Verfahrensgang
Tenor
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. April 2008 – BVerwG 8 C 7.07 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin, das Verfahren fortzuführen (§ 152a Abs. 5 Satz 1 VwGO), wird abgelehnt. Die Anhörungsrüge ist unbegründet.
1. Die Klägerin sieht zu Unrecht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass der Senat ihren schriftsätzlichen Vortrag und ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 2. April 2008 nicht berücksichtigt habe, mit der – im Urteil vertretenen – Auffassung, in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG sei als ungeschriebenes Merkmal der Erwerb “mit Mitteln des Unternehmens” enthalten, werde über die Norm des § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG ein (weiterer) Restitutionsausschlussgrund in das Vermögensgesetz (in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG) eingeführt. Dieser Einwand ist nicht verständlich und bedurfte keiner ausdrücklichen Behandlung in dem Urteil. Der Senat hat in dem Urteil darleget, dass die Sätze 4 und 6 des § 3 Abs. 1 VermG “zusammen gelesen” werden müssen. Damit ist gemeint, dass Vermögensgegenstände, die im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG von einem Unternehmen “später angeschafft” worden sind, solche Gegenstände sind, die “mit Mitteln des Unternehmens” erworben wurden, wobei die Vermutung des § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG in vollem Umfang zum Tragen kommt. Der Senat ist aufgrund der Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beweis (des Gegenteils) erbracht ist, dass die Grundstücke nicht mit den (ursprünglichen) Mitteln des Unternehmens erworben wurden. Mit dieser Auslegung wird deshalb erkennbar kein weiterer Restitutionsausschlussgrund in das Vermögensgesetz eingeführt.
2. Keinen Erfolg hat auch die Rüge der Klägerin, dass der Senat ihr schriftsätzliches Vorbringen und ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zur gebotenen historischen Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nicht in seine Erwägungen einbezogen habe. Die Klägerin vertritt die Auffassung, § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG habe, soweit hier von Interesse, in der früheren Fassung der Sätze 4 ff. zur alleinigen Voraussetzung gehabt, dass die Vermögensgegenstände von dem Unternehmen später angeschafft wurden und nicht mehr zum Vermögen dieses Unternehmens gehörten. Der erst 1997 eingefügte Satz 6 des § 3 Abs. 1 VermG habe die Durchsetzung der Bruchteilsrestitutionsansprüche erleichtern, keineswegs aber die bisherigen Ansprüche einschränken sollen.
Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte kann aber bei der Gesetzesauslegung nicht den Ausschlag geben. Vielmehr hatte der Senat § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nach ihrem Sinn und Zweck, aber auch so auszulegen, wie sich die Vorschrift gesetzessystematisch nach der Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG darstellt. Davon abgesehen ist die von der Klägerin vertretene historische Auslegung, die darauf zielt, dass der Erwerb mit Mitteln des Unternehmens nicht Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG war, nicht zutreffend, zumindest aber unvollständig. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG wart bereits vor der Einfügung des Satzes 6 des § 3 Abs. 1 VermG ohne Weiteres dahin zu verstehen, dass “von dem Unternehmen” angeschaffte Vermögensgegenstände (nur) solche sind, die mit Mitteln des Unternehmens erworben wurden. Dementsprechend befasst sich der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vom 20. März 1997 zu den Gesetzentwürfen, die Grundlage des Wohnraummodernisierungssicherungsgesetzes waren, nicht mit der Einführung eines neuen materiellen Kriteriums (Erwerb mit Mitteln des Unternehmens), sondern allein mit der Umkehr der Beweislast. Er wendet sich gegen eine – vor Einfügung des § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG – vertretene Auffassung, dass es Sache des Berechtigten sei, in Zweifelsfällen nachzuweisen, dass ein später angeschaffter Vermögensgegenstand tatsächlich mit Mitteln des Unternehmens erworben wurde (BTDrucks 13/7275 S. 44 f.). Das von der Klägerin in der Anhörungsrüge zitierte Urteil des 7. Senats vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 – (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18) befasst sich mit der hier einscheidungserheblichen Frage nicht.
3. Auch der Einwand der Klägerin greift nicht durch, der Senat habe nicht ausreichend den Vortrag zur Kenntnis genommen, dass sich bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung ein Wertungswiderspruch zu § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG i.V.m. § 2 URüV ergebe. Nach diesen Vorschriften sei die Zuführung neuen Kapitals nur dann restitutionshindernd, wenn frühere Produkte oder Leistungen aufgegeben worden seien und die an ihre Stelle getretenen neuen Produkte oder Leistungen das Unternehmen wesentlich umgestaltet hätten.
