Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 26.01.2021; Aktenzeichen 5 L 1/20) |
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 15.07.2020; Aktenzeichen 11 A 10/19 HAL) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 26. Januar 2021 wird verworfen.
Gründe
I
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung aus nichtfamiliären Gründen.
Rz. 2
Die Beschäftigte Frau M. beantragte mit Schreiben vom 21. Januar 2019 bei der Beteiligten, ihre regelmäßige Arbeitszeit nach Maßgabe des Teilzeit- und Befristungsgesetzes für den Zeitraum vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2024 von 40 Stunden auf 30 Stunden in der Woche (sechs Stunden am Tag) zu reduzieren. Dies lehnte die Beteiligte mit Schreiben vom 1. Februar 2019 unter Hinweis auf betriebliche Gründe ab. Eine vorherige Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens fand nicht statt. Die Beschäftigte wandte sich daraufhin an den Antragsteller, der nach einer erfolglosen Rüge der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet hat. Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, dass die Beteiligte bei der Ablehnung des Antrages auf befristete Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigten M. sein "Mitbestimmungsrecht nach § 67 Abs. 1 Nr. 11 PersVG LSA a. F. (Nr. 12 aktuelle Fassung)" verletzt habe. Dem hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Beschwerde der Beteiligten hat das Oberverwaltungsgericht diesen Antrag abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Rz. 3
Mit Hinweis- und Aufklärungsverfügung hat die Berichterstatterin den Verfahrensbeteiligten unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats mitgeteilt, dass nach vorläufiger Auffassung des Senats der Antrag des Antragstellers als konkreter Feststellungsantrag auszulegen sei, der sich im Hinblick auf ein beim Arbeitsgericht anhängiges Klageverfahren sowie die Ablehnung eines weiteren Teilzeitantrags der Frau M., für den die Beteiligte vorsorglich das Mitbestimmungsverfahren eingeleitet habe, erledigt haben und daher unzulässig sein könnte.
Rz. 4
Die Verfahrensbeteiligten haben daraufhin übereinstimmend erklärt, Frau M. und die Beteiligte hätten sich in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren in einem Vergleich darauf verständigt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Frau M. ab dem 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2026 30 Stunden mit einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden betragen werde. Das Verfahren und der weitere Antrag der Frau M. auf Brückenteilzeit vom 27. Oktober 2020, der auf die Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Frau M. ab dem 1. Februar 2021 für die Dauer von fünf Jahren bis zum 31. Januar 2026 auf 30 Stunden pro Woche und sechs Stunden Arbeitszeit täglich gerichtet gewesen sei, sowie die nachfolgende Ablehnung seitens der Beteiligten vom 28. Dezember 2020 seien für erledigt erklärt worden. Das vorsorglich eingeleitete Mitbestimmungsverfahren, das sich im Einigungsstellenverfahren befunden habe, sei im Hinblick darauf beendet worden.
Rz. 5
Der Antragsteller macht darüber hinaus im Wesentlichen geltend, er habe sich vor dem Hintergrund des Hinweisschreibens des Senats erfolglos um einen Vergleich mit der Beklagten bemüht. Er habe ein begründetes rechtliches Interesse an der Klärung der streitgegenständlichen Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 12 PersVG LSA n. F. auch bei der Ablehnung von Teilzeitanträgen bestehe, die nicht ausschließlich auf familiäre Gründe gestützt würden. Die Frage habe weit über den Fall der Frau M. und das Landesrecht hinaus weiterhin grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen könne, es bestehe daher ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.
II
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der in der Rechtsbeschwerdeinstanz streitgegenständliche konkrete Feststellungsantrag ist unzulässig.
Rz. 7
1. Für den im Rechtsbeschwerdeverfahren im Streit stehenden Antrag des Antragstellers festzustellen, dass die Beteiligte bei der mit Schriftsatz vom 1. Februar 2019 vorgenommenen Ablehnung des Antrags auf befristete Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigten Frau M. sein Mitbestimmungsrecht nach § 67 Abs. 1 Nr. 11 PersVG LSA a. F. (§ 67 Abs. 1 Nr. 12 PersVG LSA n. F.) verletzt hat, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
Rz. 8
Bei diesem Begehren handelt es sich - wovon auch die Vorinstanz ausgegangen ist - um einen konkreten Feststellungsantrag. Denn die mit ihm geltend gemachte Verletzung des Mitbestimmungsrechts bezieht sich auf eine konkrete, in der Vergangenheit ergangene Maßnahme der Dienststellenleitung gegenüber einer bestimmten Beschäftigten. Eine Änderung des konkreten in einen abstrakten Feststellungsantrag ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr möglich, weil ein abstrakter Feststellungsantrag spätestens in der letzten Tatsacheninstanz gestellt werden muss (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 6. November 2018 - 5 P 8.16 - juris Rn. 9 m. w. N.).
