Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 28.11.2018; Aktenzeichen 3d A 754/12.O) |
VG Münster (Entscheidung vom 16.02.2012; Aktenzeichen 13 K 1107/11.O) |
Gründe
Rz. 1
1. Der 1951 geborene Beklagte stand als Oberstudiendirektor im Dienst des klagenden Landes und wurde zuletzt als Schulleiter verwendet. Im Frühjahr 2006 wurde bei ihm eine Lungenkrebserkrankung diagnostiziert. Mit Ablauf des Jahres 2009 versetzte ihn der Kläger wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand.
Rz. 2
Nachdem bei einer Hausdurchsuchung im Dezember 2007 pornografische Bilddateien auf dem Personalcomputer des Beklagten gefunden worden waren, verurteilte ihn das Amtsgericht im Dezember 2008 wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils hatte der Beklagte neben einer Vielzahl strafrechtlich nicht relevanter Bilddateien acht Bilddateien mit kinderpornografischem Inhalt besessen, die im Zeitraum von Januar 2006 bis Dezember 2007 abgespeichert worden waren. Im sachgleichen Disziplinarverfahren erkannte das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt ab, die hiergegen gerichtete Berufung blieb erfolglos.
Rz. 3
Das Berufungsgericht hat im ersten Berufungsurteil offengelassen, ob einem Strafurteil indizielle Wirkung für die Schwere des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens zukommen könne. Jedenfalls sei angesichts des Inhalts der Bilddateien und der nicht unerheblichen Anzahl von acht Bilddateien hier ausnahmsweise trotz einer von den Strafgerichten nur ausgesprochenen Geldstrafe im unteren Bereich von einer besonders schweren Verfehlung auszugehen. Auch die Frage, ob es durch das Lungenkarzinoid zu einer vermehrten Serotoninausschüttung gekommen sei, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Auch ohne sachverständige Begutachtung stehe zur sicheren Überzeugung des Gerichtes fest, dass eine derartige Störung nicht das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfüllen könne.
Rz. 4
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat der Senat (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 49) das erste Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung zurückverwiesen, das Berufungsurteil könne auf den vom Beklagten geltend gemachten Verstößen gegen die Aufklärungspflicht beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hätte das Vorbringen des Beklagten zum Vorliegen einer krankhaften Störung nicht unter Hinweis auf einen Wikipedia-Eintrag und die auch ohne sachverständige Begutachtung sichere Überzeugung des Senats abtun dürfen. Mit der Aussage, selbst wenn man eine Auswirkung der erhöhten Serotoninproduktion auf die Sexualfunktion annehme, könne dies nicht erklären, warum diese Auswirkungen ausgerechnet zum Herunterladen und Abspeichern kinderpornografischer Bilder hätte führen sollen, maße sich das Oberverwaltungsgericht Kenntnisse zu medizinischen Kausalzusammenhängen an, deren Grundlage und Fundierung jedenfalls nicht offen gelegt seien. Schließlich verkenne die Argumentation des Berufungsurteils auch, dass das Vorliegen einer krankhaften Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit auch unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB für die Gesamtwürdigung von Bedeutung sein könne. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme für ein außerdienstlich begangenes und von den Strafgerichten mit einer Geldstrafe im unteren Bereich geahndetes Dienstvergehen nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht komme. Solche Umstände dürften sich vorliegend jedenfalls nicht aus den Umständen der Tatbegehung ergeben. Nach Anzahl, Art und Inhalt der abgeurteilten Bilddateien, dem Alter der betroffenen Kinder und der Form des abgebildeten Missbrauchs lägen die vom Beklagten begangenen Taten im deutlich unteren Bereich der möglichen Begehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB a.F. und hätten daher für sich genommen noch nicht den für die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme erforderlichen Schweregehalt. Dementsprechend sei der mögliche Strafrahmen durch die Strafgerichte auch nicht ausgeschöpft und nur auf eine Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen erkannt worden.
