Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zusatz in der Rechtsmittelbelehrung eines Flurbereinigungsgerichts, der den Umkehrschluß zuläßt, daß die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht dem Anwaltszwang unterliegt, ist irreführend und damit i.S.v. § 58 Abs. 2 VwGO unzutreffend.
2. Den Vorschriften der § 28 Satz 1 Nr. 2, § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, § 95 und § 104 SachRBerG ist ein Vorrang des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG vor der Sachenrechtsbereinigung zu entnehmen.
Normenkette
VwGO § 58 Abs. 2, § 67 Abs. 1 Sätze 1-2, § 86 Abs. 1 S. 1, § 132 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 133 Abs. 2 S. 1, Abs. 5; BGB § 730 Abs. 2 S. 2; FlurbG § 138 Abs. 1 S. 2, § 140 S. 3; LwAnpG § 64; SachRBerG § 28 S. 1 Nr. 2; SachRBerG § 90 Abs. 3 S. 1 Nr. 4; SachRBerG § 95; SachRBerG § 104; GefStoffV § 15a Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3
Verfahrensgang
OVG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 29.07.1999; Aktenzeichen 9 K 13/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, daß der Kläger sie zunächst ohne anwaltliche Vertretung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt hat. Denn die Beschwerdeeinlegung ist sodann durch anwaltlichen Schriftsatz wiederholt worden, womit den Anforderungen des § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO genügt worden ist.
Eine Fristversäumnis ist nicht aufgetreten, weil das angefochtene Urteil dem Kläger mit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist. Es liefen somit nicht die dort genannten Fristen, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO; diese ist eingehalten worden.
Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Zusatz:
„Vor dem Bundesverwaltungsgericht muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen.”
Dieser Zusatz macht die Rechtsmittelbelehrung unzutreffend, weil er in Flurbereinigungssachen irreführend ist. Er läßt den Umkehrschluß zu, daß die Nichtzulassungsbeschwerde, die beim Flurbereinigungsgericht einzulegen ist, noch nicht dem Anwaltszwang unterliegt. In Wirklichkeit gilt aber bereits in diesem Verfahrensstadium der gesetzliche Anwaltszwang. Im einzelnen ist hierzu folgendes zu bemerken:
a) Durch Art. 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 – BGBl I S. 1626 – (6. VwGOÄndG) ist mit Wirkung vom 1. Januar 1997 § 140 Satz 3 FlurbG eingefügt worden. Diese hier sinngemäß anwendbare (vgl. § 60 LwAnpG) Vorschrift besagt, daß der – gleichzeitig neu gefaßte – § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verfahren vor den Flurbereinigungsgerichten keine Anwendung findet. Sinn der Regelung ist es, diese Verfahren, die bei den Fachsenaten der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe (§ 184 VwGO) anhängig werden (vgl. § 138 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), von dem Anwaltszwang auszunehmen, der mit der Neufassung des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe erstreckt worden ist (vgl. BTDrucks 13/3993, S. 14). Unberührt davon bleibt die Geltung des § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach u.a. bereits für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Anwaltszwang besteht. Dieser gilt somit auch für Nichtzulassungsbeschwerden, die gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO zunächst das Abhilfeverfahren beim Flurbereinigungsgericht durchlaufen müssen. In einer Nichtzulassungsbeschwerde soll immer ein von einem Anwalt geprüfter und gesichteter Streitstoff vorgetragen werden (vgl. BVerwG, Beschluß vom 16. Dezember 1996 – BVerwG 4 B 218.96 – Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 87).
b) Die Frage, ob eine Rechtsmittelbelehrung nach § 58 Abs. 1 VwGO auf den Vertretungszwang hinweisen muß, ist zumindest für die Nichtzulassungsbeschwerde verneint worden (vgl. BVerwGE 98, 126 ≪127≫; Beschluß vom 27. August 1997 – BVerwG 1 B 145.97 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67). Wenn aber – wie hier – ein derartiger Hinweis erfolgt, darf er für den Betroffenen nicht irreführend sein. Die Aussage, daß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten lassen muß, ist zwar an sich zutreffend. Sie ist aber in Flurbereinigungssachen unvollständig und wirkt deswegen irritierend; denn sie erweckt den Eindruck, daß der Anwaltszwang erst im Anschluß an den Nichtabhilfebeschluß einsetzt, wenn die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wird. Vorher befindet der Beschwerdeführer sich nicht „vor dem Bundesverwaltungsgericht”, sondern vor dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshofs, für den im übrigen kein Anwaltszwang gilt.