Dieser Einwand der Klägerin war Gegenstand des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung seine Auffassung dargelegt, dass er einen solchen Wertungswiderspruch nicht sieht. § 6 Abs. 1 VermG befasst sich mit der Rückgabe eines Unternehmens, die zur Voraussetzung hat, dass das (zurückzugebende) Unternehmen mit dem enteigneten Unternehmen im Zeitpunkt der Enteignung vergleichbar ist. Da der Unternehmensbegriff im Sinne des Vermögensrechts auf das entgeltliche Angebot von Produkten oder Dienstleistungen abstellt (vgl. z.B. Urteil vom 20. September 2001 – BVerwG 7 C 25.00 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 46 S. 60), ist es nur konsequent, wenn § 2 URüV für die Frage der Vergleichbarkeit des Unternehmens auf das Produkt- oder Leistungsangebot bzw. deren Umgestaltung abstellt. Dagegen befasst sich § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG nicht mit der Rückgabe eines Unternehmens, sondern mit der Einzelrestitution von Bruchteilen an Vermögensgegenständen, die früher dem Unternehmen gehörten. Dementsprechend stellt das Gesetz anders als § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG i.V.m. § 2 URüV in § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG darauf ab, ob diese Vermögensgegenstände mit Mitteln des Unternehmens erworben wurden. Es handelt sich damit um Normen unterschiedlichen Regelungsgehalts und unterschiedlicher Zielsetzung. Dies schließt es aus, die zu einem völlig anderen Merkmal (Vergleichbarkeit der Unternehmen) ergangene Regelung (oder Wertung) auf § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG zu übertragen. Eines ausdrücklichen Eingehens auf diesen Einwand in den Entscheidungsgründen bedurfte es nicht, weil es auf die Vergleichbarkeit der Unternehmen und der hierzu aufgestellten Voraussetzungen bei der Auslegung des Merkmals “mit Mitteln des Unternehmens” nicht entscheidungserheblich ankam.
4. Ebenso wenig überzeugt der Einwand der Klägerin, der Senat hätte auf ihren Vortrag eingehen müssen, dass die Kapitalerhöhungen nach 1933 nur auf der Grundlage des ehemaligen Kapitals möglich gewesen seien; ohne die sich aus dem alten Kapital ergebenen Bezugsrechte hätte die neue Anteilseignerin niemals Kapitalerhöhungen bei der Gesellschaft durchführen können. Für die vom Senat zu klärende Frage, ob der Erwerb der Grundstücke mit den ursprünglichen Mitteln des Unternehmens vorgenommen wurde, kam es allein auf die erhebliche Erhöhung des Grundkapitals und nicht auf Bezugsrechte der neuen Anteilseignerin an. Auch wenn es richtig wäre, dass – wie die Klägerin vorträgt – ohne die aus dem alten Kapital sich ergebenden Bezugsrechte die neue Anteilseignerin niemals Kapitalerhöhungen bei der Gesellschaft hätte durchführen können, bleibt für die Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 4 und 6 VermG allein die eingetretene Änderung der Kapitalstruktur ausschlaggebend. Für den Senat war entscheidungserheblich, dass die Verdreifachung des Grundkapitals nicht mehr aus einem organischen Zuwachs des ursprünglichen Vermögens herzuleiten ist. Damit hat der Senat auch Überlegungen eine Absage erteilt, dass Bezugsrechte eine entscheidende Rolle spielen könnten. Daran ändert auch die von der Klägerin in der Anhörungsrüge zitierte Entscheidung des OLG Hamburg vom 19. März 1956 – 5 WiS 123/55 – (RzW 1956, 199 ≪201≫) nichts, die sich mit der hier nicht erheblichen Frage befasst, ob sich der Rückerstattungsanspruch auf das Bezugsrecht der Aktionäre erstreckt, d.h. auf den Anspruch, neue Aktien zu den im Erhöhungsbeschluss allgemein festgesetzten Bedingungen zu erwerben.
