Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen 22 A 167.04) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 27 917,50 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen, ob sich das Verwaltungsgericht auf die Bestandskraft der Verwaltungsakte und die Rechtskraft eines früheren Urteils berufen könne, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Die Fragen sind auf die konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Falles zugeschnitten; welche verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse ihre Klärung in einem Revisionsverfahren erwarten lassen sollten, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dienen im Bereich des Rechtsschutzes neben dem Institut der Rechtskraft in erster Linie prozessuale Fristen der Rechtssicherheit. An der Bestandskraft von Verwaltungsakten besteht ein vergleichbares rechtsstaatliches, in der Rechtssicherheit begründetes Interesse. Über die Rechtssicherheit hinaus dienen Rechts- und Bestandskraft und die entsprechenden Fristenregelungen tendenziell der Gewährleistung eines wirkungsvollen behördlichen und gerichtlichen Verfahrens. Sie entlasten die verschiedenen Entscheidungsinstanzen (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 – 2 BvL 26/81 – BVerfGE 60, 253 ≪269 ff.≫).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Übrigen geklärt, dass der Streitgegenstand identisch ist mit dem prozessualen Anspruch, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (vgl. Urteil vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪25≫; Beschlüsse vom 9. August 2000 – BVerwG 8 B 72.00 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 80; und vom 12. Juli 2006 – BVerwG 4 B 37.06 – juris).
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, gegen die keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben wurden, geht es dem Kläger nach wie vor um die Rückgabe des streitigen Grundstücks oder eine Entschädigung. Nachdem sein Restitutionsantrag und sein Antrag auf Rehabilitierung gescheitert sind, will er auf dem “Umweg” der Feststellung der Nichtigkeit der vermögensentziehenden Maßnahme im Jahre 1949 die Vermögensrückgabe erreichen. Der nunmehr geltend gemachte prozessuale Anspruch ist demnach kein anderer als in den früheren Verfahren.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Rahmen eines vermögensrechtlichen Verfahrens weder eine Rechtsgrundlage noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtung der Restitutionsbehörde zu der Feststellung ersichtlich, der streitige Vermögenswert sei nicht (besatzungsrechtlich) enteignet worden (Beschlüsse vom 11. November 1998 – BVerwG 8 B 218.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 164 und vom 23. Januar 1996 – BVerwG 7 B 4.96 – Buchholz 111 Art. 41 EV Nr. 2). Eine Rückübertragung des Vermögenswertes nach dem Vermögensgesetz ist aber mit den Bescheiden vom 5. November 1992 und 18. Oktober 1995 bestandskräftig abgelehnt worden. Mit der rechtskräftigen, auf § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG gestützten Abweisung der Verpflichtungsklage auf Rückübertragung wird mit bindender Wirkung zwischen den Verfahrensbeteiligten festgestellt, dass dem Kläger kein Restitutionsanspruch zusteht. An der Rechtskraft nehmen die tragenden Gründe für die Verneinung des Anspruchs teil. Damit entfaltet auch die Aussage im gerichtlichen Urteil Bindungswirkung, aus welchen Gründen der Anspruch nicht besteht. Über den Wortlaut des § 121 VwGO hinaus sind überdies auch die Gerichte in einem späteren Prozess an rechtskräftige Urteile zwischen den Beteiligten gebunden (Urteil vom 27. Januar 1995 – BVerwG 8 C 8.93 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70). Das Vermögensgesetz regelt abschließend, unter welchen Voraussetzungen Enteignungen durch staatliche Stellen der DDR rückgängig gemacht werden können (Urteil vom 30. Juni 1994 – BVerwG 7 C 19.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 24). Wirksam ergangen und gemäß Art. 19 Satz 1 EV gültig sind alle Verwaltungsakte, die nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der DDR ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt wurden. Dies bedeute, dass alle in der DDR als wirksam angesehenen und behandelten Enteignungsmaßnahmen wirksam bleiben, sofern sie nicht durch Restitution nach dem Vermögensgesetz rückgängig gemacht werden oder sonst auf der Grundlage des Art. 19 Satz 2 EV i.V.m. den dazu erlassenen Gesetzen, etwa dem verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz vom 23. Juli 1994 wegen Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen aufgehoben werden können. Dementsprechend ist eine verwaltungsrechtliche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Enteignung unzulässig (Beschluss vom 19. Dezember 1994 – BVerwG 7 B 201.94 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 2; Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108).
