Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 06.06.2019; Aktenzeichen 1 KN 18/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019 aufgehoben soweit der Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 67 der Antragsgegnerin vom 29. September 2016 abgelehnt worden ist. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin zur Hälfte; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Urteils zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Insofern verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 3
Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der divergierenden Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet schon keinen Rechtssatz heraus, mit dem das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Senats abgewichen sein könnte, sondern kritisiert in der Sache die Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht. Hierauf kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 16 und vom 24. August 2017 - 4 B 35.17 - juris Rn. 10).
Rz. 4
2. Die Beschwerde macht zu Recht einen Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend.
Rz. 5
a) Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Oberverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 1 VwGO; Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist allerdings unbegründet.
Rz. 6
Nach § 138 Nr. 1 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund dann vor, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Erkennendes Gericht i.S.d. Norm ist die Richterbank, wie sie in der mündlichen Verhandlung besetzt war, aufgrund der die angefochtene Entscheidung ergangen ist (BVerwG, Urteile vom 17. November 1972 - 4 C 41.68 - BVerwGE 41, 174 ≪176≫ und vom 29. April 1982 - 5 C 81.80 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 21 = juris Rn. 9; Beschluss vom 30. November 2004 - 1 B 48.04 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 43 = juris Rn. 3). Es kommt somit für die Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs des Verfahrens bei Gericht, sondern auf den der mündlichen Verhandlung an, aufgrund derer das Urteil ergeht (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 4 BN 36.13 - juris Rn. 9).
Rz. 7
Die Beschwerde rügt, dass Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts T. an der angefochtenen Entscheidung nicht mitgewirkt habe, obwohl er hierzu nach der internen Geschäftsverteilung des 1. Senats berufen gewesen wäre und ein Vertretungsfall nicht vermerkt worden sei. Das führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Im Nichtabhilfebeschluss vom 8. Oktober 2019 hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts gemäß Präsidiumsbeschluss vom 24. April 2019 mit Ablauf des 30. April 2019 aus dem 1. Senat ausgeschieden sei und mit Wirkung vom 1. Mai 2019 den Vorsitz im 5. Senat übernommen habe; der Vorsitz im 1. Senat sei vom 1. Mai 2019 bis zum 30. September 2019 vakant gewesen. Für eine vorschriftswidrige Besetzung am Tag der mündlichen Verhandlung (6. Juni 2019) ist daher nichts ersichtlich.
Rz. 8
b) Nicht zu beanstanden ist auch die Ablehnung des Normenkontrollantrages gegen den Bebauungsplan Nr. 20, 6. Änderung, vom 29. September 2016 mangels Antragsbefugnis als unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO insofern nicht überspannt.
Rz. 9
Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2004 - 4 CN 1.03 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 165 S. 137). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keine höheren Anforderungen zu stellen, wenn es - wie vorliegend - um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) eines Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt (mittelbar Betroffener). Auch insoweit reicht es aus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die eine fehlerhafte Behandlung seiner Belange in der Abwägung als möglich erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 ≪218 f.≫). Antragsbefugt ist hiernach, wer sich auf einen abwägungserheblichen privaten Belang berufen kann; denn wenn es einen solchen Belang gibt, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde ihn bei ihrer Abwägung nicht korrekt berücksichtigt hat (BVerwG, Urteil vom 30. April 2004 a.a.O. S. 137 f.; Beschluss vom 22. August 2000 - 4 BN 38.00 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 142). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 a.a.O. S. 217 und vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - BVerwGE 117, 209 ≪211≫). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn das Interesse des Betroffenen geringwertig, nicht schutzwürdig, für die Gemeinde nicht erkennbar oder sonst makelbehaftet ist (BVerwG, Beschluss vom 2. März 2015 - 4 BN 30.14 - ZfBR 2015, 380 = BauR 2015, 967 m.w.N.). Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist allerdings nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 a.a.O. S. 218) und darf nicht in einem Umfang und in einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt (BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 BN 42.10 - BauR 2011, 1641 Rn. 8). Das Normenkontrollgericht ist daher insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Deswegen vermag die im Laufe des Verfahrens fortschreitende Sachverhaltsaufklärung durch das Normenkontrollgericht die Antragsbefugnis eines Antragstellers nicht nachträglich in Frage zu stellen. Andererseits muss das Gericht widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2013 - 4 BN 13.13 - ZfBR 2014, 159 Rn. 4; ferner Beschluss vom 14. September 2015 - 4 BN 4.15 - ZfBR 2016, 154 Rn. 10).
