Verfahrensgang
VG Chemnitz (Urteil vom 22.11.2001; Aktenzeichen 9 K 1731/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. November 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 91 112 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG –. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie die Klagefrist versäumt hätten und auch ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet gestellt worden sei.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (1), noch ist der gerügte Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erkennbar (2).
1. a) Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig,
„ob ein Rechtsanwalt, dem das Gericht das Eingangsdatum eines Rechtsschutzantrags oder Rechtsmittels bestätigt, auch dann verpflichtet ist, anhand der gerichtlichen Eingangsbestätigung die Einhaltung der Antrags- bzw. Rechtsmittelfrist zu überprüfen, wenn sich aus dem Wortlaut der Eingangsbestätigung keine Anhaltspunkte für eine verspätete Einlegung ergeben.”
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn es ist offenkundig, dass sie zu bejahen ist. Die Behauptung der Kläger, nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte bestehe grundsätzlich keine Verpflichtung des Rechtsanwalts, den fristgerechten Zugang eines von ihm eingelegten Rechtsmittels oder Rechtsschutzantrags auch bei Mitteilung des Eingangsdatums durch das Gericht zu überprüfen, ist unzutreffend. Während das von ihnen angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. April 1968 (BGHZ 50, 82 ≪84≫) sich zu dieser Frage gar nicht verhält, betrifft der ebenfalls genannte Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 4. November 1986 (NJW 1987, 334) einen Sonderfall. Dort war dem Anwalt zwar auch das Eingangsdatum mitgeteilt worden, aus dem er die Verspätung hätte folgern können. Maßgeblich für die Verneinung eines Anwaltsverschuldens war für das Oberlandesgericht jedoch, dass das Eingangsdatum in dem gerichtlichen Schreiben nur beiläufig erwähnt wurde, nämlich im Zusammenhang mit der Verlängerung der Frist zur Begründung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil; denn damit war zugleich der Eindruck vermittelt worden, dass das Gericht den Einspruch als zulässig und damit auch als fristgerecht ansah, so dass der Anwalt seine Aufmerksamkeit nicht auf das mitgeteilte Datum lenken musste. Hiermit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Zwar enthielt die gerichtliche Eingangsmitteilung auch die Aufforderung zur Begründung der Klage. Es handelte sich aber – für den Anwalt ohne weiteres erkennbar – lediglich um einen formularmäßigen Hinweis, der nicht den Eindruck vermitteln konnte, dass das Gericht die Rechtzeitigkeit der Klage bereits geprüft habe.
Für den Fall einer „normalen” gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum einer Rechtsmittelschrift hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu Recht entschieden, dass es zu den Pflichten eines Anwalts gehöre, anhand dieser Nachricht zu überprüfen oder durch geeignetes Büropersonal überprüfen zu lassen, ob die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen sei (Beschluss vom 13. Mai 1992 – VIII ZB 3/92 – NJW 1992, 2098; Beschluss vom 29. Juni 1982 – IV ZB 6/82 – VersR 1982, 971 f.; Beschluss vom 29. April 1975 – VI ZB 2/75 – VersR 1975, 860 ≪861≫); denn es ist auch und gerade Zweck eines solchen gerichtlichen Schreibens, dem Anwalt diese Kontrolle zu ermöglichen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Mitteilung über den Eingang fristgebundener Klageschriften im Verwaltungsprozess.
b) Die anschließende Frage der Kläger,
„ob in einer verspätet eingegangenen Klageschrift zugleich ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist zu sehen ist,”
ist ebenso wenig klärungsbedürftig. Es liegt auf der Hand, dass die bloße Einreichung eines Rechtsbehelfs im Falle seiner Verspätung nicht schon deswegen als Wiedereinsetzungsantrag bewertet werden muss. Vielmehr verlangt auch der Bundesgerichtshof – auf den die Kläger sich für ihre Rechtsauffassung berufen – für die Annahme eines konkludenten Wiedereinsetzungsbegehrens, dass sämtliche die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen aktenkundig seien und sich aus den Angaben in der Rechtsmittelschrift eindeutig die Verspätung des Rechtsmittels ergebe, weil nur dann der Wille des Rechtsmittelklägers, die Wiedereinsetzung zu beantragen, unterstellt werden könne (BGHZ 63, 389 ≪392 f.≫).
