Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 12.01.2006; Aktenzeichen 2 K 1166/04 Ge) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde wirft als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zum ersten die Frage auf,
“wie der Passus in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG zu verstehen ist, wonach Ausgleichsleistungen nur dann entfallen sollen, wenn von der Besatzungsmacht weggenommene Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden, und, bezogen auf den konkreten Fall: ob § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG auf in so genannte sowjetische Aktiengesellschaften (SAGs) eingegliederte Unternehmen anwendbar ist”.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil ihre Beantwortung sich – wie das Verwaltungsgericht gegenüber entsprechendem Klagevorbringen zutreffend festgestellt hat – bereits auf der Grundlage des den Beteiligten bekannten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2002 – BVerwG 3 B 64.02 – (Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 2) ergibt, an dem der beschließende Senat festhält. In diesem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht zur Beantwortung der damals aufgeworfenen Rechtsfrage,
“ob der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ausgleichsleistungsgesetz – AusglLeistG – eingreift, wenn ein privater Schleppkahn im Herbst 1945 durch sowjetische Militärbehörden beschlagnahmt worden ist, während der Folgezeit einer sowjetischen Dampfschifffahrts-Aktiengesellschaft auf dem Fluss Oder übergeben und unterstellt war, wobei der Schiffseigner auf dem Schiff gegen Lohn beschäftigt war, und das Schiff 1951 einem VEB übergeben und 1955 in Volkseigentum überführt worden ist”,
mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal “der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt” ausgeführt:
“Das Verwaltungsgericht hat … in nachvollziehbarer Weise angenommen, dass es sich bei einer Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine auf dem Boden der SBZ tätige sowjetische Aktiengesellschaft … um einen für einen Reparationsvorgang typischen Geschehensablauf gehandelt habe. Solches sei vornehmlich in Fällen geschehen, in denen ein Abtransport der Wirtschaftsgüter in die Sowjetunion unzweckmäßig gewesen wäre. Auf diese Weise seien in der gesamten Besatzungszone insgesamt ca. 200 sowjetische Aktiengesellschaften tätig gewesen…
Hiergegen ist aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.”
Diese Erwägungen tragen dem historischen Umstand Rechnung, dass die sowjetische Besatzungsmacht die von ihr beanspruchten Reparationen nicht allein in Form des Abbaus von Produktionsanlagen und ihres Wiederaufbaus in der Sowjetunion durchführte, sondern – wie auch die Beschwerde nicht verkennt – in sehr erheblichem Umfang durch die Bildung sowjetischer Aktiengesellschaften, welche nach Maßgabe sowjetischer Bedürfnisse produzierten. Soweit die Beschwerde demgegenüber unter Hinweis die Definition des Begriffs “Volkswirtschaft” in Gabler's Wirtschaftslexikon (10. Aufl. 1988) geltend macht, unter “Volkswirtschaft” sei – unabhängig von der Person des Eigentümers – die “Gesamtheit aller mittelbar oder unmittelbar auf die Wirtschaft einwirkenden Kräfte” innerhalb eines deutlich abgegrenzten Gebietes zu verstehen und demnach hätten die in sowjetische Aktiengesellschaften umgewandelten Betriebe zur Volkswirtschaft der SBZ/DDR und nicht zur Volkswirtschaft der Sowjetunion gehört, mag dies in volkswirtschaftlicher Terminologie korrekt sein, trägt aber dem historischen Umstand nicht Rechnung, dass die Sowjetunion die von ihr beanspruchten Reparationsleistungen wesentlich nicht durch den Abbau der Produktionsanlagen, sondern durch Entnahmen aus der – im Besatzungsgebiet belassenen, aber in sowjetisches Eigentum überführten – Produktion der SBZ/DDR erzielte. Der beschließende Senat sieht insoweit keinen Anlass, den Reparationsschadensbegriff von der historischen Gesamtsituation, der er Rechnung tragen sollte, zu lösen und für Produktionsanlagen auf den Teilbereich des Abbaus der Produktionsanlagen und der Verlagerung der Produktion ins Gebiet einer Besatzungsmacht zu beschränken.
