Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums durch Regelungen über den Natur- und Landschaftsschutz
Leitsatz (amtlich)
Regelungen des Naturschutzes, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, sind keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Als unzumutbare Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erweisen sich die Bestimmungen nur dann, wenn nicht genügend Raum mehr für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder für eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder die sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (wie Beschluß vom 18. Juli 1997 – BVerwG 4 BN 5.97 – Buchholz 406.401 § 13 BNatSchG Nr. 3).
Normenkette
GG Art. 12, 14; VwGO § 132 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Entscheidung vom 04.03.1999; Aktenzeichen 3 K 3851/94) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. März 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist, soweit sie den Darlegungsanforderungen genügt, unbegründet. Ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor (1.). Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO läßt sich den maßgeblichen Ausführungen der Beschwerdebegründung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) nicht entnehmen (2.). Auch eine Divergenz wird nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vorgebracht (3.).
1. Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind Verstöße gegen das Prozeßrecht, also Fehler, die das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, bei der Handhabung seines Verfahrens begeht. Mängel des dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens genügen grundsätzlich nicht (BVerwG, Beschluß vom 17. März 1994 – BVerwG 3 B 12.94 – Buchholz 316 § 26 VwVfG Nr. 1 S. 3 = NVwZ-RR 1995, 113; Kopp, VwGO, § 132 Rn. 21 a; Pietzner in Schoch u.a., VwGO, § 132 Rn. 95 m.w.N.). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Antragsgegnerin vor Erlaß der Verordnung ein Sachverständigengutachten über die Auswirkungen der Verordnung für den landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers einholen mußte, betrifft somit das materielle Recht, zu dem in diesem Zusammenhang auch das Verwaltungsverfahrensrecht gehört. Im übrigen knüpft die Beschwerde mit § 30 Abs. 3 NdsNatSchG ausschließlich an nicht revisibles Landesrecht an (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
Soweit die Beschwerde rügt, das Normenkontrollgericht habe wegen der Folgen der Unterschutzstellung nicht im einzelnen ermittelt, mit welchen Einbußen im wirtschaftlichen Ertrag „unter Berücksichtigung der generellen Vorgaben des durch die EU bestimmten Rechts der Landwirtschaft” gerechnet werden müsse, begründet sie ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Ein Aufklärungsmangel als Verfahrensfehler ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn mit der Beschwerde im einzelnen dargelegt wird, welche Beweismittel ihrer Ansicht nach das Tatsachengericht hätte heranziehen und weshalb sich dies ihm hätte aufdrängen müssen sowie welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich im einzelnen daraus noch ergeben hätten (stRspr; vgl. z.B. BVerwGE 31, 212 ≪217≫; Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = DÖV 1998, 117 m.w.N.). Hier fehlt es schon an der Darlegung, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich für das Tatsachengericht ergeben hätten. Die Beschwerde macht keine Ausführungen zu dem zu erwartenden Ergebnis der Ermittlungen.
Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts zum materiellen Recht waren die Einbußen eines einzelnen Betriebes für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnung auch nicht erheblich. Soweit bei einem einzelnen Betrieb wirtschaftliche Einbußen in dem Umfang eintreten sollten, daß sie eine Verletzung von Grundrechten bewirken, hat dies nach der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts nicht die Rechtswidrigkeit der Verordnung zur Folge. Vielmehr besteht nach den Ausführungen des Normenkontrollgerichts die Möglichkeit, mit Hilfe der in den §§ 7 f. der Verordnung geregelten Ausnahmen, Erlaubnissen und Befreiungen auf einen Einzelfall sachgerecht zu reagieren (Urteil S. 18).
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Aus dem Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich nicht, daß das erstrebte Revisionsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen revisiblen Rechts mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts noch höchstrichterlicher Klärung bedürfen (vgl. BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫).
a) Die Beschwerde legt nicht dar, aus welchen Gründen die von ihr aufgestellten Thesen eine über den Einzelfall hinausreichende Tragweite für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts haben sollen. Sie erschöpft sich insoweit in der Behauptung einer grundsätzlichen Bedeutung, ohne diese selbst zu begründen. Dies reicht für eine Grundsatzrüge nicht aus (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
b) Soweit die Beschwerde darüber hinaus eine grundsätzliche Bedeutung in der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Begriffs der „Heidelandschaft” und in der Abgrenzung einer „Insellage” von der eigenständig zu beurteiltenden „Fläche” sieht, wären diese Rechtsbegriffe in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Das Normenkontrollgericht hat diese Begriffe ausschließlich im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des § 24 NdsNatSchG angesprochen, bei dem es sich um irrevisibles Landesrecht handelt (§ 137 Abs. 1 VwGO).
c) Soweit die Beschwerde sich weiterhin auf die Verletzung der Art. 20, 14 und 12 GG beruft, spricht sie zwar revisibles Bundesrecht an. Jedoch wird – neben der fehlenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung – auch keine rechtsgrundsätzliche Auslegungsfrage zu Art. 14 oder Art. 12 GG dargelegt. Die rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage muß sich gerade im Hinblick auf das revisible Recht, hier also auf die von der Beschwerde als bundesrechtlichen Kontrollmaßstab herangezogenen Regelungen des Grundgesetzes stellen. Näher darzulegen ist, inwiefern die angeführte bundesverfassungsrechtliche Norm selbst – über die bisherige Rechtsprechung hinaus – weitere ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das ist nicht geschehen.
