli 2022, § 132 Rn. 54).
Rz. 8
b) Der Vortrag der Klägerin zum Antrag auf Durchführung eines Ortstermins im nachgelassenen Schriftsatz vom 24. März 2022, begründet ebenfalls keinen Verfahrensfehler.
Rz. 9
Die Klägerin berücksichtigt nicht, dass der Antrag in einem Parallelverfahren gestellt wurde, das beim Senat unter dem Aktenzeichen BVerwG 8 B 44.22 anhängig ist. Schon deshalb hatte der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass, sich im vorliegenden Verfahren mit dem Antrag auf Durchführung eines Ortstermins zu befassen.
Rz. 10
c) Unabhängig davon ist insoweit weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und des Grundsatzes des fairen Verfahrens noch eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO wirksam gerügt. Auf einem Übergehen des Sachvortrags der Klägerin zu den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort könnte die angegriffene Entscheidung nur beruhen, wenn diese Gegebenheiten nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz für deren Entscheidung erheblich waren. Das ist hier nicht dargetan. Die Aufklärungsrüge verfehlt die Substantiierungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil nicht dargelegt wird, inwieweit das Ergebnis der Beweisaufnahme nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hätte führen können. Der Vorwurf, der Verwaltungsgerichtshof habe die Beweiswürdigung unzulässig vorweggenommen, verwechselt dieses Element der Tatsachenfeststellung mit dem Herausarbeiten der rechtlichen Maßstäbe, aus denen sich die Erheblichkeit oder Unerheblichkeit bestimmter Tatsachen ergibt.
Rz. 11
d) Aus demselben Grund geht auch die Rüge eines "Verstoßes gegen die richterliche Pflicht zur Erforschung und Berücksichtigung der günstigen Umstände für die Parteien" ins Leere.
Rz. 12
e) Eine unzulässige Überraschungsentscheidung oder ein Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens liegen nicht vor.
Rz. 13
Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich nach ständiger Rechtsprechung als eine das Recht auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (BVerwG, Beschluss vom 4. November 2021 - 8 B 21.21 - juris Rn. 9 m. w. N.).
Rz. 14
Die Klägerin musste damit rechnen, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer WEG-Binnenstreitigkeit ausgehen sowie die Klagebefugnis und - mangels Wiederholungsgefahr - ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneinen könnte, da diese Gesichtspunkte ausweislich der Sitzungsniederschrift Gegenstand der Berufungsverhandlung vom 10. März 2022 waren.
Rz. 15
Eine Überraschungsentscheidung wird nicht mit dem unzutreffenden Vortrag dargetan, der Verwaltungsgerichtshof habe entscheidungstragend darauf abgestellt, "dass die Beklagte zur Erteilung gebrauchsregelungswidriger Gaststättenerlaubnisse mit bescheidgemäßer Sofortvollzugsanordnung ermächtigt und befugt ist".
Rz. 16
Da es aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs auf die Rechtmäßigkeit der Gaststättenerlaubnisse nicht ankam, kann auch keine Überraschungsentscheidung im Hinblick auf dafür relevante materiell-rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte oder das nachträgliche Begehren eines Ortstermins vorliegen. Die Ablehnung dieses Begehrens widersprach auch nicht dem Fairnessgebot.
Rz. 17
f) Ein Verfahrensfehler liegt schließlich nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof in unzulässiger Weise durch Prozess- und durch Sachurteil entschieden hätte. Der Vorwurf trifft nicht zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen und sich zu deren Begründetheit folgerichtig nicht geäußert. Dies verkennt die Beschwerde, wenn sie offenbar davon ausgeht, mit den Ausführungen zur Wiederholungsgefahr habe der Verwaltungsgerichtshof sich zur Begründetheit der Klage geäußert. Denn hierbei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine mögliche Begründung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses als Sachentscheidungsvoraussetzung.
Rz. 18
g) Die sinngemäße Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht die Klagebefugnis der Klägerin und das Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint, legt ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar, auf dem das Urteil beruhen kann. Hinsichtlich des Fortsetzungsfeststellungsinteresses mangelt es der Beschwerdebegründung an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung. Die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der Annahme einer Wiederholungsgefahr gehen fehl, weil sie den maßgeblichen und zutreffenden verwaltungsprozessualen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs übergehen und stattdessen Fragen der Wiederholungsgefahr im Rahmen des § 1004 BGB thematisieren. Damit wird weder die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs in Zweifel gezogen, die Wiederholungsgefahr scheitere jedenfalls daran, dass künftige Erlaubnisse nach § 11 GastG nicht mehr auf der Grundlage der hier verfahrensgegenständlichen Genehmigungen erteilt werden könnten, noch werden seine Ausführungen zum Fehlen von tatsächlichen Anhaltspunkten für eine künftige Erteilung vergleichbarer gaststättenrechtlicher Erlaubnisse in Frage gestellt.