Wie im vorerwähnten Beschluss vom 28. März 2002 (a.a.O. S. 1 f.) im Einzelnen ausgeführt worden ist, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers des Ausgleichsleistungsgesetzes, der darin unmissverständlich zum Ausdruck gekommen ist, alle vom Reparationsschädengesetz tatbestandlich erfassten Fälle dem Anwendungsbereich des Ausgleichsleistungsgesetzes vorenthalten bleiben. Dies betrifft wegen des Wortlauts von § 2 Abs. 1 Nr. 2 RepG (“… oder bei der Wegnahme eine dahingehende Absicht bestand.”) unterschiedslos Schäden an Wirtschaftsgütern unabhängig davon, wie sich nach der Wegnahme im Einzelnen das Schicksal des jeweiligen Wirtschaftsgutes entwickelt hat, sofern es – was im Streitfall nach den nicht zulässig und begründet angegriffenen und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Fall war – zumindest dem “fremden Staat” (hier: Sowjetunion) und dessen Volkswirtschaft “zugefügt” (dessen Verfügung überantwortet) werden sollte. Alle diese Reparationsschadensfälle sollten im ausschließlichen Anwendungsbereich des Reparationsschädengesetzes verbleiben, und dieser Absicht würde zuwidergehandelt, folgte man der Auffassung der Beschwerde.
2. Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die weitere Frage aufwirft, ob § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG
“auf unbewegliche Wirtschaftsgüter anzuwenden ist, die zwar ursprünglich von der Besatzungsmacht weggenommen, im Zuge der Wiedervereinigung aber kostenlos dem Bundesfiskus zugefallen sind”.
Zur Begründung macht die Beschwerde insoweit geltend, es handele sich bei § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand, der auf der Voraussetzung beruhe, dass das enteignete Gut einer fremden Volkswirtschaft zugeführt und nicht im Zuge der Wiedervereinigung wieder verfügbar geworden sei bzw. der Reparationsschaden nicht – wie im Falle der sowjetischen Aktiengesellschaften – wieder rückgängig gemacht worden sei; bei “neutraler Betrachtung” müsse es zu Gunsten der Berechtigten ins Gewicht fallen, dass die Bundesrepublik Deutschland zu Lasten der Personen bereichert sei, denen sie über das Gesetz nur Bruchteile des entschädigungslos enteigneten Vermögens zurückgewähre. Auch insoweit sieht der beschließende Senat keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf, zumal es bereits in dem genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2002 – BVerwG 3 B 64.02 – (a.a.O.) zur Rückgabeproblematik heißt:
“Im Übrigen stellt der Umstand, dass der in Rede stehende Vermögensgegenstand ab 1951 an einen (deutschen) VEB übergeben und später in Volkseigentum überführt wurde, nicht die tatsächliche und rechtliche Annahme des angefochtenen Urteils infrage, in den Jahren 1945 bis 1951 sei er der Volkswirtschaft der Sowjetunion zugeführt worden bzw. es habe zumindest eine dahin gehende Absicht bestanden. Es ist nämlich zumindest nicht fern liegend anzunehmen, die Sowjetunion habe erst im Laufe der Jahre in einzelnen Teilbereichen von ursprünglich gehegten oder umgesetzten Reparationsvorstellungen Abstand genommen …”
Der Umstand, dass es bei dieser Entscheidung um die Wegnahme eines Schleppkahnes, nicht aber um die Wegnahme eines Unternehmens mit Grundbesitz ging, stellt die grundsätzliche Richtigkeit der rechtlichen Aussage auch für Unternehmen mit Grundbesitz nicht in Frage. Auch die weiteren Hinweise der Beschwerde auf divergierende Zielvorstellungen im Gesetzgebungsverfahren sowie die weiter geltend gemachte moralische Anstößigkeit des Restitutionsausschlusses für die SBZ-Enteigneten begründen keine rechtsgrundsätzliche Klärungsbedürftigkeit mit Blick auf die von der Beschwerde als einschränkende Auslegung gewünschte Nichtanwendung des Ausschlusstatbestandes auf Fälle von Betriebsvermögen, das nach erfolgter Beschlagnahme und Umwandlung in Eigentum sowjetischer Aktiengesellschaften an die DDR übergeben und in Volkseigentum überführt worden ist. Dass eine solche einschränkende Auslegung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten etwa als verfassungskonforme Auslegung geboten sein könnte, wird auch von der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Unterschriften
Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn
Fundstellen