2. In der Sache bleibt die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
a) Die Beschwerde rügt eine Vernachlässigung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO unter Hinweis darauf, daß die Restnutzungsdauer des streitbefangenen Bergeraums vom Oberverwaltungsgericht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt worden sei, obwohl der Kläger in seiner Klagebegründung ausgeführt habe, dieser sei insgesamt „rekonstruktionsbedürftig”, weil er „mit einem gesundheitsschädlichen Asbestzementdach” versehen sei. Hiermit und mit dem weiteren Sachvortrag ist der gerügte Verfahrensfehler jedoch nicht schlüssig dargelegt.
Das Oberverwaltungsgericht hat dem Kläger entgegengehalten, er habe die vom Beklagten getroffenen Feststellungen zur Restnutzungsdauer des Bergeraums nicht substantiiert bestritten und die Ortsbesichtigung habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die voraussichtliche Restnutzungsdauer unter 25 Jahren liege (UA S. 7). Hiergegen ist nichts zu erinnern; denn eine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens mußte sich dem Oberverwaltungsgericht nach Lage der Dinge nicht aufdrängen.
Asbest ist ein krebserzeugender Gefahrstoff. Die Gefahr geht vom Einatmen der Asbestfasern aus. Nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) – inzwischen i.d.F. der Bek. vom 15. November 1999 (BGBl I S. 2233) – dürfen deswegen Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz Asbestimmissionen nicht ausgesetzt sein (vgl. BAG, Urteil vom 2. Februar 1994 – 5 AZR 273/93 – DB 1994, 1087). In Dächern aus Asbestzement sind die Asbestfasern fest gebunden und stellen deswegen im allgemeinen keine Gefahr dar. Davon geht offenbar die Beschwerde selbst aus, wenn sie vorträgt, sie könne den Eintrag einer bestimmten Asbestmenge pro Kubikmeter Luft nicht benennen; es könne „jahrelang überhaupt kein Asbest eingetragen werden”. Auch der weitere Vortrag der Beschwerde, „bei einem Schlag oder Erschütterung” könne Asbest „in das Gebäude fallen”, mag zutreffen. Hierdurch wird aber nicht ihre Schlußfolgerung gerechtfertigt, der Asbesteintrag erfolge „hier stets unkontrolliert”. Es bleibt nämlich unklar, wie das Dach eines Bergeraums Schlägen und Erschütterungen ausgesetzt sein kann, die geeignet sind, die Asbestfasern aus dem Zement freizusetzen. Denkbar ist dies im Grunde nur bei Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten, für die aber besondere Arbeitsschutzregelungen gelten (vgl. § 15 a Abs. 2 und 3 GefStoffV). Dies ermöglicht keine Rückschlüsse auf die Restnutzungsdauer des Bergeraums und kann deswegen einen weiteren Aufklärungsbedarf nicht erkennbar machen.
b) Auch die weitere Aufklärungsrüge der Beschwerde geht fehl.
Die Beschwerde beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Beigeladene zu 1 ohne Zustimmung der Beigeladenen zu 2 den Antrag auf Zusammenführung von Grund- und Gebäudeeigentum habe stellen können; im Hinblick auf die Regelung in § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB hätten die Beigeladenen hierzu befragt werden müssen.
Es trifft zu, daß nach der genannten Vorschrift die Geschäftsführung in einer Abwicklungsgesellschaft im Zweifel allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht, und zwar gilt dies auch dann, wenn für die werbende Gesellschaft Einzelgeschäftsführung vereinbart war. § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB ist vom Oberverwaltungsgericht hier aber nicht angewandt worden. Es heißt in dem Urteil nämlich – ohne Nennung einer Vorschrift – lediglich, im Zeitpunkt der Antragstellung sei die BGB-Gesellschaft L./Z. in Liquidation und Frau Z. – die Beigeladene zu 2 – aus der Geschäftsführung ausgeschieden gewesen. In diesem Zusammenhang folgt sodann die Feststellung: „Die Antragstellung allein durch den Beigeladenen zu 1 als Alleingeschäftsführer war rechtmäßig” (UA S. 6). Diese Feststellung ist nur verständlich, wenn man für den Fall der Auflösung durch Ausscheiden eines Gesellschafters annimmt, daß die Geschäftsführung dem verbliebenen Gesellschafter allein zufällt. Diese Schlußfolgerung mag mit § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vereinbar sein, so daß möglicherweise der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugrunde liegt. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist aber von dem materiellrechtlichen Standpunkt des Tatsachengerichts auszugehen, auch wenn dieser fehlerhaft sein sollte (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Dieser materiellrechtliche Ansatz erlaubte es hier dem Oberverwaltungsgericht, von einer weiteren Befragung der Beigeladenen abzusehen.
3. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Von der Beschwerde wird die Frage,
„ob es bei der Anwendung des § 64 LAnpG ausreicht, wenn Bruchteilseigentümer oder Gesamthandseigentümer einen Zusammenführungsantrag stellen, der andere Teil der Eigentümer sich aber nicht landwirtschaftlich betätigt”,
im Hinblick darauf für klärungsbedürftig angesehen, daß „einerseits ein Verfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und andererseits ein Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz notwendig” sei und entschieden werden müsse, welchem Verfahren Vorrang zukomme. Die Beschwerde ist der Meinung, „daßsämtliche Gebäudeeigentümer sowohl den Antrag stellen… als auch landwirtschaftlich tätig sein” müßten. Diese Fragestellung rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil sich das Verhältnis des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) i.d.F. der Bek. vom 3. Juli 1991 – BGBl I S. 1418 – zur Verwirklichung von Ansprüchen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachRBerG) vom 21. September 1994 – BGBl I S. 2457 – unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Die Sachenrechtsbereinigung ist ebenso wie das Bodenordnungsverfahren ein Regelungsinstrument zur Bereinigung der sachenrechtlichen Konflikte, die infolge der Trennung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum in der DDR aufgetreten sind (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SachRBerG). Ein wesentlicher Unterschied zum Bodenordnungsverfahren besteht darin, daß die Sachenrechtsbereinigung nicht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Zuweisungsverfahrens erfolgt. Statt dessen wird dem Nutzer (vgl. § 9 SachRBerG) ein Wahlrecht auf Bestellung eines Erbbaurechts oder auf Ankauf des Grundstücks eingeräumt (vgl. § 15 Abs. 1 SachRBerG). Die damit begründeten Ansprüche hat der Nutzer vorab in einem notariellen Vermittlungsverfahren (vgl. §§ 87 ff. SachRBerG) zu verfolgen, das in ein Klageverfahren mündet, wenn die Vermittlung erfolglos bleibt (vgl. §§ 103 ff. SachRBerG).
Das Verhältnis der Sachenrechtsbereinigung zum Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG regeln § 28 Satz 1 Nr. 2, § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, § 95 und § 104 SachRBerG. Den genannten Vorschriften ist ein Vorrang des Bodenordnungsverfahrens vor der Sachenrechtsbereinigung zu entnehmen. Dies gilt nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem ein Bodenordnungsverfahren angeordnet worden ist (vgl. § 28 Satz 1 Nr. 2 SachRBerG). Vielmehr ist bereits der Antrag auf Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum nach § 64 LwAnpG ein Verfahrenshindernis für die weitere Verfolgung von Ansprüchen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Er führt zur Einstellung des notariellen Vermittlungsverfahrens (vgl. § 95 SachRBerG), was zur Folge hat, daß eine Sachurteilsvoraussetzung für die klageweise Geltendmachung der Ansprüche fehlt (vgl. § 104 SachRBerG). Ein Erfordernis, daß der oder die Antragsteller landwirtschaftlich tätig sein müssen, kennt das Gesetz nicht. Die von § 64 LwAnpG ermöglichte Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum ist weder auf landwirtschaftliche Flächen beschränkt noch ausschließlich auf eine Rückkehr zu landwirtschaftlicher Nutzung gerichtet (vgl. BVerwGE 105, 128 ≪133≫; 107, 177 ≪181≫).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 GKG und Abschnitt II Nr. 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563 ff. = DVBl 1996, 605 ff. = GewArch. 1996, 462 ff.).
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
Haufe-Index 567459 |
NJ 2000, 385 |
RdL 2000, 137 |
UPR 2000, 279 |
OVS 2000, 200 |