Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Aktenzeichen Bf III 17/96) |
Tenor
Der Beschluß des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 1998 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe
Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob das Berufungsgericht durch Beschluß nach § 130 a VwGO in der jetzt geltenden Fassung über die noch nach § 84 Abs. 2 VwGO in der vor Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) geltenden Fassung eingelegte Berufung entscheiden durfte. Denn diese Rechtsfrage betrifft Fälle zu ausgelaufenem Recht und der Kläger hat nicht dargelegt, daß dazu noch über eine erhebliche Anzahl offener Fälle zu entscheiden sei.
Mit der Begründung, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht und das rechtliche Gehör verletzt, indem es die beantragte Beweisaufnahme zu Zuordnung und Bedeutung des Versicherungsscheines nicht durchgeführt habe, ist kein Verfahrensmangel bezeichnet, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn das Berufungsgericht hat die Berufung mit einer anderen, den Versicherungsschein nicht betreffenden, die Berufungsentscheidung allein tragenden, Feststellung zum Fehlen ausreichender Deutschkenntnisse zurückgewiesen (Berufungsbeschluß S. 15 Abs. 3). In bezug auf diese Begründung aber hat der Kläger keinen Verfahrensmangel geltend gemacht.
Nach § 133 Abs. 6 VwGO wird der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen, weil ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Vortrag des Klägers zur grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) der hier maßgeblichen Auslegung und Anwendung des § 130 a VwGO enthält nämlich auch die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu würdigende Verfahrensrüge (vgl. BVerwG, Beschluß vom 29. Juni 1977 – BVerwG 5 B 88.76 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 154 S. 32≫), das Berufungsgericht habe nicht nach § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entscheiden dürfen. Durch §§ 84, 130 a VwGO in der Fassung vor Inkrafttreten des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze war sichergestellt, daß die Beteiligten in einer Instanz mündliche Verhandlung erreichen konnten. Diese Zielsetzung liegt auch §§ 84, 130 a VwGO in ihrer jetzt geltenden Fassung zugrunde. So heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrucks 13/3993 S. 12 zu Nummer 8 ≪§ 84 VwGO≫): „Mit Rücksicht auf Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl II 1952 S. 686) muß gewährleistet werden, daß in einer Instanz über das Rechtsschutzbegehren mündlich verhandelt wird.” Dieser Zielsetzung des Gesetzes folgend, darf nicht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß nach § 130 a VwGO entschieden werden, wenn – wie hier – gegen einen Gerichtsbescheid nicht mündliche Verhandlung beantragt, sondern nur Berufung eingelegt werden konnte (vgl. auch BVerwG, Beschluß vom 7. Mai 1998 – BVerwG 3 B 208.97 – ≪Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 25≫).
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Bender, Schmidt
Fundstellen