Rz. 19
Eine verfahrensfehlerhafte Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO ist ebenfalls nicht dargelegt. Dazu hätte die Klägerin dartun müssen, dass das angegriffene Urteil die prozessrechtlichen Anforderungen an die Klagebefugnis überspannt. Fehler bei der Beantwortung materiell-rechtlicher Vorfragen stellen keine Verfahrensmängel dar, sondern sind dem sachlichen Recht zuzuordnen und nicht mit der Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO anzugreifen (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2006 - 7 B 56.06 - ZOV 2006, 373 und vom 17. November 2009 - 7 B 25.09 - NVwZ 2010, 256 Rn. 30). Auf die Rüge solcher materiell-rechtlichen Mängel beschränkt sich jedoch das Beschwerdevorbringen zur Klagebefugnis. Es wendet sich nicht gegen die prozessualen Anforderungen, die der Verwaltungsgerichtshof § 42 Abs. 2 VwGO entnimmt. Vielmehr beanstandet es dessen Annahme, öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche seien im Verhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zu ihren Mitgliedern und Dritten hinsichtlich der Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks ausgeschlossen. Dies ist eine Aussage über die Grenzen des materiell-rechtlichen Drittschutzes, die sich an die Rechtsprechung zum baurechtlichen Nachbarschutz anlehnt und die auf eine Auslegung wohnungseigentums- und gaststättenrechtlicher Vorschriften gestützt wird.
Rz. 20
Soweit die Beschwerde im Übrigen unvollständige Feststellungen im Tatbestand rügt, kann dies in zulässiger Weise nur Gegenstand eines - hier erfolglos gebliebenen - Tatbestandsberichtigungsantrags sein.
Rz. 21
3. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rz. 22
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bestimmten, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden, revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 1. August 2022 - 8 B 14.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 23
Die Voraussetzungen liegen in Bezug auf die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen nicht vor.
Rz. 24
Die Fragen,
a) Kann die ohne Beteiligung am Verfahren und ohne Anhörung der betroffenen Wohnungseigentümer im Rahmen von schlicht-hoheitlichen Handlungen und Entscheidungen von Behörden heimlich gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern erfolgte Missachtung der Baugenehmigung vom 7. Juli 1969 (hier bezüglich der Verkürzung der Sperrzeit ab 5:00 Uhr) für eine baurechtlich nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung (hier spielhallen- und vergnügungsstättenähnliche Nachtbar statt des nur zulässigen "Imbissraums" bis 24:00 Uhr) und die darauf gestützte hoheitliche Erteilung von Gaststättenerlaubnissen mit jeweils integrierten Vollzugsanordnungen für eine Betriebsartänderung, die nach der WEG-Gebrauchsregelung unter keinem Gesichtspunkt wohnungseigentums-, bauplanungs-, bauordnungs- und gaststättenrechtlich genehmigungs- bzw. erlaubnisfähig ist, nicht durch die dinglich gesicherte Gebrauchsregelung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) gedeckt und sogar durch eine bestandskräftige Gerichtsentscheidung zur Ausübung untersagt ist, zu einer von außen verursachten "WEG Binnenstreitigkeit" führen, die dann allen Wohnungseigentümern mit der Konsequenz zuzurechnen ist, dass die Prozessführungs- und Klagebefugnis für die dadurch nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer vor den Verwaltungsgerichten generell fehlen?
b) Ist die Behörde im Fall einer beantragten Nutzungsänderung im Geltungsbereich des Wohnungseigentumsgesetzes und einer Gebrauchsregelung der GdWE für ein Teil-Bebauungsplangebiet bei dem den Mitgliedern der GdWE als Antragsgegner zuzubilligenden Anspruch auf effektiv wirksamen Rechtsschutz nach öffentlich-rechtlichen Normen ermächtigt und berechtigt, ohne Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer am Verfahren und entgegen den von der GdWE vereinbarten und dinglich gesicherten Gebrauchs- und Benutzungsregelungen die Prüfung des Sachbescheidungsinteresses bei einer beantragten baulichen bzw. gaststättenrechtlichen Nutzungsänderung zu unterlassen und sogar mit hoheitlichen Verwaltungsakten die begehrte Nutzungsänderung mit einem Bescheid über die Erteilung der Gaststättenerlaubnis zu erlauben und zudem für diese Erlaubnis im Fall der erhobenen Anfechtungsklage der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Erlaubnis gleich mit der Erlaubnis anzuordnen?