Rz. 5
Nach der Zurückverweisung hat das Oberverwaltungsgericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer möglichen Ausschüttung des Hormons Serotonin durch den beim Beklagten festgestellten Tumor und zur Wirkungsweise dieses Hormons. Mit Urteil vom 28. November 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten erneut zurückgewiesen. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt: Der Beklagte habe durch den Besitz von acht kinderpornografischen Bilddateien auf der Festplatte seines Computers ein schwerwiegendes einheitliches Dienstvergehen begangen, dem unabhängig davon, dass gegen ihn lediglich eine Geldstrafe verhängt worden sei, grundsätzlich die disziplinarische Ahndung mit der Höchstmaßnahme gebühre. Diese Maßnahme sei hier auch mit Rücksicht darauf angezeigt, dass der Beklagte, als er das Dienstvergehen begangen habe, seit August 1998 eine leitende, mit Vorgesetztenfunktionen einhergehende Tätigkeit innegehabt habe, und dass er ab Juli 1999 als Oberstudiendirektor ein statusrechtliches Amt bekleidet habe, dem eine herausgehobene Stellung innerhalb der Beamtenschaft zukomme.
Rz. 6
2. Die Beschwerde hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 67 LDG NRW, § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 7
a) Dies gilt zunächst für die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe, obwohl es weiteren Aufklärungsbedarf zur psychischen Gesundheit des Beklagten gegeben habe.
Rz. 8
aa) Im gerichtlichen Disziplinarverfahren haben die Tatsachengerichte nach § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW und § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 65 Abs. 1 LDG NRW grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 20). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW (entspricht § 58 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG) auch für die Berufungsinstanz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).
Rz. 9
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Aufklärungsrüge stellt zudem kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫; Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 19. Februar 2018 - 2 B 51.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 6).
Rz. 10
Die Verwaltungsgerichte treffen bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme eine eigene Bemessungsentscheidung gemäß § 13 LDG NRW. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Das Bemessungskriterium "Persönlichkeitsbild des Beamten" gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ≪259 f.≫ und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 14). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt hinreichenden Anlass bietet. Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ein Sachverhalt nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, dessen rechtliche Würdigung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beamten ergibt, so ist dieser Gesichtspunkt nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" in die Gesamtwürdigung einzustellen. Dies trägt auch der disziplinarrechtlichen Geltung des Schuldprinzips und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung (BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 30 und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 27; Beschluss vom 19. Februar 2018 - 2 B 51.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 7).
Rz. 11
Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. BGH, Urteile vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59 - BGHSt 14, 30 ≪32≫ und vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68 - BGHSt 23, 176 ≪190≫; stRspr). Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 - NStZ 2004, 437 und vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04 - NStZ 2005, 329 ≪330≫). Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 21 Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 30; Beschluss vom 19. Februar 2018 - 2 B 51.17 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 8).
Rz. 12
Hinsichtlich eines zusätzlich einzuholenden Sachverständigengutachtens ist den Tatsachengerichten nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 und 412 ZPO Ermessen eröffnet. Die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem Beweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 ≪45≫; Beschlüsse vom 29. Mai 2009 - 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5 Rn. 7 und vom 26. September 2014 - 2 B 14.14 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 5 Rn. 18 f. m.w.N.). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 S. 122, vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2 und vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 47; Beschlüsse vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4, vom 21. Juli 2016 - 2 B 40.16 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 46 Rn. 15, vom 29. August 2017 - 2 B 76.16 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 9 Rn. 17 und vom 16. Mai 2018 - 2 B 12.18 - Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 3 Rn. 9).
Rz. 13
bb) Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beklagten verneint, weil auch nach erfolgter Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Beklagte im Tatzeitraum an einer krankhaften seelischen Störung oder einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB gelitten habe. Hierfür gäben die Diagnosen des ihn behandelnden Internisten und Psychotherapeuten aus den Jahren 2009 und 2010 nichts her. Auch ein eventuell erhöhter Serotoninspiegel aufgrund einer möglichen Produktion dieses Botenstoffs durch das beim Beklagten festgestellte Karzionid rechtfertigten keine Zweifel an seiner uneingeschränkten Schuldfähigkeit. Denn nach dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten habe der Beklagte jedenfalls nach der Entfernung des Lungentumors nicht mehr unter dem Einfluss einer tumorbedingten Serotoninausschüttung gelitten. In dieser Zeit habe er drei der inkriminierten acht Dateien heruntergeladen und alle acht Bilddateien gespeichert. Da sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Serotoninausschüttung im gesamten Tatzeitraum ergeben hätten, habe für das Berufungsgericht keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bestanden.
