Entscheidungsstichwort (Thema)
Bodenordnungsverfahren. Anordnungsbeschluss. Antragsbefugnis. Gebäudeeigentum. streitige Eigentumsverhältnisse. Grundbucheintragung. Vermutungsregelung. Amtsermittlung. Untersuchungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 57 LwAnpG stellt für das Bodenordnungsverfahren klar, dass der Untersuchungsgrundsatz keine weiteren Ermittlungen zur Eigentumsfrage erfordert, wenn sich der Antragsteller zum Nachweis der Antragsbefugnis nach § 64 LwAnpG auf eine Grundbucheintragung berufen kann.
Normenkette
LwAnpG §§ 57, 63 Abs. 2, § 64; FlurbG § 12; BGB § 891 Abs. 1; EGBGB Art. 233 § 2b Abs. 3
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 17.03.2005; Aktenzeichen F 7 D 17/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Flurbereinigungsgericht) vom 17. März 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 440,50 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, die als Eigentümerin landwirtschaftlich genutzter Gebäude im Gebäudegrundbuch eingetragen ist, strebt die Anordnung des Bodenordungsverfahrens nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz an, um das Grundeigentum unter diesen Gebäuden und an den zugehörigen Funktionsflächen zu erwerben. Der Beklagte, der bezweifelt, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Gebäudeeigentümerin geworden ist, hat einen entsprechenden Antrag der Klägerin abgelehnt. Nachdem das Flurbereinigungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, das Bodenordnungsverfahren einzuleiten, begehrt er mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision gegen dieses Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO (i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Ein für das angefochtene Urteil erheblicher Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, und die Sache hat auch nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.
1. Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,
ob die Flurneuordnungsbehörde bei der Eigentumsermittlung an die Angaben im Gebäudegrundbuch unbedingt gebunden ist oder beim Vorliegen entgegenstehender bzw. uneinheitlicher Feststellungen, insbesondere gerichtlicher Entscheidungen zur Eigentumslage von der ihr grundsätzlich obliegenden Amts-ermittlungspflicht Gebrauch machen darf oder sogar muss oder die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Grundbucheintragung allein durch den jeweiligen Gebäude- oder Bodeneigentümer geführt werden kann.
Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung, die im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein könnte, wird damit nicht aufgezeigt, weil das Flurbereinigungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass nach Sinn und Zweck der mit der Grundbucheintragung verbundenen Vermutungsregelung (§ 891 Abs. 1 BGB), an die § 57 LwAnpG anknüpft, für die Flurneuordnungsbehörde kein Anlass besteht, in eigener Zuständigkeit die Rechtmäßigkeit einer Grundbucheintragung zu überprüfen. Letzteres ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und bedarf auf der Grundlage der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einer weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren.
Um ihren gegenteiligen Standpunkt zu stützen, beruft sich die Beschwerde auf das Urteil des Senats vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 9 C 5.03 – Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 10, in dem es heißt, der Nutzer landwirtschaftlicher Gebäude oder Anlagen könne zum Nachweis seiner Antragsbefugnis nach § 64 LwAnpG sein Gebäudeeigentum dadurch belegen, dass er entweder “zu Recht im Gebäudegrundbuch eingetragen ist oder diese Eintragung nachträglich beanspruchen kann, wenn sie bislang noch nicht erfolgt ist” (a.a.O. S. 13). Wie das Flurbereinigungsgericht zutreffend erkannt hat, ist diesem Satz – trotz der darin enthaltenen Worte “zu Recht” – nicht die Aussage zu entnehmen, dass der Senat die Anforderungen an den Nachweis der Antragsbefugnis nach § 64 LwAnpG mit einer von der Flurneuordnungsbehörde durchzuführenden Prüfung verknüpfen wollte, die sich mit der Rechtmäßigkeit der Grundbucheintragung befasst. Denn dies würde in der Tat im Widerspruch zu der im selben Absatz enthaltenen Aussage der Entscheidungsgründe stehen, dass (nur) dann, wenn Streit über die Eigentumslage entsteht, “weil diese sich nicht aus den Grundbucheintragungen ergibt”, die Antragsbefugnis des Antragstellers von Amts wegen zu ermitteln ist. Das im Anschluss daran zitierte Senatsurteil vom 2. September 1998 (BVerwG 11 C 4.97 – BVerwGE 107, 177 ≪185≫) befasst sich denn auch mit einem Fall, in dem der Antragsteller seine Antragsbefugnis darauf gestützt hatte, dass er, ohne dies durch eine Grundbucheintragung belegen zu können, auf der Grundlage von § 459 ZGB Sondereigentum an bestimmten Anlagen erworben hatte. Der Senat hat hier unter Hinweis auf das für das Verfahren nach § 64 LwAnpG geltende Amtsermittlungsprinzip (vgl. § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. §§ 10 bis 14 FlurbG) entschieden, dass die Flurneuordnungsbehörde an der selbständigen Feststellung des Sondereigentums nicht durch die parallele Entscheidungsbefugnis des Präsidenten der Oberfinanzdirektion nach Art. 233 § 2b Abs. 3 EGBGB gehindert ist. In seinem daran anknüpfenden Urteil vom 10. Dezember 2003 hat der Senat nicht entschieden, dass der Untersuchungsgrundsatz darüber hinaus auch in denjenigen Fällen behördliche Ermittlungen zur Eigentumsfrage erfordert, in denen sich der Antragsteller zum Nachweis seiner Antragsbefugnis auf eine Eintragung im Grundbuch berufen kann. Dieses Urteil zitiert insoweit vielmehr im Gegenteil den Wortlaut des § 57 LwAnpG mit dem Hinweis, diese Vorschrift regele die Antragsbefugnis des eingetragenen Eigentümers, indem sie die Flurneuordnungsbehörde auffordere, diese auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch festzustellen. Vom Flurbereinigungsgericht sind diese Zusammenhänge richtig erkannt worden.