Rz. 9
Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO) bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis für einen konkreten Feststellungsantrag ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur zu bejahen, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch ein schützenswertes Interesse des Personalrats an der Klärung des Streitfalls durch eine gerichtliche Sachentscheidung gegeben ist. Ein derartiges Interesse ist anzuerkennen, solange sich die für die Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens anlassgebende Maßnahme nicht erledigt hat. Eine Erledigung ist zu verneinen, solange die streitige Maßnahme noch rechtswirksam ist, also nicht jegliche die personalvertretungsrechtliche Stellung des Personalrats berührende Wirkung verloren hat und es rechtlich und tatsächlich möglich ist, sie zu ändern oder für die Zukunft rückgängig zu machen, sodass die Fortsetzung oder Nachholung des Mitbestimmungsverfahrens noch Sinn macht (BVerwG, Beschluss vom 16. September 2019 - 5 P 5.18 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 46 Rn. 13 m. w. N.). Ein konkretes Feststellungsbegehren ist dagegen mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn die von ihm in Bezug genommene Maßnahme im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (BVerwG, Beschluss vom 20. Mai 2020 - 5 PB 24.19 - juris Rn. 11 m. w. N.). So liegt es hier.
Rz. 10
Anlassgebende Maßnahme für das vorliegende personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren war die Ablehnung des Antrags der Beschäftigten Frau M. vom 21. Januar 2019 durch die Beteiligte. Zum einen hat diese Maßnahme für zurückliegende Zeiträume vor 2022 bereits durch Zeitablauf ihre Wirkung verloren, weil und soweit eine rückwirkende Reduzierung der Arbeitszeit nicht mehr möglich ist. Zum anderen ist für die anschließenden durch den ursprünglichen Reduzierungsantrag der Beschäftigten erfassten Zeiträume durch den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich Erledigung eingetreten. Denn der von der Beteiligten abgelehnte ursprüngliche Reduzierungsantrag der Frau M. ist infolge des Vergleichs gegenstandslos geworden.
Rz. 11
2. Der damit unzulässige konkrete Feststellungsantrag wird nicht dadurch zulässig, dass mit den Ausführungen des Antragstellers in seiner Stellungnahme vom 7. Juni 2022 sinngemäß ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse geltend gemacht wird. Zum einen ist die Umstellung des Antrags in eine abstrakt gefasste Antragsform - wie oben dargelegt - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr möglich. Zum anderen wäre ein etwaiger Fortsetzungsfeststellungsantrag (analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) im Beschlussverfahren nicht statthaft, weil hier nicht die Verwaltungsgerichtsordnung, sondern gemäß § 78 Abs. 2 PersVG LSA die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren entsprechend anwendbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2019 - 5 P 3.18 - BVerwGE 166, 89 Rn. 10). Überdies wäre ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil gerichtliche Feststellungen hinsichtlich abgeschlossener Maßnahmen keine materielle Rechtskraftwirkung für künftige personalvertretungsrechtliche Vorgänge entfalten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss 29. Mai 2018 - 5 P 6.16 - Buchholz 250 § 25 BPersVG Nr. 20 Rn. 10 m. w. N.).
Rz. 12
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht im Hinblick auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung durch das Oberverwaltungsgericht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde entbindet nicht davon, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vorliegen müssen.
Rz. 13
Die Zurückweisung als unzulässig begründet auch keine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz (aus Art. 19 Abs. 4 oder Art. 20 Abs. 3 GG). Unabhängig davon, ob sich der antragstellende Personalrat überhaupt darauf berufen kann, scheidet eine solche Verletzung hier schon deshalb aus, weil es dem Antragsteller in den vorangegangenen Tatsacheninstanzen offenstand, zumindest hilfsweise auch einen abstrakten Feststellungsantrag zu stellen. Das gilt umso mehr, als die Möglichkeit einer Erledigung des konkreten Feststellungsantrags im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren durch eine Entscheidung in dem von Frau M. angestrengten arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie im Hinblick auf den erneuten Antrag von Frau M. und das dazu vorsorglich durchgeführte Mitbestimmungsverfahren bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bestand.
Fundstellen
Dokument-Index HI15642074 |