Rz. 10
Das Interesse des Eigentümers eines Grundstücks außerhalb des Plangebiets, von einer Lärmzunahme aufgrund des Zu- und Abfahrtsverkehrs zum Plangebiet verschont zu bleiben, kann nach den Umständen des Einzelfalls einen abwägungserheblichen Belang darstellen, wenn sich der durch die Planung ausgelöste Verkehr innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 - NVwZ 1999, 523 ≪527≫; Beschlüsse vom 13. Dezember 2007 - 4 BN 41.07 - NVwZ 2008, 426 und vom 12. Juni 2008 - 4 BN 8.08 - BauR 2008, 1416 = juris Rn. 10). Der Senat hat ferner entschieden, dass eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte zum Abwägungsmaterial gehört (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 4 BN 16.07 und 4 VR 1.07 - ZfBR 2007, 580) und damit die Antragsbefugnis eines Betroffenen begründen kann. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig, geht er mithin über die Bagatellgrenze nicht hinaus, oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1999 - 4 CN 1.98 - NVwZ 2000, 807 ≪808≫; Beschlüsse vom 11. August 2015 - 4 BN 12.15 - BRS 83 Nr. 49 = juris Rn. 6 m.w.N., vom 13. Juli 2017 - 4 BN 10.17 - BauR 2017, 1972 und vom 24. August 2017 - 4 BN 35.17 - BeckRS 2017, 126213 Rn. 6). Ob vermehrte Verkehrslärmbeeinträchtigungen mehr als geringfügig zu Buche schlagen, lässt sich nicht durch reine Subsumtion ermitteln (Paetow, NVwZ 1985, 309 ≪312≫). Vielmehr bedarf es einer wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 4 BN 16.07 u.a. - BauR 2007, 2041 = juris Rn. 5 m.w.N.; siehe auch schon Beschluss vom 19. Februar 1992 - 4 NB 11.91 - BRS 54 Nr. 41 S. 120). Das ist in erster Linie Aufgabe des Tatrichters (BVerwG, Urteil vom 17. September 1998 - 4 CN 1.97 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 126 S. 109 f.; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - 4 BN 44.10 - juris Rn. 9, vom 20. Juli 2011 - 4 BN 22.11 - BauR 2012, 76 = juris Rn. 6 und vom 11. August 2015 - 4 BN 12.15 - BRS 83 Nr. 49 = juris Rn. 6). Im Beschluss vom 19. Februar 1992 - 4 NB 11.91 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 63 = NJW 1992, 2844) hat der Senat zudem darauf hingewiesen, dass sich die Schwelle der Abwägungsrelevanz bei Verkehrslärmerhöhungen nicht allein durch einen Vergleich von Lärmmesswerten markieren lässt. Selbst eine Lärmzunahme, die, bezogen auf einen rechnerisch ermittelten Dauerschallpegel, für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist, kann nach dieser Entscheidung zum Abwägungsmaterial gehören (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2007 - 4 BN 16.07 u.a. - BauR 2007, 2041 = juris Rn. 5).
Rz. 11
Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht die Antragsbefugnis der Antragstellerin in Bezug auf den Bebauungsplan Nr. 20, 6. Änderung, verneint hat. Das Normenkontrollgericht hat darauf abgestellt, ob nach den Darlegungen in der Antragsbegründung infolge des angefochtenen Bebauungsplans eine mehr als nur geringfügige Zunahme der (Verkehrs-)Lärmbelastung zu erwarten sei. Dies hat es verneint. Weder für den dem Einkaufsmarkt zuzuordnenden Zielverkehr noch für den von dort kommenden Quellverkehr bestehe eine auch nur ansatzweise tragfähige Grundlage für eine Quantifizierung einer durch die Bebauungsplanänderung verursachten Verkehrs- oder Lärmzunahme in der T.straße vor dem Grundstück der Antragstellerin. Deren Berechnungen berücksichtigten zudem die örtlichen Verhältnisse nicht; die ihnen zugrundeliegenden Annahmen seien nicht belastbar und zum Teil lebensfremd. Besonders deutlich werde dies bei der Annahme einer Kumulation der Verkehrswirkungen der verfahrensgegenständlichen Bebauungsplangebiete, indem die Kfz-Verkehre aus dem Gebiet der 6. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 (1 580 Kfz/Tag) und aus dem Gebiet des Bebauungsplans Nr. 67 (930 Kfz/Tag) so addiert würden als bestünde eine Art Pendelverkehr. In Bezug auf den Einkaufsmarkt sei zudem eine kausale - anteilige - Erhöhung der Verkehrsmenge im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin nicht mehr feststellbar. Selbst wenn man insoweit - etwa in Anlehnung an den Rechtsgedanken in Nr. 7.4 der TA Lärm - den Zu- und Abgangsverkehr zum/vom Einkaufsmarkt berücksichtigen wollte, sei aufgrund der Straßen-Entfernung zum Grundstück der Antragstellerin (lt. "Digitaler Atlas Nord": 620 m) eine Zurechnung nicht mehr möglich.