5. Auch die Rüge der Klägerin, die vom Senat vorgenommene Würdigung, wonach der Geschädigte nicht mehr zurückerhalten dürfe, als ihm entzogen worden sei, lasse maßgebliches Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt, geht fehl. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass schon aus tatsächlichen Gründen aufgrund des Zeitablaufs von 75 Jahren und der nach 1945 erfolgten Vergesellschaftung der Produktionsmittel der eigentliche Entzugsvorgang nicht mehr wiedergutgemacht werden könne. Hinzu kämen nach dem Vermögensgesetz die Ausschlussgründe gemäß §§ 4, 5 VermG. Deshalb lassen es sich ohne Weiteres begründen, dass bestimmte Regelungen des Vermögensgesetzes – wie hier die Restitution später angeschaffter Grundstücke – die NS-Verfolgten auch als ausgleichendes Korrektiv dieses tatsächlichen Befundes gegenüber den alliierten Rückerstattungsvorschriften begünstigen könnten.
Mit der Rüge, dass der Senat dieses schriftsätzliche Vorbringen nicht berücksichtigt habe, wendet sich die Klägerin in der Sache gegen die Auslegung des Vermögensgesetzes durch den Senat, was aber nicht Gegenstand einer Anhörungsrüge sein kann. Davon abgesehen, hat der Senat in dem Urteil ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung den von der Klägerin kritisierten wiedergutmachungsrechtlichen Grundsatz betont, dass der Geschädigte nicht mehr zurückerhalten darf, als ihm entzogen wurde. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er der Argumentation der Klägerin nicht folgt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in dem Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vom 20. März 1997 zu den Gesetzentwürfen, die Grundlage des Wohnungsmodernisierungssicherungsgesetzes waren, ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, “dass die Berechtigten i.S.d. § 1 Abs. 6 VermG durch die Eingliederung ihrer Ansprüche in das Vermögensgesetz weder schlechter noch besser als bei der Anwendung der alliierten Rückerstattungsrechte gestellt waren” (BTDrucks 13/7275 S. 46 zu § 3 Abs. 1 Satz 11 VermG). Diese Aussage bezieht sich nicht nur auf die Besonderheit des Satzes 11 des § 3 Abs. 1 VermG, sondern ist, wie schon die Formulierung verdeutlicht, eine generelle Aussage zur Zielsetzung der Ansprüche nach dem Vermögensgesetz. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass mit der Einfügung des § 1 Abs. 6 VermG in Anlehnung an die alliierten Rückerstattungsgesetze die Wiedergutmachung derjenigen Vermögensverluste nachholen wollte, zu denen es während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf dem Gebiet der späteren DDR und des sowjetischen Sektors von Berlin gekommen war.
6. Ebenso wenig ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin zu sehen, dass der Senat auf den Vortrag der Klägerin zur Rückerstattungsrechtsprechung, der die Anschaffung von Grundstücken mit Hilfe eines Kredits betrifft, nicht eingegangen ist. Die von der Klägerin in ihrer Revisionserwiderung und in der Anhörungsrüge zitierte Entscheidung des Board ob Review (BOR) Herford vom 21. Juli 1954 – BOR 52/422 – (RzW 1954, 323 ≪324 f.≫) ist für die Frage, ob aufgenommene Kredite zu den (ursprünglichen) Mitteln des Unternehmens gehörten, nicht einschlägig. Das von der Klägerin angeführte Zitat aus der Entscheidung betrifft die Auseinandersetzung mit dem Einwand der Vorinstanz, dass die Rückerstattung eines Gesellschaftsanteils von 50 % zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Berechtigten führen würde, wenn der rückerstattungsfähige Gesellschafter durch eigene, nicht aus dem Unternehmen stammende Mittel zur namhaften Erweiterung der finanziellen Grundlage des Unternehmens beigetragen haben soll. Diese Frage, die der BOR Herford verneinte, stellt sich hier nicht, weil es sich nicht um die bloße Zuführung von Mitteln etwa als Kredit, sondern um die erhebliche Erhöhung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft handelte. Der BOR Herford differenzierte bei der Frage, ob eine Änderung der finanziellen Verfassung eingetreten ist, aufgrund derer eine derartige Beteiligung unangebracht wäre, zwischen der bloßen Zuführung von Mitteln etwa in der Form eines Bankkredits einerseits und andererseits der Einbringung neuen Kapitals in eine Gesellschaft, um ihr Stammkapital (es handelte sich um eine ursprüngliche GmbH) zu erhöhen (oder um Vorzugsaktien auszugeben). Im letzteren Fall bejahte der BOR Herford eine Veränderung der finanziellen Struktur und damit die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Wiedergutmachungskammer nach Art. 18 BrREG. Auf diese Differenzierung hat der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg
Fundstellen