Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 23.02.2010; Aktenzeichen 3 Bf 70/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 500 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), bleibt ohne Erfolg. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts erheblich war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
Rz. 2
Im Hinblick auf die gegenüber dem Kläger auf der Grundlage des § 6b des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 6. Juli 2006 (HmbGVBl S. 376) – HmbHG 2006 – festgesetzten und hier noch umstrittenen Studiengebühren für den Zeitraum vom Sommersemester 2007 bis zum Sommersemester 2008 will die Beschwerde geklärt wissen: “Verstößt die Erhebung sog. allgemeiner Studiengebühren bei bereits vor Gesetzeseinführung immatrikulierten Studierenden gegen den Vertrauensschutzgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG bzw. einen gesteigerten Vertrauensschutz aus vorangegangener Gremientätigkeit?” Damit zeigt sie keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts auf.
Rz. 3
Die Auffassung des Klägers, die Erhebung von Studiengebühren verstoße in Bezug auf solche Studierende, die bei Einführung der allgemeinen Studienbeiträge bereits eingeschrieben waren, gegen das bundesverfassungsrechtliche Prinzip des Vertrauensschutzes, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der – als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (stRspr; s. nur Beschlüsse vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 S. 43 und vom 17. März 2008 – BVerwG 6 B 7.08 – Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Dem diesbezüglichen Darlegungserfordernis wird nicht schon dadurch genügt, dass die maßgeblichen Vorschriften des irrevisiblen Landesrechts als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen werden. Vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, gegen welche Verfassungsnormen verstoßen wird und inwiefern sich bei deren Auslegung Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen, die sich noch nicht auf der Grundlage bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lassen. Daran fehlt es hier.
Rz. 4
In Bezug auf die in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern neu eingeführten allgemeinen Studiengebühren bzw. -beiträge ist geklärt, dass deren Anwendung auf solche Studierende, die zum Stichtag bereits immatrikuliert waren, an den Anforderungen einer unechten Rückwirkung zu messen ist, weil sie auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft einwirkt (s. Urteil vom 15. Dezember 2010 – BVerwG 6 C 10.09 –). Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Betroffenen auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertrauen durften und dieses Vertrauen schutzwürdiger ist als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen (stRspr des BVerfG, vgl. Beschluss vom 14. Oktober 1997 – 1 BvL 5/93 – BVerfGE 96, 330 ≪340≫, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94 – BVerfGE 101, 239 ≪263≫ m.w.N.). In diesem Zusammenhang hat der Senat ebenfalls geklärt, dass ein schutzwürdiges Vertrauen der Studierenden auf die unveränderte Fortgeltung der prinzipiellen Abgabenfreiheit des Studiums angesichts der seit den 1990er Jahren geführten politischen und rechtlichen Auseinandersetzungen, die von einem im Jahr 2003 beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemachten Normenkontrollverfahren gegen den damaligen § 27 Abs. 4 HRG über die Gebührenfreiheit des Erststudiums begleitet wurden (s. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 – 2 BvF 1/03 – BVerfGE 112, 226), für die Zukunft nicht entstehen konnte. Ein rechtlich beachtliches Vertrauen der Studierenden konnte sich vielmehr von vornherein nur darauf beziehen, dass eine etwaige gesetzliche Neuregelung ihnen die Fortsetzung des Studiums nicht finanziell unmöglich machen und sie nicht unvermittelt und übergangslos mit der Abgabenerhebung konfrontieren werde (s. Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O.).
Rz. 5
Von diesen Grundsätzen hat sich auch das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil leiten lassen. Es hat ausdrücklich darauf abgehoben, dass die umstrittene gesetzliche Neuregelung für die bei Inkrafttreten bereits eingeschriebenen Studierenden eine Übergangsfrist von rund einem Dreivierteljahr vorsah (§ 129a HmbHG 2006) und im Übrigen – in Gestalt des Darlehensanspruchs (§ 6c HmbHG 2006) – ausreichende Schutzvorkehrungen traf, die sicherstellten, dass (auch) diese Studierenden nicht zur Aufgabe ihres Studiums aufgrund fehlender finanzieller Mittel gezwungen waren. Soweit die Beschwerde die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, insbesondere was die Ausgestaltung der Übergangsfrist angeht, für unzureichend hält, wird ein weitergehender grundsätzlicher Klärungsbedarf in Bezug auf die bundesverfassungsrechtlichen Maßstäbe des Vertrauensschutzes nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.
Rz. 6
Entsprechendes gilt auch, soweit sich der Kläger auf einen “gesteigerten” Vertrauensschutz im Hinblick auf die Verlängerung seiner Studiendauer aufgrund vorangegangener Gremientätigkeit beruft und es für klärungsbedürftig erachtet, “wann eine Ermessensreduzierung auf Null in Fällen der unbilligen Härte in Bezug auf Studiengebühren anzunehmen ist”. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass grundsätzlich weder das in der Rechtsstaatlichkeit verankerte Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) noch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eine erweiterte Übergangsregelung bzw. eine generelle Befreiungs- oder Ermäßigungsvorschrift zu Gunsten solcher Studierender verlangen, die in der universitären Selbstverwaltung vor Einführung der Studiengebühren mitgewirkt haben oder noch mitwirken. Zwar darf bei der Erhebung von Studiengebühren nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, dass sich die Studienzeit durch die Mitarbeit in Selbstverwaltungsgremien verlängern kann. Es reicht aber aus, dass eine solche Mitarbeit im Sinne der allgemeinen Erlassregelung (§ 6b Abs. 4 HmbHG 2006) als unbillige Härte anerkannt wird, wenn sie sich im Einzelfall nachteilig auf den Fortgang des Studiums ausgewirkt und unvermeidbar zu dessen Verlängerung geführt hat (s. Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O.). Ob die Voraussetzungen einer unbilligen Härte nach dieser Vorschrift vorliegen und ob das der Hochschule gegebenenfalls eingeräumte Ermessen, die Studiengebühr ganz oder teilweise zu erlassen, auf “Null” reduziert ist, kann nur nach Maßgabe der jeweiligen Umstände entschieden werden und entzieht sich damit einer grundsätzlichen revisionsgerichtlichen Klärung.
Rz. 7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Neumann, Dr. Bier, Dr. Möller
Fundstellen