Nicht zu beanstanden ist auch die Aussage des Flurbereinigungsgerichts, dass § 57 LwAnpG an die §§ 891 ff. BGB anknüpft, die den Eintragungen von Eigentumsrechten im Grundbuch öffentlichen Glauben verleihen und sie – vorbehaltlich der Offenkundigkeit des Gegenteils – mit der positiven Vermutung versehen, dass das eingetragene Recht besteht und dem Eingetragenen seit der Eintragung zusteht. Die Grundlage der Eintragung ist dabei ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1999 – V ZR 34/99 – RdL 2000, 145). Die Beweisregel des § 891 Abs. 1 BGB kommt in allen Verfahrensarten zur Anwendung, also auch etwa im Verwaltungsprozess (vgl. VGH München, Urteil vom 26. Juli 1999 – 19 B 95.2321 – RdL 2000, 208 ≪209≫). In einem vorangehenden Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz insofern ebenso nur eingeschränkt. Dies stellt die Vorschrift des § 57 LwAnpG für die Ermittlung der Beteiligten am Bodenordnungsverfahren klar.
Im Übrigen wird auch zu der Vorschrift des § 12 Satz 1 FlurbG, die in § 57 LwAnpG ihre Entsprechung findet, in Literatur und Rechtsprechung durchweg anerkannt, dass die Eintragung des Eigentums im Grundbuch jedenfalls so lange maßgebend ist, bis der Nachweis der Unrichtigkeit erbracht ist (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 11. November 1999 – 8 D 21/98.G – RdL 2000, 216 ≪217≫ m.w.N.). Dieser Nachweis ist nicht erbracht, wenn – wie im vorliegenden Fall – zu Vorfragen des Eigentumserwerbs divergierende Entscheidungen der zuständigen Zivilgerichte ergangen sind. Es ist in derartigen Fällen nicht Aufgabe der Flurneuordnungsbehörde oder des nachfolgend angerufenen Flurbereinigungsgerichts, im Zusammenhang mit der Einleitung des Bodenordnungsverfahrens über die streitig gebliebenen Fragen zu entscheiden (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 26. September 2002 – 8 D 30/99.G – RdL 2004, 326 ≪328≫). Ein derartiger Streit könnte die von der Flurneuordnungsbehörde zu treffende Entscheidung erheblich verzögern und damit die Erfüllung des in § 64 LwAnpG enthaltenen Gestaltungsauftrags ohne Notwendigkeit ernsthaft behindern (zu diesem Gesichtspunkt vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003, a.a.O. S. 13).
Die von der Beschwerde beiläufig aufgeworfene Frage, ob in entsprechender Anwendung von § 12 Satz 2 FlurbG ein Nachweis des Gebäudeeigentums durch eine Bescheinigung der Gemeinde geführt werden kann, rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht, weil sich diese Frage im vorliegenden Fall für das Revisionsgericht nicht stellen würde; dieser Sachverhalt liegt hier nicht vor.
2. Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO darin, dass das Flurbereinigungsgericht seiner Entscheidung einen unvollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt habe. Zugleich sei das Flurbereinigungsgericht seiner Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachgekommen. Diese Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie richten sich gegen die vom Flurbereinigungsgericht nur hilfsweise angestellte Erwägung, dass die Bedenken, die von dem Beklagten gegen das Gebäudeeigentum der Klägerin angeführt worden sind, nicht überzeugend sind. Davon bleibt unberührt, dass das Flurbereinigungsgericht sein Urteil in erster Linie und selbständig tragend damit begründet hat, diese Bedenken seien nach § 57 LwAnpG unbeachtlich. Das Urteil kann danach nicht auf den vom Beklagten gerügten Verfahrensfehlern beruhen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
DÖV 2006, 128 |
UPR 2006, 43 |
AuUR 2006, 17 |
EurUP 2005, 298 |