c) Ohne Erfolg bleibt auch die Grundsatzrüge des Klägers, die sich gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts wendet, das fehlende Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Kläger an der Versäumung der Klagefrist sei nicht offenkundig. Die Kläger halten insoweit für klärungsbedürftig,
„ob von einer Offenkundigkeit des fehlenden Verschuldens als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO bereits dann ausgegangen werden kann, wenn offenkundig ist, dass der verspätete Eingang der Klageschrift bei Gericht auf einem Fehler beruht, der üblicherweise vom ordnungsgemäß ausgewählten nicht juristischen Personal einer Rechtsanwaltskanzlei erledigt wird.”
Die Antwort auf diese Frage bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Fragestellung geht bereits daran vorbei, dass das Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Verspätung sich nicht daran bemisst, ob das nicht juristische Personal von Anwälten üblicherweise ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht wird, sondern danach, ob es im konkreten Fall ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht worden ist.
d) Schließlich verleiht auch die Frage,
„ob das Gericht im Falle seiner Zusage, einem Beteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren, an diese Zusage gebunden ist,”
der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt auf der Hand, dass solche Zusagen, solange sie nicht in eine Entscheidung umgesetzt worden sind, das Gericht nicht davon entbinden können, über die Wiedereinsetzung nach Gesetz und Recht zu entscheiden. Eine andere Frage ist, ob solche Zusicherungen einen Vertrauenstatbestand begründen mit der Folge, dass dem Zusicherungsempfänger daraus erwachsene eigene Säumnisse nicht zugerechnet werden können. Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Ob durch das Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 9. November 1998, auf das sich die Kläger berufen, ein Vertrauenstatbestand begründet werden konnte, ist nicht entscheidungserheblich. Denn nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts war zu diesem Zeitpunkt bereits die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelaufen.
2. Es ist auch kein Verfahrensmangel erkennbar, welcher der Beschwerde der Kläger zum Erfolg verhelfen kann.
Die Kläger berufen sich darauf, gegenüber dem Verwaltungsgericht geltend gemacht zu haben, dass ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden wäre, wenn sie keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hätten, weil das Gericht in diesem Fall davon ausgegangen wäre, dass die Verspätung auf eine seinerzeit üblicherweise fehlerhaft erteilte Auskunft der Telekom zurückzuführen sei. Sie hätten sich weiter darauf berufen, dass dieses Versehen der Telekom zumindest im Sinne einer hypothetischen Kausalität für die Fristversäumung ursächlich gewesen sei, weil die Angestellte ihres Prozessbevollmächtigten die Fax-Nummer bei der Telekom oder mit Hilfe des ebenfalls fehlerhaften Telefonbuchs ermittelt hätte, wenn sie nicht ein entsprechendes Verzeichnis des Deutschen Anwaltverlags (mit korrekten Angaben) zur Verfügung gehabt hätte. Das Verwaltungsgericht sei in seinem Urteil auf diese Argumente mit keinem Wort eingegangen und habe diese Gesichtspunkte auch in der mündlichen Verhandlung nicht mit den Beteiligten erörtert. Darin liege eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO.
Der Verfahrensmangel liegt nicht vor. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 5, 22 ≪24≫). Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Dass dies nicht geschehen ist, kann nur festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des einzelnen Falls ergibt (BVerfGE 22, 267 ≪274≫; 96, 205 ≪217≫; stRspr). Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. Dass die Kläger diesen Vortrag nicht für zentral und zu ihrer Rechtsverfolgung wesentlich gehalten haben, ergibt sich bereits daraus, dass sie ihn nicht von sich aus in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zur Sprache gebracht haben. Im Übrigen ist die Vorstellung, ein Versehen der Telekom könnte die Kläger von dem Vorwurf des Verschuldens an der Verspätung entlasten, obwohl das Verhalten der Telekom nach der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs für die Säumnis gar nicht ursächlich sein konnte, eher fern liegend. Auch deswegen musste es das Verwaltungsgericht nicht für notwendig halten, hierauf in den Entscheidungsgründen ausdrücklich einzugehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Kley
Fundstellen