Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 06.10.1997; Aktenzeichen 10 A 6895/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn eine bestimmte – bisher ungeklärte – Rechtsfrage des revisiblen Rechts bezeichnet wird, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung in einem künftigen Revisionsverfahren mit Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus geklärt werden könnte. Eine solche Rechtsfrage wirft die Beschwerde nicht auf.
a) Die Beschwerde erachtet als rechtsgrundsätzlich die Frage, ob in einem allgemeinen Wohngebiet die auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 BBauG/BauGB gestützte Festsetzung bestimmter Flächen als Flächen für Garagen bei gleichzeitiger Festsetzung überbaubarer Grundstücksflächen durch Baugrenzen es ausschließt, daß Garagen – wenn auch nur teilweise – auf der nicht überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden. Diese Frage entzieht sich einer allgemeinen, rechtsgrundsätzlichen Klärung, da § 23 Abs. 5 BauNVO die Beantwortung von der jeweiligen Entscheidung des Plangebers abhängig macht. Die Vorschrift überantwortet die Zulassungsmöglichkeit von Nebenanlagen und nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen der planerischen Entscheidung der Gemeinde. § 23 Abs. 5 BauNVO trifft lediglich subsidiär für den Fall nicht abweichender Festsetzung im Bebauungsplan eine positive Regelung.
Das Berufungsgericht hat den hier anwendbaren Bebauungsplan dahin gehend ausgelegt, daß der Plangeber „nichts anderes festgesetzt hat”. Insbesondere habe er im allgemeinen Wohngebiet mit der Festsetzung bestimmter Flächen als Flächen für Garagen – die nach der für das Revisionsgericht verbindlichen Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsgericht in den Abstandsflächen zulässig sind – nicht die Zulässigkeit von Garagen auf den übrigen, nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausschließen wollen. Für diese Auslegung des Bebauungsplans stützt sich das Berufungsgericht auf einen Vergleich mit den Festsetzungen für das im Plan als reines Wohngebiet festgesetzte Gebiet. Während für das reine Wohngebiet durch eine besondere Ausschlußregelung bestimmt sei, daß Garagen nur auf den für sie festgesetzten Flächen zulässig seien, fehle eine solche Festsetzung für das allgemeine Wohngebiet. Daraus hat das Berufungsgericht den Schluß gezogen, daß der Plangeber für allgemeine Wohngebiete eine entsprechende Festsetzung nicht habe treffen wollen. An diese Auslegung irrevisiblen Ortsrechts (§ 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO) wäre das Revisionsgericht in einem Revisionsverfahren gebunden.
Bei dieser Sachlage ist auch kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage erkennbar, welchen Bestimmtheitsanforderungen die „anderen Festsetzungen” im Sinne des § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO genügen müssen. Insbesondere kann die in der Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob die „andere Festsetzung” im Sinne von § 23 Abs. 5 BauNVO ausdrücklich erfolgen muß, oder ob es ausreicht, daß die Festsetzung dem Bebauungsplan nur mittelbar entnommen werden kann (vgl. z.B. Fickert/Fieseler, BauNVO, 8. Aufl. 1995, § 23 Rn. 22; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 23 BauNVO Rn. 58; OVG Bremen, Urteil vom 14. Februar 1989 – 1 BA 64/88 – BRS 49 Nr. 136), offenbleiben, weil es hier schon an einer nur mittelbaren Ausschlußfestsetzung fehlt.
b) Auch die Frage, ob der Plangeber in einem WA-Gebiet allein durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BBauG/BauGB außerhalb durch Baugrenzen festgesetzter überbaubarer Grundstücksflächen einerseits und sonstiger öffentlicher Stellplatzflächen andererseits hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß die Errichtung von Garagen außerhalb der Baugrenzen nicht – auch nur teilweise – zulässig sein soll, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Mit diesem Vorbringen formuliert die Beschwerde keine Grundsatzfrage, sondern kleidet die aus ihrer Sicht im vorliegenden Fall maßgeblichen tatsächlichen Umstände in die Form einer abstrakten Rechtsfrage. Der Sache nach kritisiert sie nur das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, daß im konkret betroffenen Bebauungsplan „nichts anderes festgesetzt ist” (§ 23 Abs. 5 BauNVO). Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht dargelegt.
c) Die Frage, ob eine entsprechende Festsetzung im Verhältnis benachbarter Grundstücke untereinander nachbarschützende Wirkung hat, wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat keinen Rechtsverstoß gegen den Bebauungsplan festgestellt.
2. Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO und damit Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, daß es zwar auf die Möglichkeit einer Entscheidung gem. § 130 a VwGO hingewiesen, jedoch nicht den Wortlaut der Vorschrift mitgeteilt oder sonst über deren Bedeutung und Inhalt aufgeklärt habe. In dieser Verfahrensweise liege ein Verfahrensfehler, auf dem die angegriffene Entscheidung gem. § 138 Nr. 3 VwGO beruhe. Die mit der Auslegung des § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO verbundenen Fragen hätten zudem grundsätzliche Bedeutung. Schließlich sei das Berufungsgericht von dem Urteil vom 21. August 1981 – BVerwG 4 C 6.81 – (Buchholz 312 EntlG Nr. 21 = NJW 1982, 1011) abgewichen. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an dem Vorbringen der Beschwerde, das Berufungsgericht habe im Beweistermin nur auf die Entscheidungsmöglichkeit nach § 130 a VwGO hingewiesen, nicht aber über die Bedeutung und den Inhalt der Vorschrift sowie die Äußerungsmöglichkeit zur angekündigten Verfahrensweise aufgeklärt. Diese Zweifel ergeben sich daraus, daß der Kläger noch im Beweistermin um die Möglichkeit einer schriftsätzlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen gebeten und beantragt hat, über die Sache mündlich zu verhandeln. Auch die Klägerin hat als Mitunterzeichnerin des Schriftsatzes vom 8. September 1997 mündliche Verhandlung beantragt und in diesem und einem weiteren Schriftsatz zusammen mit dem Kläger umfangreich zur Sache selbst vorgetragen. Diese Reaktionen der Kläger deuten darauf hin, daß sie im Beweistermin umfassend über den Inhalt der Vorschrift des § 130 a VwGO aufgeklärt worden sind; denn andernfalls wäre ein Antrag auf mündliche Verhandlung wenig verständlich. Daß die Niederschrift nur die Tatsache des Hinweises auf die Entscheidungsmöglichkeit des § 130 a VwGO enthält, steht dieser Annahme nicht entgegen, weil in die Niederschrift nur die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen sind und aus dem Fehlen eines Hinweises auf eine weitere mündliche Aufklärung kein Beweis dafür erbracht ist, daß eine solche Aufklärung tatsächlich nicht stattgefunden hat (vgl. § 105 VwGO, §§ 160 Abs. 2, 165 ZPO). Selbst wenn aber die Anhörung zu § 130 a VwGO im Beweistermin nicht vollinhaltlich den Anforderungen des zitierten Urteils des Senats vom 21. August 1981 entsprochen haben sollte, könnte dieser Verfahrensfehler nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es fehlen substantiierte Ausführungen dazu, was die Kläger im Fall einer von ihnen als ordnungsgemäß angesehenen Anhörung noch vorgetragen hätten und inwieweit der weitere Vortrag zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung oder zu einer für sie günstigeren Entscheidung über das Klagebegehren geführt haben könnte (zu diesen Erfordernissen vgl. z.B. Beschluß vom 2. April 1985 – BVerwG 3 B 75.82 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 165; Beschluß vom 31. Juli 1985 – BVerwG 9 B 71.85 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 28 S. 9 m.w.N.). Die Ausführungen der Beschwerde, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß sich die Kläger bei ordnungsgemäßem Hinweis „umfassender erklärt” hätten, reichen dazu nicht aus, zumal sie tatsächlich – wie oben ausgeführt – gerade die prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, zu deren Wahrnehmung die ordnungsgemäße Anhörung befähigen soll.
Mangels Kausalität eines möglichen Verstoßes gegen die Anhörungspflicht nach § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO erweist sich die zur Auslegung dieser Bestimmungen von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich formulierte prozeßrechtliche Frage im vorliegenden Fall als nicht entscheidungserheblich. Die Rüge der Abweichung von dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. August 1982 – BVerwG 4 C 6.81 – (a.a.O.) greift ebenfalls nicht durch, da das Berufungsgericht zum einen keinen dieser Entscheidung entgegenstehenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat und zum anderen eine etwaige fehlerhafte Anwendung des in der Entscheidung aufgestellten Rechtssatzes hier für das Berufungsurteil nicht kausal war.
3. Auch der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel der fehlerhaften richterlichen Überzeugungsbildung und gleichzeitiger Verletzung des rechtlichen Gehörs führt nicht zur Revisionszulassung. Entgegen dem Vortrag der Beschwerde trägt dieser Teil der Entscheidungsgründe, in dem die von der Beschwerde als fehlerhaft erachtete tatsächliche Feststellung des Verlaufs der Baugrenze enthalten ist (Beschlußabdruck S. 9, 2. Absatz), die Berufungsentscheidung nicht. Dieser Passus enthält eine zusätzliche Hilfsbegründung, so daß die Hauptbegründung von dem gerügten Verfahrensfehler jedenfalls unberührt bliebe und dieser für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erheblich wäre. Nur darauf kommt es im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde an.
4. Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel i.S.d. § 138 Nr. 1 VwGO, daß im Berufungsverfahren der Beweisbeschluß sowie die Ortsbesichtigung unter Verstoß gegen § 87 a Abs. 3 VwGO nicht durch den zum Berichterstatter bestellten Richter vorgenommen worden seien. Richter N. sei zuvor nur zum Mitberichterstatter bestimmt worden; eine weitere Verfügung des Vorsitzenden liege ausweislich der Gerichtsakten nicht vor. Dieses Vorbringen rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist § 138 Nr. 1 VwGO hier nicht anwendbar. „Erkennendes Gericht” i.S. dieser Vorschrift ist derjenige Spruchkörper, der die mit der Revision anzufechtende Berufungsentscheidung erlassen hat, nicht aber die Richterbank in dem vorangegangenen Prozeßstadium der Beweisaufnahme (vgl. z.B. Urteil vom 17. November 1972 – BVerwG 4 C 41.68 – Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 12 = DVBl 1973, 372). Damit wird das Vorliegen eines Verfahrensfehlers zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Aber ein von § 138 Nr. 1 VwGO nicht erfaßter Verfahrensmangel ist nur beachtlich, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf ihm beruhen kann. Dazu ist die Beschwerde gem. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegungspflichtig (vgl. nur Beschluß vom 22. Juli 1992 – BVerwG 6 B 43.92 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 297 = DVBl 1993, 49 f.; stRspr); sie macht indes dazu keine Ausführungen.
5. Da die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg hat, kann den Einwänden gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts gem. § 158 Abs. 1 VwGO nicht weiter nachgegangen werden. Im übrigen erschöpft sich das Vorbringen der Beschwerde in der Kritik an der berufungsgerichtlichen Kostenentscheidung; darauf könnte eine Nichtzulassungsbeschwerde ohnehin nicht gestützt werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Hien, Heeren
Fundstellen
NVwZ 1998, 1066 |
BRS 1999, 461 |