Eine Frage des irrevisiblen Landesrechts wird nicht schon deshalb rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, weil auch revisibles Recht verletzt sein könnte. Das Revisionszulassungsrecht des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nimmt es grundsätzlich hin, falls ein Gericht in Fragen des Landesrechts unter Verstoß gegen revisibles Bundesrecht fehlerhaft entscheiden sollte. Insoweit unterliegen eine zugelassene Revision und eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben. Die Beschwerde hätte deshalb im einzelnen darlegen müssen, welche ungeklärten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung die Auslegung der Art. 14 und 12 GG aufwirft. Hierzu enthält sie jedoch keine Ausführungen.
Soweit die Beschwerde im Hinblick auf das Eigentums- und das Erbrecht sinngemäß vorbringen will, Art. 14 Abs. 1 GG verlange den Bestand von mehr als einer wirtschaftlich ausgehöhlten Eigentumsposition, ist die aufgeworfene Frage darüber hinaus auch nicht klärungsbedürftig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sind Regelungen des Naturschutzes, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (z.B. BVerwGE 94, 1, 3 f.; Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 6 C 3.97 – Buchholz 406.401 § 20 BNatSchG Nr. 2; Beschluß vom 18. Juli 1997 – BVerwG 4 BN 5.97 – Buchholz 406.401 § 13 BNatSchG Nr. 3 m.w.N.). Aus der verfassungsrechtlichen Garantie des Grundeigentums läßt sich kein Anspruch auf Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten herleiten, die dem Eigentümer den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen (BVerfGE 84, 382, 385; 51, 300, 345). Als unzumutbare Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erweisen sich die Bestimmungen nur dann, wenn nicht genügend Raum mehr für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder für eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder die sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird (Beschluß vom 18. Juli 1997 – BVerwG 4 BN 5.97 – a.a.O.).
Von diesem rechtlichen Ansatz ist das Normenkontrollgericht auch ausgegangen. Das Normenkontrollgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, daß Nutzungsverbote nicht soweit ausgedehnt und verdichtet werden dürften, daß der Antragsteller nur noch „pro forma” Eigentümer seiner landwirtschaftlichen Flächen sei. Die Privatnützigkeit des Eigentums dürfe nicht dauerhaft ausgeschlossen und durch eine Sozial- oder Fremdnützigkeit abgelöst werden. Die durch die Verordnung der Antragsgegnerin über das Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide” in den Landkreisen Harburg und Soltau – Fallingbostel vom 17. Juni 1993 eintretenden Beschränkungen des Eigentums führten nicht dazu, „daß das verfassungsrechtliche Mindestmaß an Nutzungs- und Verfügungsfreiheit des Antragstellers als Eigentümer beeinträchtigt wird” (Urteil S. 17 f.).
Wenn die Beschwerde daneben einen Eingriff in das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit annimmt, weil sie eine Festschreibung der Nutzungsmöglichkeiten und damit die Unmöglichkeit einer Entwicklung des landwirtschaftlichen Betriebs sieht, steht die Beschwerde schließlich auch nicht im Einklang mit der den Senat bindenden Auslegung des Landesrechts durch das Normenkontrollgericht. Auf der Grundlage des maßgeblichen Landesrechts liegt eine solche Festschreibung des derzeitigen Zustandes nicht vor. Nach den Ausführungen des Normenkontrollgerichts eröffnet die Befreiungsregelung des § 8 der Verordnung die Möglichkeit, die aufgrund der typisierenden Verordnungsregelung bestehenden Nutzungsbeschränkungen im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall sachgerecht und verfassungskonform zu korrigieren. Änderungen in der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen können unter Berücksichtigung auch der Grundrechte des Antragstellers im auf den Einzelfall bezogenen Befreiungsverfahren geprüft werden.
3. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann i.S. des § 133 Abs. 3 Satz 3 VWGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18); für die behauptete Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) gilt Entsprechendes (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Januar 1994 – BVerwG 11 B 116.93 – Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz – noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluß vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 ≪S. 55≫).
Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Der Vortrag, das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts weiche von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE 15, 1 und BVerwGE 49, 365 ab, weil in der ersten dieser Entscheidungen „die Situationsgebundenheit vorgeprägt war durch eine bereits der späteren Beeinträchtigung von der Art und Weise der Beeinträchtigung entsprechenden Beeinträchtigung” und in der zweiten „die Situationsgebundenheit sich in der natürlichen Beschaffenheit des Grund und Bodens geäußert” habe, während in der angegriffenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts „die Situationsgebundenheit (sich) nicht aus den ‚natürlichen’ Verhältnissen ergibt, sondern (von) der Einbeziehung einer bisher nicht unter Naturschutz stehenden Fläche in ein aus Rechtsgründen rechtlich neu zu konstituierenden, tatsächlich bereits vorhandenen Naturschutzgebietes herrührt, ohne daß die durch die neue Grenzziehung betroffene Landschaft eine bisher dem Naturschutz unterstellte Landschaft war”, beschreibt keine Divergenz im Sinne der gesetzlichen Anforderungen. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die bezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts zu jeweils verschiedenen Rechtsnormen ergangen sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Unterschriften
Albers, Eckertz-Höfer, Graulich
Fundstellen
NVwZ-RR 2000, 339 |
NuR 2000, 267 |
BayVBl. 2001, 444 |