Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Berufung. Ablehnung des Zulassungsantrags. Anschlussberufung
Leitsatz (amtlich)
Das Rechtsmittel der Anschlussberufung ist unstatthaft, soweit das Berufungsgericht zuvor den Antrag des Anschlussberufungsführers auf Zulassung der Berufung wegen desselben Teils des Streitgegenstandes abgelehnt hat.
Normenkette
VwGO §§ 124, 127
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 08.03.2007; Aktenzeichen 25 B 03.886) |
VG Würzburg (Entscheidung vom 06.03.2003; Aktenzeichen W 4 K 02.1362) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Rechtssache besitzt nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
1.1 Der Kläger möchte die Entscheidung des Berufungsgerichts, seine Anschlussberufung (§ 127 VwGO) sei unzulässig, revisionsgerichtlich überprüfen lassen. Mit der Anschließung an die Hauptberufung der Beklagten und der Beigeladenen begehrt der Kläger, den Abhilfebescheid der Beklagten auch insoweit zum Gegenstand des Berufungsverfahrens zu machen, als er in erster Instanz unterlegen ist. Die Anschließung ist nach Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 127 VwGO unstatthaft, weil es den hierauf bezogenen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung zuvor abgelehnt habe und das erstinstanzliche Urteil insoweit teilweise rechtskräftig geworden sei. Der Kläger wirft hierzu die Frage auf, ob das Rechtsmittel der Anschlussberufung unstatthaft ist, soweit das Berufungsgericht zuvor den Antrag des Anschlussberufungsführers auf Zulassung der Berufung wegen desselben Teils des Streitgegenstandes abgelehnt hat. Diese Frage ist nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantworten.
Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass eine Anschlussberufung jedenfalls dann unstatthaft ist, wenn derjenige Teil des Rechtsstreits, den der Anschlussberufungsführer im Wege der Anschließung zum Gegenstand des Berufungsverfahrens machen möchte, vom Berufungsgericht durch Ablehnung des Zulassungsantrags gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig abgeschlossen worden ist (ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Juli 1998 – 7 S 1125/98 – NVwZ 1998, 1320 ≪1321≫; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 127 Rn. 16; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Februar 2007, § 127 Rn. 7c). Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausführt, würde mit der Möglichkeit der Anschlussberufung in einem solchen Fall nicht nur eine ausdrücklich getroffene Nichtzulassungsentscheidung, mit der das Berufungsgericht über die fehlende Berufungswürdigkeit dieses Teils des Streitgegenstandes abschließend befunden hat, wirkungslos, sondern auch die von § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO mit der Ablehnung des Zulassungsantrags verbundene Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteils übergangen.
Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Anschlussberufung nach § 127 VwGO. Die Anschließung ermöglicht dem an sich “friedfertigen” Berufungsbeklagten unter den Gesichtspunkten der Waffengleichheit und der Billigkeit auch dann noch selbst in den Prozess einzugreifen, wenn die Berufung des Gegners erst kurz vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt wird und er deshalb eine eigene Berufung nicht mehr führen kann. Die Anschlussberufung dient überdies der Prozessökonomie. Sie soll vermeiden, dass ein Beteiligter, der sich mit dem erlassenen Urteil zufrieden geben will, nur wegen eines erwarteten Rechtsmittelangriffs des Gegners vorsorglich selbst Rechtsmittel einlegt (Urteil vom 8. Dezember 1995 – BVerwG 8 C 11.94 – BVerwGE 100, 104 ≪107≫). Die Anschließung soll es einem Beteiligten, der eine Hauptberufung nicht einlegen will, ermöglichen, der Hauptberufung mit einem Antrag entgegenzutreten, der diese gewissermaßen “aufbricht” (Urteil vom 25. Mai 1984 – BVerwG 8 C 108.82 – Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 6 ≪8≫ zur Anschlussrevision). Der Verwaltungsgerichtshof führt zutreffend aus, dass die Anschlussberufung diese Zwecke nicht erfüllen kann, wenn der Anschlussrechtsmittelführer – wie hier der Kläger – gar nicht “an sich friedfertig” war, sondern das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes selbst angegriffen hat, und wenn der Rechtsstreit sich insoweit nicht mehr “in der Schwebe” befindet, sondern mit der Ablehnung des Zulassungsantrags teilweise rechtskräftig abgeschlossen worden ist.
Aus § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift ist die Anschließung auch statthaft, wenn der Beteiligte auf die Berufung verzichtet hat und die Frist für die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung verstrichen ist. Die Vorschrift regelt ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht den Fall, dass das Berufungsgericht den Zulassungsantrag eines Beteiligten abgelehnt hat. Mit dem Verwaltungsgerichtshof ist davon auszugehen, dass eine erweiternde Auslegung zu Gunsten des Klägers nicht in Betracht kommt. § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO regelt den Fall eines “an sich friedfertigen” Beteiligten, dem zur Sicherung prozessualer Waffengleichheit die Möglichkeit gegeben werden soll, in Reaktion auf das Rechtsmittel des Gegners erneut in den Prozess einzugreifen. Dieser Zweck rechtfertigt es gerade nicht, einem Beteiligten die Anschlussberufung zu ermöglichen, nachdem sein Zulassungsantrag erfolglos geblieben ist.
Entgegen der Beschwerde rechtfertigt auch § 127 Abs. 4 VwGO in der hier vorliegenden Fallkonstellation kein anderes Ergebnis. Die Vorschrift stellt lediglich klar, dass die Anschlussberufung – anders als die Hauptberufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) – als solche keiner gesonderten Zulassung bedarf (vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 127 Rn. 19).
1.2 Die Beschwerde formuliert ferner als grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage, “ob ein Abkürzungsverkehr infolge zweier Zufahrten auf ein Gewerbegrundstück tatsächlich als öffentlicher Verkehr bezeichnet werden kann und deshalb die Einräumung von zwei Zufahrten in einem Gewerbegrundstück generell unzulässig ist, weil damit immer die Gefahr eines Abkürzungsverkehrs logischerweise zwischen zwei Straßen besteht”. Diese Frage entzieht sich einer fallübergreifenden, verallgemeinerungsfähigen Klärung. Sie ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie auf die konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalls zugeschnitten ist. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit in Angriffen gegen die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Derartige Angriffe sind nicht geeignet, die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache aufzuzeigen.
2. Der Kläger sieht in der Verwerfung seiner Anschlussberufung einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Diese Verfahrensrüge muss aus den oben unter 1.1 genannten Gründen erfolglos bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 1849996 |
BauR 2008, 659 |
VR 2008, 104 |
ZfBR 2008, 298 |
BayVBl. 2008, 571 |
DVBl. 2008, 264 |