Rz. 12
Jedenfalls diese Erwägung trägt. Das Plangebiet wird, wie auch andere dicht bebaute Wohngebiete in dessen räumlichen Umfeld, durch den P.weg erschlossen. Dieser mündet in nördlicher Richtung an zwei Stellen direkt und an einer Stelle über die S.straße in die A.straße/T.straße bzw. in südlicher Richtung in die B 76 (B.straße) ein, die beide stark befahren sind (T.straße: 1 990 Kfz/Tag; B 76: 8 132 Kfz/Tag; vgl. Verkehrslärmuntersuchung zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 67 vom 13. Juni 2014 der STADTPLANUNG kompakt, S. 11). Aufgrund dieser besonderen örtlichen Situation ist davon auszugehen, dass etwaiger Ziel- und Quellverkehr zum/vom Einkaufsmarkt nur im Bereich P.weg/S.straße dem Einkaufsmarkt zugerechnet werden kann, mit Erreichen der A.straße/T.straße bzw. der B 76 aber im allgemeinen Straßenverkehr aufgeht und davon nicht mehr unterschieden werden kann. Ein räumlicher Bezug zum Plangebiet besteht nicht mehr. Damit handelt es sich bei der durch den Bebauungsplan Nr. 20, 6. Änderung, ausgelösten Verkehrslärmerhöhung durch Zu- und Abfahrtsverkehr jedenfalls hinsichtlich des - mehr als 500 m (UA S. 2) südöstlich vom Plangebiet entfernten - Grundstücks der Antragstellerin um keinen in der Abwägung zu berücksichtigenden Belang. Es ist folglich unschädlich, dass die Antragsgegnerin im Bebauungsplanverfahren insofern keine entsprechenden Ermittlungen (§ 2 Abs. 3 BauGB) angestellt hat. Soweit die Antragstellerin zur Begründung der Antragsbefugnis auch die durch den Bebauungsplan Nr. 67 ausgelöste Verkehrszunahme anführt, übersieht sie, dass von der für den Einkaufsmarkt prognostizierten Verkehrszunahme auch etwaige Verkehre aus dem neuen Wohngebiet miterfasst sind, weil die entsprechende Berechnung abstrakt nach Erfahrungswerten in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche erfolgt (UA S. 23) und nicht nach der Zahl der Einwohner der Antragsgegnerin oder der Größe des Versorgungsgebiets.
Rz. 13
Die Antragstellerin rügt ferner, das Oberverwaltungsgericht habe ihren - zum Nachweis der Antragsbefugnis gestellten - Beweisantrag, dass ein Verkehrsaufkommen von 4 500 Kfz/Tag in der T.straße im Ortsteil...dorf zu einer Verkehrslärmbelastung des Grundstücks der Antragstellerin in der Tagzeit (6:00 Uhr - 22:00 Uhr) von 65,4 dB(A) führt, zu Unrecht als unerheblich abgelehnt. Sie sieht darin eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Ein Verfahrensfehler ist hiermit nicht dargetan. Wie bereits ausgeführt, ist das Normenkontrollgericht nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Damit scheidet schon tatbestandlich eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO aus (BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 2015 - 4 BN 30.14 - BauR 2015, 967 = juris Rn. 7 und vom 14. September 2015 - 4 BN 4.15 - ZfBR 2016, 154 Rn. 15).
Rz. 14
Andere schutzwürdige Belange hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen.
Rz. 15
Fehlt es der Antragstellerin danach bereits an der Antragsbefugnis, kann offenbleiben, ob hinsichtlich der (weiteren) Annahme des Oberverwaltungsgerichts, für den Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 20, 6. Änderung, bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis, eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt und gegeben ist. Denn ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. August 2018 - 4 BN 44.17 - BauR 2018, 1982 = juris Rn. 3).
Rz. 16
c) Verfahrensfehlerhaft ist indessen die Ablehnung des Normenkontrollantrages gegen den Bebauungsplan Nr. 67. Das Oberverwaltungsgericht hat insofern die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt.