Für Enteignungsakte, die – wie hier – auf einen Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht beruhten und deshalb ihrer Verantwortung unterfielen, kommt hinzu, dass – von den Besonderheiten der § 1 Abs. 6 und 7 VermG abgesehen – eine “Rückgängigmachung” der Enteignung nach dem Vermögensgesetz ausgeschlossen ist (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Damit sollte gerade bezweckt werden, dass die unter der Oberhoheit der sowjetischen Besatzungsmacht durchgeführten Maßnahmen, die ihren rechts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen entsprachen, nicht nachträglich zur Überprüfung durch deutsche Stellen gestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 – BvR 1170, 1174, 1175/90 – BVerfGE 84, 90 ≪127 f.≫; ebenso Eckwert Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990).
Hiermit übereinstimmend hat das Verwaltungsgericht die Klage unter Bezug auf die Bestandskraft der Entscheidungen des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 5. November 1992 und des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 18. Oktober 1995 sowie die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin – VG 9 A 103.02 – abgewiesen. Mit diesen Entscheidungen sei zwischen den Beteiligten verbindlich geregelt, dass die Enteignung des streitigen Grundstücks auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt sei und eine Restitution und eine Rehabilitierung mithin ausscheide. Darüber hinausgehende Ansprüche des Klägers bestünden nach der aufgezeigten Rechtsprechung nicht.
2. Der Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Die Beschwerde rügt zwar, dass das Verwaltungsgericht den Begriff des Streitgegenstandes verkannt habe und damit von einem unzutreffenden Verständnis des Prozessrechts geleitet gewesen sei. Mit dieser Annahme ist dem Verwaltungsgericht jedoch kein Verfahrensfehler unterlaufen. Es hat zu Recht geprüft, ob einer erneuten Entscheidung die Bestandskraft früherer Verwaltungsakte bzw. die Rechtskraft früherer Urteile wegen Identität des Streitgegenstands entgegenstehen.
Soweit die Beschwerde beanstandet, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung nicht begründet, sondern lediglich pauschal auf die Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen, hat diese Rüge keinen Erfolg. § 117 Abs. 5 Satz 1 VwGO sieht ausdrücklich vor, dass das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen kann, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Der Hinweis auf die Begründung im Widerspruchsbescheid erfolgte im Übrigen neben der eigentlichen Begründung durch das Verwaltungsgericht, dass die Klage bereits wegen der Bestandskraft früherer Bescheide bzw. der Rechtskraft früherer Urteile scheitere.
Es begründet auch keinen Verfahrensfehler im Sinne eines Verstoßes gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), dass der Kläger im Nachgang zu seinem Schriftsatz vom 28. Februar 2007 vom Verwaltungsgericht nicht darauf hingewiesen worden sei, seiner Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger ist bereits mit richterlichem Hinweis vom 16. April 2004 auf die Bestandskraft der Bescheide vom 5. November 1992 und 18. Oktober 1995 hingewiesen worden und darauf, dass außerhalb des Vermögensgesetzes für das vorliegende Begehren keine Anspruchsgrundlagen ersichtlich seien. Dieser Gedanke wurde vom Beklagten aufgegriffen. Im Schriftsatz vom 26. Mai 2004 vertrat er die Auffassung, dass die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Der Kläger hat ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu diesen Fragen zu äußern. Dies hat er mit Schreiben vom 28. Februar 2007 getan.
3. Auch die weitere von der Beschwerde gerügte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nicht. Sie soll darin liegen, dass das Verwaltungsgericht seine klageabweisende Entscheidung auf die Feststellung gestützt habe, die Enteignung sei auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt. Hätte das erstinstanzliche Gericht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt, hätte es selbst prüfen müssen, ob dies zutreffe.
Die Beschwerde versäumt es schon, einander widersprechende Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten. Sie beanstandet in Wirklichkeit die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz lässt sich nicht mit der Behauptung einer Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall begründen. Da die Divergenzrevision der Wahrung der Rechtseinheit, gegebenenfalls auch der Rechtsfortbildung dient, setzt ihre Zulassung eine Abweichung im Grundsätzlichen, also einen abstrakten Rechtssatzwiderspruch voraus. Einen solchen lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen.
Soweit mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2007 weiteres Beschwerdevorbringen beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht wurde, ist dieses unbeachtlich. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Beschwerdebegründungsfrist endete mit dem 25. Juni 2007.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen