Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlrecht zu den Personalvertretungen der kreisfreien Städte und Kreise. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Arbeitsgemeinschaften
Leitsatz (amtlich)
Die Frage nach dem Wahlrecht zu den Personalvertretungen der kreisfreien Städte und Kreise für Beschäftigte, die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass § 44b SGB II verfassungswidrig und längstens bis 31. Dezember 2010 anzuwenden ist.
Normenkette
BrbgPersVG §§ 13, 95; SGB II § 44b
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 21.11.2007; Aktenzeichen 61 PV 2.07) |
VG Potsdam (Entscheidung vom 13.12.2006; Aktenzeichen 21 K 1139/06.PVL) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 21. November 2007 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 95 Abs. 2 BrbgPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
1. Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht vom Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom 29. November 2006 – 8 L 426/05 – (juris) ab.
Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz kann auch dann anzunehmen sein, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts und diejenige des anderen Oberverwaltungsgerichts auf der Grundlage verschiedener, aber inhaltsgleicher Normen des Personalvertretungsrechts ergangen sind. Inhaltsgleich sind Vorschriften verschiedener Personalvertretungsgesetze trotz vollständiger oder weitgehender wörtlicher Übereinstimmung dann nicht, wenn sie in einem für die systematische Auslegung bedeutsamen andersartigen Regelungszusammenhang stehen (vgl. Beschluss vom 28. Januar 2004 – BVerwG 6 PB 10.03 – Buchholz 251.2 § 91 BlnPersVG Nr. 2 S. 1 f. m.w.N.). So liegt es hier.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 MVPersVG werden zu einer Dienststelle abgeordnete Beschäftigte in ihr wahlberechtigt, sobald die Abordnung länger als drei Monate gedauert hat; im gleichen Zeitpunkt erlischt das Wahlrecht in der bisherigen Dienststelle. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist in den von ihr erfassten Fällen der Verlust des Wahlrechts in der alten Dienststelle stets mit dem Erwerb des Wahlrechts in der neuen Dienststelle verbunden. Im Gegensatz dazu steht die weitere Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 3 MVPersVG, die als Rechtsfolge allein den Verlust des Wahlrechts vorsieht: Beschäftigte, die am Wahltag länger als sechs Monate unter Wegfall der Bezüge beurlaubt sind, sind nicht wahlberechtigt. Die rechtssystematische Zusammenschau beider Vorschriften lässt eine Auslegung als möglich erscheinen, wonach § 11 Abs. 2 Satz 1 MVPersVG nur diejenigen Fälle erfasst, in welchen beim vorübergehenden Dienststellenwechsel der Verlust des Wahlrechts in der alten stets mit dem Erwerb des Wahlrechts in der neuen Dienststelle einhergeht, während der ausschließliche Verlust des Wahlrechts nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 MVPersVG stattfindet. Einen derartigen Schluss hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald in seiner vom Beteiligten zitierten Entscheidung gezogen (a.a.O. Rn. 14 ff.).
Für den Fall der Abordnung trifft § 13 Abs. 2 Satz 1 BrbgPersVG eine mit § 11 Abs. 2 Satz 1 MVPersVG weitgehend wortgleiche Regelung. Demgegenüber fehlt in § 13 BrbgPersVG eine Regelung über den Verlust des Wahlrechts in den Fällen der Beurlaubung ohne Bezüge. Auch eine sonstige Regelung, die den ausschließlichen Verlust des Wahlrechts vorsieht, findet sich dort nicht. Das brandenburgische Landespersonalvertretungsrecht enthält daher keine Vorschrift, welche die Auslegung des § 13 Abs. 2 Satz 1 BrbgPersVG unter systematischen Gesichtspunkten in der einen oder anderen Richtung steuert. Damit ist die Rechtslage in Brandenburg eine andere als diejenige in Mecklenburg-Vorpommern. Angesichts dessen widersprechen der angefochtene Beschluss und der zitierte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Greifswald einander nicht. Beide Entscheidungen können ohne Gefahr für die Rechtseinheit Bestand haben.
2. Die Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage nach dem Verlust des Wahlrechts bei Beschäftigten der kreisfreien Städte und Kreise nach Arbeitsaufnahme bei einer Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage, wenn ihre Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. Beschluss vom 22. August 2005 – BVerwG 6 PB 5.05 – PersR 2006, 35 m.w.N., insoweit bei Buchholz 251.21 § 91 BrbgPersVG Nr. 1 nicht abgedruckt).
a) Die vorgenannten Voraussetzungen sind zunächst nicht erfüllt, soweit der Beteiligte auf die Lage in den anderen Bundesländern verweist. Wie bereits die Ausführungen zur Divergenzrüge erweisen, unterscheiden sich die Regelungen des aktiven Wahlrechts zu den Personalvertretungen nach den verschiedenen Landesgesetzen in mannigfacher Hinsicht. Angesichts dessen steht nicht zu erwarten, dass eine Entscheidung des Senats im vorliegenden Fall über das Land Brandenburg hinaus Aussagekraft hat.
Ebenso verhält es sich mit Blick auf die Rechtslage nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, auf welche der Beteiligte im Schriftsatz vom 8. Mai 2008 wegen der zu den Arbeitsgemeinschaften entsandten Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit ergänzend eingegangen ist. Die Gesamtregelung über den Erwerb und Verlust des Wahlrechts in § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BPersVG unterscheidet sich wiederum von den zitierten Bestimmungen in den beiden genannten Bundesländern; namentlich enthält § 13 Abs. 2 Satz 4 BPersVG zum Verlust des Wahlrechts im Falle der Zuweisung nach § 123a BRRG eine Sonderregelung, für welche es weder in Brandenburg noch in Mecklenburg-Vorpommern eine Entsprechung gibt.
b) Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit auf die Personalvertretungen in Brandenburg abgestellt wird. Eine personalvertretungsrechtliche Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie nur eine geringe Anzahl von Dienststellen vorübergehend betrifft. In einem derartigen Fall gebieten Zwecke der Rechtsfortbildung und Rechtsvereinheitlichung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (vgl. Beschluss vom 22. August 2005 a.a.O. S. 35 f.). So liegt es hier.
Von der hier in Rede stehenden Frage betroffen sind die Personalvertretungen derjenigen kreisfreien Städte und Kreise, die – neben der Bundesagentur für Arbeit – Leistungsträger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) und zusammen mit der Bundesagentur Arbeitsgemeinschaften nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II errichten. Insgesamt hat das Land Brandenburg 4 kreisfreie Städte und 14 Landkreise (vgl. Staatshandbuch Brandenburg 2008, S. IX). Als nicht betroffen abzuziehen sind diejenigen 5 Landkreise in Brandenburg, die als zugelassene kommunale Träger die Grundsicherung für Arbeitsuchende in vollem Umfang erbringen und in deren Zuständigkeitsbereich deswegen die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft ausscheidet (§§ 6a, 6b SGB II i.V.m. der Verordnung vom 24. September 2004, BGBl I S. 2349). Es verbleiben daher die Personalvertretungen in 4 kreisfreien Städten und 9 Landkreisen.
Für deren Zusammensetzung ist die hier in Rede stehende Rechtsfrage nur noch für einen begrenzten Zeitraum von Interesse. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich mit Urteil vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04 u.a. – (NVwZ 2008, 183) entschieden, dass § 44b SGB II mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie Art. 83 GG unvereinbar ist und nur noch bis zum 31. Dezember 2010 anwendbar bleibt, wenn der Gesetzgeber nicht zuvor eine andere Regelung trifft. Dies bedeutet, dass die Arbeitsgemeinschaften spätestens zum 31. Dezember 2010 aufzulösen sind und ihre Aufgaben auf Dienststellen übergehen, die der Gesetzgeber nach Maßgabe der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt. Danach ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass sich die Frage des Wahlrechts für die kommunalen Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften bei den regulären Personalratswahlen in der Zeit von März bis Mai 2010 letztmals stellt (§ 27 Abs. 1 BrbgPersVG). Die Rechtseinheit nimmt jedoch keinen Schaden, wenn in den betroffenen kreisfreien Städten und Kreisen der vorliegenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gefolgt wird.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Büge, Vormeier
Fundstellen
ZTR 2008, 517 |
ZfPR 2008, 110 |