Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 08.12.1997; Aktenzeichen 5 S 3310/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Aus dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich nicht, daß das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts noch höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Diese Voraussetzungen erfüllt keine der nachstehend im Wortlaut wiedergegebenen Fragen, die mit der Beschwerde aufgeworfen worden sind:
1. „Stellt es eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften von durch Art. 14 GG geschütztem Eigentumsrecht oder dem Recht auf rechtliches Gehör dar, wenn lediglich auf der Grundlage einer Durchführungsverordnung basierend auf § 19 Reichsnaturschutzgesetz in der Fassung vom 01.12.1936 eine Landschaftsschutzverordnung ohne Anhörung des betroffenen Eigentümers ergeht? Ist dies insbesondere zu § 15 BNatSchG vereinbar?”
a) Daß eine Anhörung der Eigentümer nicht stattgefunden hätte, hat das Normenkontrollgericht nicht festgestellt; vielmehr hat es festgestellt, daß der Verordnungsentwurf mit der dazugehörigen Karte in der durch Landesrecht vorgeschriebenen Weise auf die Dauer eines Monats ausgelegen haben sowie Dauer und Ort der Auslegung mindestens eine Woche vorher bekanntgegeben worden sind (S. 5 f. d. NB). Dies reicht zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
b) Darüber hinaus enthält das erst später ergangene Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976, BGBl I S. 3574) mit seinen späteren Änderungen weder in § 15 noch sonst Vorgaben für das Verfahren der Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet; im Gegenteil, § 12 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG verweist die Vorschriften über das Verfahren in den Zuständigkeitsbereich der Länder.
c) Die strittige Landschaftsschutzverordnung ist schließlich nicht allein auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes in der vorkonstitutionellen Fassung vom 1. Dezember 1936 ergangen, sondern, wie das Normenkontrollgericht ausgeführt hat (S. 5 d. NB), auch auf der Grundlage des § 7 DVO-NatSchG vom 17. Oktober 1962 (GBl S. 203) i.V.m. § 1 Buchst. b des Landesgesetzes zur Ergänzung und Änderung des Reichsnaturschutzgesetzes vom 8. Juni 1959 (GBl S. 53) i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Oktober 1962 (GBl S. 203 – RNatSchErgÄndG –), also aufgrund von nachkonstitutionellem Landesgesetzes- und -verordnungsrecht.
2. „Entspricht eine Unterzeichnung des Verordnungstextes ohne Datumsnennung und ohne konkrete Bezugnahme auf den zeichnerischen Teil der Landschaftsschutzverordnung den rechtsstaatlichen Anforderungen der Ausfertigung als Authentizitätsnachweis des Verwaltungsverfahrensergebnisses und der veröffentlichten Norm?”
Es handelt sich zunächst um eine Frage des Landesverfassungsrechts, nämlich des Art. 63 Abs. 2 LV BW. Außerdem trifft es nicht zu, daß der Verwaltungsgerichtshof eine Unterzeichnung der Ausfertigung des Verordnungstextes ohne Datumsnennung festgestellt hätte; im Gegenteil ist er davon ausgegangen, daß sich das Datum der Ausfertigung zweifelsfrei aus der handschriftlichen Ergänzung der Überschrift der Landschaftsschutzverordnung ergebe; dies entspreche einer nach Landesrecht ordnungsgemäßen Ausfertigung (S. 6 d. NB). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem Bundesrecht nicht entnehmen; insbesondere gibt es keinen bundesrechtlichen Ausfertigungsbegriff der für die Ausfertigung landesrechtlicher Landschaftsschutzverordnungen maßgeblich wäre. Darüber hinaus hat die Beschwerde selbst insoweit eine klärungsbedürftige bundesrechtliche Frage, zu der die Verfassungsmäßigkeit der landesrechtlichen Landschaftsschutzverordnung als solche noch nicht gehört, nicht dargetan.
3. „Ist es mit §§ 15, 4 BNatSchG, Art. 14 GG vereinbar, daß in einer auf der Grundlage des § 19 RNatSchG in der Fassung vom 01.12.1996 (scil.: 1936) erlassenen Landschaftsschutzverordnung der Schutzzweck der Landschaftsschutzverordnung selbst nicht angegeben ist?”