Rz. 14
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht durch die Nichteinholung eines weiteren Sachverständigengutachtens seine Aufklärungspflicht verletzt hat.
Rz. 15
Der anwaltlich vertretene Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift keinen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gestellt. Ein solcher Beweisantrag war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Beklagtenbevollmächtigte zuvor schriftsätzlich - ohne nähere Substanziierung - in einem Satz darauf hingewiesen hatte, dass "das vorgelegte Gutachten ausdrücklich die Beweisfragen in den Antworten nicht gänzlich ab(deckt), zu deren Bewältigung eine ergänzende Begutachtung notwendig erscheint". Das folgt zumindest daraus, dass das Berufungsgericht in Reaktion auf den anwaltlichen Schriftsatz den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung den Hinweis erteilt hatte, dass und warum es die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht für erforderlich hielt.
Rz. 16
Dem Berufungsgericht musste sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens auch nicht aufdrängen. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Gutachter nicht alle der dem Gutachtensauftrag zugrunde liegenden Beweisfragen beantworten konnte. Dies gilt nicht nur für den nach der Vernichtung des Paraffinblocks objektiv unmöglich gewordenen Nachweis der exakten Kategorisierung des Tumors, sondern auch für die Fragen, für deren Beantwortung der Gutachter die Hinzuziehung eines Sachverständigen mit neurophysiologischen/psychiatrischen Schwerpunkt für erforderlich gehalten hat. Der Gutachter hat selbst die Beantwortung dieser Fragen für möglicherweise entbehrlich gehalten. Vor allem aber kam es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht auf die in einem weiteren Gutachten möglicherweise zu gewinnenden Erkenntnisse an: Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der Erkenntnis des Gutachtens, dass nach der Tumorentfernung kein erhöhter Serotoninspiegel beim Beklagten vorlag, aus dem Umstand, dass der Beklagte gleichwohl in diesem Zeitraum einen Teil der festgestellten Pflichtverletzungen begangen hat, geschlossen, dass auch ein etwa erhöhter Serotoninspiegel in der Zeit vor der Tumorentfernung die gleichartigen Pflichtverletzungen in diesem Zeitraum nicht erklären und die Annahme verminderter Schuldfähigkeit nicht rechtfertigen könne. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung bedurfte es der von der Beschwerde vermissten Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht.
Rz. 17
b) Auch die Rüge, das Berufungsgericht sei unter Verstoß gegen die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO von der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts in dem im ersten Beschwerdeverfahren des Beklagten ergangenen Beschluss vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - abgewichen, greift nicht durch.
Rz. 18
aa) Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Diese Bindungswirkung umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1973 - 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 ≪247≫ und vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - BVerwGE 145, 122 Rn. 22; Beschlüsse vom 21. August 1997 - 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 9). Erfasst sind damit die Ausführungen des Revisionsgerichts, aus denen sich die Verletzung von revisiblem Recht ergibt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Februar 1973 - 3 B 25.72 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 21 S. 9, vom 21. März 1986 - 3 CB 30.84 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 46 S. 10 und vom 29. April 2019 - 2 B 25.18 - juris Rn. 9).
Rz. 19
Die in § 144 Abs. 6 VwGO bestimmte Bindung des Berufungsgerichts verwehrt diesem lediglich eine Abweichung von der der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrundeliegenden rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts und somit die Wiederholung der vom Revisionsgericht gerügten Fehler; sie bezieht sich hingegen nicht auf darüber hinausgehende, weiterführende Hinweise des Revisionsgerichts für die anderweitige Verhandlung und Entscheidung (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 1990 - 2 B 114.90 - juris Rn. 10 m.w.N. und vom 29. April 2019 - 2 B 25.18 - juris Rn. 12).
