Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 22.11.2012; Aktenzeichen 1 K 52/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Kläger zu 1 bis 3 einerseits – diese als Gesamtschuldner –, die Klägerin zu 4 anderseits tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte, jedoch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 € festgesetzt.
beschlossen:
Gründe
Rz. 1
Die Kläger begehren die Rückübertragung der früher im Grundbuch von N…, Band …, Blatt …, eingetragenen Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 7 290 m2. Der Beklagte lehnte die Rückübertragung mit der Begründung ab, dass eine Berechtigung nach § 2 Abs. 1 VermG mangels Eigentums nicht vorliege. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Rz. 2
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.
Rz. 3
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 4
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Rz. 5
Die Kläger halten den Rechtsstreit mit Blick auf die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob die Entstehung eines Anwartschaftsrechts dann ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber durch Flucht an der Zahlung der Gebühr für die Grundbucheintragung gehindert war, weil er keine Kenntnis von der Zahlungsaufforderung erhalten hatte. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass, selbst wenn ein Anwartschaftsrecht entstanden sein sollte, der geltend gemachte Anspruch nicht bestünde. Diese Ausführungen haben die Kläger nicht mit Zulassungsgründen angegriffen; sollte sich die nachstehend behandelte Frage auf diese Alternativbegründung beziehen – was unklar bleibt –, so hätten die Kläger sie jedenfalls nicht mit Erfolg mit Zulassungsgründen angegriffen. Ist ein Urteil aber nebeneinander auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, scheidet eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage aus, wenn nicht hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt.
Rz. 6
Soweit die Kläger ferner die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig erachten, “ob eine aus dem Baulandgesetz erfolgte Inanspruchnahme des Grundbesitzes die Rechte der Erwerber vereiteln konnte und dadurch ein zielgerichteter Eingriff erfolgt ist und schädigend auf den Rechtsinhaber eingewirkt worden ist mit der Folge, dass eine vermögensrechtliche Schädigung dadurch eingetreten ist,” wird ihr Vorbringen den Darlegungsanforderungen an die Klärungsbedürftigkeit nicht gerecht. Der bloße Hinweis, die Frage sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden, reicht hierfür nicht aus. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass eine bestimmte, höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Revisionsinstanz entscheidungserhebliche Frage herausgearbeitet wird; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
Rz. 7
2. Ferner rechtfertigt die von den Klägern erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht die Zulassung der Revision. Eine zulassungsbegründende Revision liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Rechtssatz von einem eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) tragenden Rechtssatz abgewichen ist. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde ein inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18 und vom 30. November 2011 – BVerwG 8 B 48.11 – ZOV 2012, 61). Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar.
Rz. 8
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger nicht. Sie behaupten zwar, dass das angefochtene Urteil von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2001 (BVerwG 7 C 10.00 – BVerwGE 112, 335 = Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 53) abweicht. Sie legen aber schon nicht dar, inwiefern das Urteil auf der behaupteten Abweichung beruht. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich darauf, eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu rügen, die den Zulassungsgrund der Divergenz nicht zu begründen vermag.
Rz. 9
3. Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch nicht auf den behaupteten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 10
a) Insbesondere wird mit der Beschwerde nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass das Verwaltungsgericht, wie die Kläger meinen, gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen hat. Eine solche Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2011 – BVerwG 8 B 35.11 – juris). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Rz. 11
Soweit die Kläger ausführen, dass der Abtretungsvertrag mit der Klägerin zu 3 nicht wirksam geworden und deshalb die Klage der Kläger zu 1 bis 3 zulässig sei, fehlt es darüber hinaus auch an der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verfahrensmangels, da das Verwaltungsgericht es offen gelassen hat, ob die Klage zulässig ist.
Rz. 12
b) Die Rüge der überlangen Verfahrensdauer ist als solche nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen. Zwar ergibt sich das Erfordernis eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes innerhalb angemessener Zeit im nationalen Recht aus dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes. Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, dass das Urteil auf einer Missachtung dieses Gebots beruhen könnte. Ein allein in der Dauer des Verfahrens begründeter Verfahrensmangel könnte durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht geheilt werden; vielmehr würde sich das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiter verlängern. In Fällen der vorliegenden Art könnte ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG bzw. Art. 6 EMRK allenfalls durch eine Entschädigungszahlung ausgeglichen werden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls noch als angemessen anzusehen ist (Beschluss vom 23. März 2005 – BVerwG 8 B 3.05 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 80).
Rz. 13
c) Soweit die Kläger sinngemäß rügen, das am 6. Dezember 2012 verkündete Urteil sei im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, weil es ihnen erst am 13. Mai 2013 zugestellt worden sei, rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Revision. Das Verwaltungsgericht hat das Urteil zwar unter Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO nicht alsbald nach der Niederlegung der Entscheidungsformel vollständig abgefasst, unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führt jedoch allein noch nicht dazu, dass das Urteil als nicht mit Gründen versehen zu gelten hat. Dies ist vielmehr erst dann der Fall, wenn aufgrund der verspäteten Absetzung des Urteils nicht mehr gewährleistet ist, dass die schriftlich niedergelegten Gründe das Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der auf ihr beruhenden Überzeugungsbildung des Gerichts wiedergeben. Eine äußerste Grenze ist erreicht, wenn ein bei der Verkündung noch nicht vollständig abgesetztes Urteil nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung vollständig abgefasst, unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist (Beschlüsse vom 9. August 2004 – BVerwG 7 B 20.04 – juris und vom 25. August 2003 – BVerwG 6 B 45.03 – Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 16). Diese Frist ist hier gerade noch eingehalten, denn das Verwaltungsgericht hat das vollständig abgefasste Urteil ausweislich des darauf angebrachten Eingangsvermerks der Geschäftsstelle am 6. Mai 2013 übergeben. Hierauf, nicht aber auf die Ausfertigung durch die Geschäftsstelle oder dessen Zustellung an die Beteiligten, kommt es an.
Rz. 14
d) Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerde in der Art einer Berufungsbegründung in Angriffen gegen die Entscheidung der Vorinstanz, ohne einen der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe zu benennen. Selbst wenn man dem Vorbringen (Seite 2 der Beschwerdebegründung) entnehmen wollte, dass die Kläger auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen des Erlasses einer Überraschungsentscheidung erheben wollen, begründet dies nicht die Zulassung der Revision. Eine Überraschungsentscheidung im Rechtssinne ist nur gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (Beschluss vom 28. Februar 2001 – BVerwG 8 B 13.01). Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 22. November 2012 seine Rechtsauffassung dargelegt und nicht den Eindruck erweckt, dass es der Klage stattgeben wolle.
Rz. 15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h. c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Rudolph
Fundstellen