c) Ist für die GdWE oder für einzelne Wohnungseigentümer der effektiv wirksame verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen Verletzungen der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG und Art. 14 Abs. 1 GG durch hoheitliche drittbelastende gaststättenrechtliche Verwaltungsakte mit integrierten Vollzugsanordnungen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für Nutzungsänderungen auch nach der besonderen Maßgabe des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ausgeschlossen, wenn für die Beantragung solcher Nutzungsänderungen die Baugenehmigungen fehlen, diese Nutzungsänderungen nicht genehmigungsfähig sind und im krassen Widerspruch zu der rechtlich vorrangigen wohnungseigentumsrechtlichen Gebrauchsregelung der Betroffenen und der Baugebietsart stehen und diese zudem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GastG zu versagen sind, wenn gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG das zuständige Verwaltungsgericht - neben den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten - ggf. den Rechtsweg überschreitend auch die privat-rechtlichen bzw. wohnungseigentumsrechtlichen Belange und Interessen der dadurch nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung abzuwägen und zu berücksichtigen hat?
d) Ist die Erlaubnisbehörde im Fall von nicht ausräumbaren Hindernissen ermächtigt und befugt, hoheitliche Genehmigungen und Erlaubnisse mit Verwaltungsakt und mit einem drittbelastenden Bescheid mit Vollzugsanordnung für Nutzungsänderungen oder andere Betriebsarten ohne Nachweis der zivilrechtlichen Verfügungserlaubnis zu erteilen, die jeweils aufgrund der damit verbundenen und insoweit erlaubten Störungen, Beeinträchtigungen und Umwelteinwirkungen Mehrbelastungen gegenüber den betroffenen Wohnhausbewohnern verursachen, die jedoch nicht durch die dinglich gesicherten Regelungen einer WEG-Gebrauchsregelung für die WEG-Anlage und ein zugehöriges Teil-Bebauungsplangebiet gedeckt sind und wenn dagegen der rechtliche Vorrang dieser WEG-Gebrauchsregelung als ranghöhere Spezial-Benutzungsregelung vor öffentlich-rechtlich begründeten Ansprüchen bewirkt, dass öffentlich-rechtliche Gestattungen für solche Nutzungsänderungen oder für geänderte Betriebsarten nicht für die Rechtsbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander maßgebend sein können und solche Gestattungen auch nicht dazu führen können, dass eine im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander aus wohnungseigentumsrechtlichen Gründen unzulässige Nutzung zulässig bzw. für einen Pächter oder Dritten genehmigungs- oder erlaubnisfähig wird, und wenn zudem aufgrund so einer Gestattung der Abwehranspruch gegen solches ohne Grundlage erfolgte staatliche Handeln vor den Verwaltungsgerichten ausgeschlossen sein soll?
wären im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
Rz. 25
Soweit sie sich auf die materiell-rechtlichen Fragen der Gaststättenerlaubnisse oder die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit beziehen, würden sie sich dort nicht stellen, weil der Verwaltungsgerichtshof die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Dies hat er hinsichtlich jedes Klageantrags selbstständig tragend auf eine von materiell-rechtlichen Erwägungen unabhängige Begründung - die Unstatthaftigkeit des Antrags, das Fehlen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses oder die Subsidiarität der Feststellungsklage - gestützt. Diese Erwägungen würden nicht mit wirksamen Rügen angegriffen.
Rz. 26
Soweit sich die Fragen auf die Zulässigkeit der Klage und in diesem Zusammenhang auf die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs beziehen, wären sie im Revisionsverfahren nicht zu klären, weil der Verwaltungsgerichtshof die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht verneint hat. Im Übrigen würden sie sich nicht stellen, weil das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags mit zwei jeweils selbstständig tragenden Erwägungen verneint hat, nämlich mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses sowie mangels Klagebefugnis. Bei einer solchen Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden Begründungen mindestens ein Beschwerdegrund geltend gemacht wird, der die Zulassung rechtfertigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Juni 2017 - 8 B 19.16 - ZOV 2017, 149 Rn. 5, vom 16. Dezember 2019 - 8 B 38.18 - ZOV 2020, 66 Rn. 3 und vom 30. November 2020 - 8 B 16.20 - juris Rn. 2). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die Klägerin erhebt keine Grundsatzrüge gegen das Verneinen ihres Fortsetzungsfeststellungsinteresses. Insoweit liegt, wie oben unter 1. und 2. ausgeführt, auch kein anderer der von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe vor.
Rz. 27
4. Der Schriftsatz der Klägerin vom 16. August 2022 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Neues Beschwerdevorbringen ist wegen des Ablaufs der Beschwerdebegründungsfrist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO am 5. Juli 2022 nicht zu berücksichtigen. Die nachträglichen Ergänzungen und Erläuterungen zuvor erhobener Rügen können die fehlende fristgemäße Substantiierung nicht nachholen.
Rz. 28
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichtshofs.
Fundstellen
Dokument-Index HI15798117 |