Rz. 17
Das Normenkontrollgericht hat angenommen, dass eine im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigende erhebliche Lärmzunahme am Grundstück der Antragstellerin infolge der u.a. durch den Bebauungsplan Nr. 67 zugelassenen Nutzung ausgeschlossen werden könne. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass völlig ungewiss sei, über welche Straßen (T.straße oder B 76) aus dem neuen Wohngebiet folgende Verkehrsflüsse sich verteilten. Das gelte insbesondere für etwaige Einkaufsverkehre, zumal neben dem Einkaufszentrum im Bereich der 6. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 weitere gut erreichbare (Lebensmittel-)Einkaufsmöglichkeiten im benachbarten S. und in T. bestünden. Eine andere Beurteilung sei auch im Hinblick auf eine wertende Betrachtung der maßgeblichen örtlichen Verhältnisse bei Berücksichtigung der Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des Gebiets, in dem das Grundstück der Antragstellerin liege, nicht begründet. Die Antragstellerin habe damit rechnen müssen, dass die örtliche Struktur - mit deren Rahmen wahrenden verkehrlichen Folgen - weiterentwickelt werden würde. Bei (Vorbelastungs-)Immissionen im Bereich der Orientierungswerte der DIN 18005-1 sei es Anwohnern öffentlicher Straßen zuzumuten, geringfügige Erhöhungen hinzunehmen, insbesondere solche, die weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle blieben. Soweit die Antragstellerin geltend mache, die Antragsgegnerin sei der Frage einer außerhalb des Plangebiets eintretenden Verkehrs- und Lärmzunahme im Rahmen des Planaufstellungsverfahrens nicht nachgegangen, sei dies für die Antragsbefugnis unerheblich. Eine Verletzung der Ermittlungspflicht nach § 2 Abs. 3 BauGB sei erst im Rahmen der Begründetheit des Normenkontrollantrages von Bedeutung. Hiermit überspannt das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
Rz. 18
Die Antragsgegnerin hat zu dem durch den Bebauungsplan Nr. 67 ausgelösten zusätzlichen Verkehrslärm für außerhalb des Plangebiets liegende Grundstücke entlang der T.straße keinerlei Ermittlungen angestellt. Das wäre aber schon deshalb angezeigt gewesen (§ 2 Abs. 3 BauGB), weil das Plangebiet nach den Festsetzungen im Bebauungsplan ausschließlich über die T.straße an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden ist, diese in ihrem nordwestlichen Verlauf die kürzeste Verbindung zum Ortskern von...dorf darstellt und aufgrund der hohen verkehrlichen Belastung (1 990 Kfz/Tag) bereits erheblichen Verkehrslärm für die an der Straße liegenden Grundstücke mit sich bringt (das Oberverwaltungsgericht hat insofern als wahr unterstellt, dass am Grundstück der Antragstellerin planungsunbeeinflusst in der Tagzeit [6:00 Uhr bis 22:00 Uhr] von einer Verkehrslärmbelastung von 61,7 dB(A) auszugehen ist). Aufgrund der örtlichen Verhältnisse kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der dem Plangebiet zurechenbare Verkehr vom allgemeinen Verkehr im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin schon nicht mehr unterscheidbar wäre, mit der Folge, dass es entsprechender Ermittlungen nicht bedurft hätte (vgl. oben). Mit welchen zusätzlichen Lärmbelastungen die Antragstellerin zu rechnen hat, ist mithin offen. Damit ist die Antragstellerin i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil es als möglich erscheint, dass die durch den Bebauungsplan Nr. 67 bedingte Verkehrslärmerhöhung im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin abwägungserheblich gewesen ist, bei der Abwägung aber nicht korrekt berücksichtigt wurde.
Rz. 19
Das Oberverwaltungsgericht hat unterstellt, dass sämtlicher durch das Plangebiet ausgelöster Verkehr (930 Kfz/Tag) die T.straße benutzt und am Grundstück der Antragstellerin vorbeiführt. Das Verkehrsaufkommen und der davon ausgehende Schalldruck erhöhten sich hierdurch um ca. 46 %. Die damit ausgelöste zusätzliche Lärmbelastung sei noch geringfügig, weil sie unterhalb eines (Differenz-)Wertes von 3 dB(A) liege. Dem ist nicht zu folgen. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine Verkehrslärmzunahme auch unterhalb des 3-dB(A)-Kriteriums abwägungsbeachtlich sein kann (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206 ≪216≫ = juris Rn. 27 m.w.N., für eine Zunahme in Höhe von 1,5 dB(A)).
Rz. 20
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, hebt das Urteil in Bezug auf den Bebauungsplan Nr. 67 auf und verweist den Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Rz. 21
Die Kostenentscheidung für den erfolglosen Teil der Beschwerde beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13952093 |