Rz. 20
Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gilt auch für zurückverweisende Beschlüsse nach § 133 Abs. 6 VwGO (BVerwG, Beschlüsse vom 11. Juli 2000 - 8 B 154.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 68 S. 2 und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 10). Bei der Bestimmung der Reichweite der Bindungswirkung des Beschlusses nach § 133 Abs. 6 VwGO ist aber dessen beschränkter Gegenstand zu berücksichtigen. Aus § 133 Abs. 3 VwGO ergibt sich, dass das Beschwerdegericht, sofern die Beschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, nur prüfen kann, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. Erwirkt ein Beteiligter mit der Rüge der unzureichenden Sachaufklärung im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 6 VwGO, so ist die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO auf die Beurteilung der gerügten Sachaufklärung und anderer nicht durchgreifender Rügen durch das Bundesverwaltungsgericht beschränkt; diesem ist es aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verwehrt, sich mit Gesichtspunkten zu befassen, die der Beschwerdeführer nicht gerügt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 1o ff. m.w.N. und vom 29. April 2019 - 2 B 25.18 - juris Rn. 14).
Rz. 21
bb) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entfaltet die Einordnung der festgestellten Pflichtverletzungen des Beklagten als im deutlich unteren Bereich der möglichen Begehungsformen einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB a.F., die vom Bundesverwaltungsgericht in dem im ersten Beschwerdeverfahren des Beklagten ergangenen Beschluss vorgenommen worden ist, keine Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO für das nachfolgende Verfahren. Die betreffende Passage zur Maßnahmebemessung am Ende des Beschlusses war nicht tragend für die wegen Verletzung der Sachaufklärungspflicht erfolgte Aufhebung des ersten Berufungsurteils. Sie enthielt vielmehr lediglich einen Hinweis für das weitere Verfahren.
Rz. 22
Lediglich angemerkt sei, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Lehrern der außerdienstliche Besitz kinderpornografischen Materials besonders schwer wiegt, weil hier stets ein enger dienstlicher Bezug gegeben ist. Ein derartiges Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, bietet keine Gewähr, dass er die ihm dienstlich obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann. Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht den Schluss gezogen, dass der Orientierungsrahmen für den außerdienstlichen Besitz kinderpornografischen Materials bei Lehrern bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reicht. Demnach kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials, als besonders verwerflich einzustufen ist und dem Beamten keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zugutekommen (BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 11 m.w.N.). Anzahl und Inhalt des Materials können eine besondere Verwerflichkeit begründen, die die Höchstmaßnahme rechtfertigen kann (BVerwG, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 B 42.16 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 40 Rn. 13). Dies bedeutet aber nicht, dass mit Blick auf jeden dieser beiden Aspekte (Anzahl und Inhalt) jeweils eine besondere Verwerflichkeit erforderlich ist und nur bei kumulativer Erfüllung beider Aspekte eine die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme rechtfertigende besondere Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens vorliegt. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die beide Aspekte - die gleichsam in einem Verhältnis kommunizierender Röhren zueinander stehen - in den Blick zu nehmen und zu würdigen hat. Eine die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigende besondere Verwerflichkeit kann daher auch dann vorliegen, wenn bei nicht sehr großer Anzahl ein besonders schwerwiegender Inhalt oder bei nicht sehr schwerwiegendem Inhalt eine große Anzahl kinder- und jugendpornografischer Schriften, Bild- und Videodateien in Rede steht. Die Frage, ab welcher Anzahl oder ab welchem Inhalt eine besondere Verwerflichkeit anzunehmen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden; es kommt stets auf eine Gesamtbetrachtung von Anzahl und Inhalt im konkreten Einzelfall an (BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2019 - 2 B 82.18 - Rn. 21).
Rz. 23
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.
Fundstellen
Dokument-Index HI13396601 |