Auch hier ist eine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage revisiblen Rechts nicht zu erkennen. Das Normenkontrollgericht hat das Landesrecht willkürfrei und für das Revisionsgericht verbindlich dahin ausgelegt, daß Landschaftsschutzverordnungen, die vor Erlaß des Naturschutzgesetzes des Landes (NatSchG BW) ergangen sind, unter Berücksichtigung ihrer bei Erlaß bestehenden Ermächtigungsgrundlagen dahin auszulegen seien, daß hier nur e i n einziger gesetzlicher Schutzzweck im Vordergrund gestanden habe. Dies sei derjenige der Erhaltung von Eigenart und Schönheit der Landschaft, der auch in die in § 22 Abs. 1 Nrn. 3 bis 4 NatSchG BW aufgelisteten Zwecke – als Nr. 3 – Eingang gefunden habe. Ein Widerspruch zur landesgesetzlichen Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 1 NatSchG BW, die eine Bestimmung des wesentlichen Schutzzwecks durch die Verordnung vorschreibe, sei daher nicht gegeben. Klärungsbedürftige Fragen des Bundesrahmenrechts werden damit nicht aufgeworfen, zumal da der Schutzzweck des § 22 Abs. 1 Nr. 3 NatSchG BW im wesentlichen demjenigen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG „besonderer Schutz wegen Vielfalt, Eigenart oder Schönheit der Landschaft erforderlich”) entspricht. Inwiefern außerhalb der nachstehend zu erörternden Fragen des Bestimmtheitsgebotes klärungsbedürftige Fragen der Auslegung des Art. 14 GG berührt sein sollen, wird mit der Beschwerde in konkreter Form nicht dargetan.
4. „Ist es mit dem bundesrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar, wenn in Landesrecht überführtes vorkonstitutionelles Reichsrecht nicht bestimmbare Rechtsbegriffe wie ‚Eigenart und Schönheit der Landschaft’ – dies betreffend jedenfalls den Begriff der Schönheit – als Ermächtigungsgrundlage einen Eingriff gemäß Art. 14 GG bildet und von der Verwaltung so angewandt wird? Erfordert das bundesrechtliche Bestimmtheitsgebot insbesondere nicht, daß normative Verbote und Ermächtigung(en) zu ihrer Durchsetzung im Einzelfall nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß nur bestimmt und begrenzt sind, so daß mögliche Eingriffe jedenfalls meßbar und für den Betroffenen voraussehbar und berechenbar werden? Stellt eine auf § 19 RNatSchG basierende, fast zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten des GG ergangene Landschaftsschutzverordnung eine verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar?”
Mit diesen Formulierungen sind klärungsbedürftige Fragen des Bundesverfassungsrechts nicht aufgeworfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung bereits geklärt, daß gerade auch eine an dem Schutzzweck der Bewahrung der „Eigenart und Schönheit der Landschaft” des § 4 RNatSchG ausgerichtete Unterstellung unter den Natur- oder Landschaftsschutz zumindest insoweit, als es um die Erhaltung eines bei der Unterschutzstellung bestehenden Zustandes geht, lediglich eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums an einem Grundstück in seiner Situationsgebundenheit darstellt (vgl. BVerwGE 3, 335, 337, 338 „Schönheit der Natur”; 4, 57, 60 „Eigenart der zu schützenden Landschaft”; 49, 365, 368; zuletzt BVerwGE 94, 1, 4), welche die Sozialgebundenheit des Eigentums konkretisiert. Es handelt sich bei diesen Zwecken um einen Gemeinwohlbelang, der nicht nur in das Reichsnaturschutzgesetz Eingang gefunden hat, sondern seitdem in den Natur- und Landschaftsschutzbestimmungen des Bundes und der Länder in dieser Formulierung so beibehalten worden ist. Der genannte Schutzzweck ist nach den in der Rechtsprechung dazu entwickelten Kriterien im Einzelfall näher bestimmbar; hingegen muß er als solcher strengeren Bestimmtheitsanforderungen nicht genügen. Derartige Anforderungen sind unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit und Meßbarkeit erst an die in der Verordnung enthaltenen Verbote bestimmter nachteiliger Veränderungen zu stellen. Diese aber genügen nach den zutreffenden Ausführungen des Normenkontrollgerichts den rechtsstaatlichen Anforderungen. Das wiederum wird auch mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Daß es sich um eine auf vorkonstitutionelles Recht zurückgehende Verordnung handelt, rechtfertigt keine andere Würdigung (vgl. auch Beschluß vom 20. April 1995 – BVerwG 4 NB 37.94 – Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 8).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Albers, Henkel, Büge
Fundstellen