Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 01.09.2015; Aktenzeichen 10 D 44/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2015 wird verworfen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) verfehlt die Darlegungsanforderungen, weil substantiierte Angaben dazu, warum die aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftig sein sollen, durchgängig fehlen.
Rz. 3
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Hierzu muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der Beschwerdebegründung dargelegt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 9. April 2014 – 4 BN 3.14 – ZfBR 2014, 479 Rn. 2). An entsprechenden Darlegungen fehlt es hier.
Rz. 4
a) Rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde beim Begriff einer „Verkaufsflächenuntergrenze”. Soweit verständlich, möchte sie sinngemäß klären lassen,
ob in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel die Festsetzung einer Verkaufsflächenobergrenze für bestimmte Sortimente durch die Festsetzung einer „Verkaufsflächenuntergrenze” für andere Sortimente erfolgen kann.
Rz. 5
Die Frage betrifft die Annahme des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 18 f.), dass die textliche Festsetzung einer Verkaufsfläche von mindestens 250 m² für Getränke zulässig sei. Sie sei – so das Oberverwaltungsgericht – dahin zu verstehen, dass der Grundstücksnutzer nicht zwingend auf mindestens 250 m² tatsächlich Getränke verkaufen müsse, sondern dass die betreffende Fläche entweder für den Verkauf von Getränken genutzt werden dürfe oder ansonsten ungenutzt bleiben müsse. Damit wirke sie sich tatsächlich als eine nach § 11 Abs. 2 BauNVO festgesetzte Obergrenze der höchstzulässigen Verkaufsfläche für anderweitige Nutzungen aus. Aus welchen Gründen diese auf den Einzelfall bezogene Auslegung klärungsbedürftige Fragen des Bundesrechts aufwerfen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 6
b) Auch mit der Frage,
ob zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, die sich ein Bebauungsplan aus anderen Regelwerken der Gemeinde zu eigen macht, auf das Begriffsverständnis des Regelwerks zurückgegriffen werden darf, wenn das Regelwerk der Bebauungsplanbegründung als Anlage beigefügt ist, jedoch weder im Bebauungsplan selbst noch in der Begründung auf die (dort verwendeten) unbestimmten Rechtsbegriffe ausdrücklich Bezug genommen worden ist,
legt die Beschwerde grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht dar. Sie lässt erkennen, dass die Frage auf die im Bebauungsplan verwendeten Begriffe der „zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente, der nicht zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente einschließlich der Neben- und Randsortimente” zielt. Indes fehlen Angaben dazu, welches „Regelwerk” die Beschwerde eigentlich meint. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Bestimmtheit bauleitplanerischer Festsetzungen in der Rechtsprechung des Senats (z.B. BVerwG, Urteil vom 11. März 1988 – 4 C 56.84 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30 S. 1 und Beschluss vom 21. Dezember 2012 – 4 BN 32.12 – ZfBR 2013, 279) rechtsgrundsätzlich geklärt. Dass die hierzu entwickelten rechtlichen Maßstäbe einer Korrektur oder weitergehenden revisionsgerichtlichen Klärung bedürften, legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 7
c) Nicht entscheidungserheblich ist auch der Begriff des „projektbezogenen Angebotsbebauungsplans”, den die Beschwerde klären lassen möchte. Insoweit fehlt bereits eine ausdrücklich formulierte Rechtsfrage. Aber auch in der Sache bleibt im Dunkeln, wogegen sich die Kritik der Beschwerde richtet. Denn das Oberverwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass sich die Antragsgegnerin „auf eine Art Rosinentheorie” zurückgezogen hätte, wie die Beschwerde unterstellt. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 29) hat in der streitgegenständlichen Planung vielmehr eine attraktive, ausgewogene und an den realen Bedürfnissen orientierte Angebotsplanung gesehen, die ein hinreichend adäquates Instrument zur Umsetzung der städtebaulichen Ziele des Plangebers sei.
Rz. 8
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Auch hinsichtlich der behaupteten Abweichungen des Normenkontrollurteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen.
Rz. 9
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Auch daran fehlt es.
Rz. 10
a) Das gilt zum einen, soweit die Beschwerde geltend macht, indem das Oberverwaltungsgericht es für zulässig erachtet habe, neben den Quadratmeterobergrenzen der Gesamtverkaufsfläche des Betriebes und einzelner Sortimente gleichzeitig auch ein anderes Sortiment mit einer „Verkaufsflächenobergrenze” (richtig wohl: „Verkaufsflächenuntergrenze”) festzusetzen, weiche es von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 1990 – 4 C 36.87 – (Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17 S. 15) ab. Denn zu Verkaufsflächenuntergrenzen hat sich der Senat in der zitierten Entscheidung nicht geäußert.
Rz. 11
b) Sich widersprechende Rechtssätze stellt die Beschwerde auch nicht einander gegenüber, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Oberverwaltungsgericht die unbestimmten Rechtsbegriffe der „zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente, der nicht zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente einschließlich der Neben- und Randsortimente” mit Blick auf die Ausführungen in der Planbegründung und sonstigen Unterlagen des Aufstellungsverfahrens gebilligt habe. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass die zeichnerischen und textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans aus sich heraus verständlich sein müssen, den die Beschwerde der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts gegenüberstellt, lässt sich der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. März 1988 – 4 C 56.84 – Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30 S. 1) nicht entnehmen. Umgekehrt fehlt es hinsichtlich des Rechtssatzes, die Begründung des Bebauungsplans könne weder Festsetzungen ersetzen noch an deren Stelle treten, den die Beschwerde der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen zu können glaubt, an einem widersprechenden Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts.
Rz. 12
c) Schließlich legt die Beschwerde eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz auch nicht dar, soweit sie sich gegen den Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 28) wendet, wonach die Frage, ob der Rat der Antragsgegnerin zur weiteren Steuerung des großflächigen Einzelhandels künftig auf dem Grundstück des Antragstellers zu 1 Beschränkungen des zulässigen Einzelhandels festsetzen werde, nicht Gegenstand dieses Normenkontrollverfahrens sei. Dieser Rechtsstandpunkt widerspricht nicht dem von der Beschwerde zitierten, auf eine abschnittsweise Straßenplanung bezogenen Rechtssatz des Senats (Urteil vom 16. Juni 2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41 Rn. 22) des Inhalts, dass die spätere Betroffenheit eines Grundeigentümers mit Grundstücken außerhalb des Plangebiets in die bauleitplanerische Abwägung einbezogen werden muss, wenn diese Betroffenheit Folge des planerischen Konzepts der Gemeinde, das der Baugebietsausweisung zugrunde liegt, und Ausdruck der planerischen Selbstbindung ist. Denn von einen die Gemeinde bindenden planerischen Konzept ist das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen.
Rz. 13
3. Die Beschwerde verfehlt schließlich auch die Darlegungsanforderungen, soweit sie einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht. Sie wendet sich dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht seine zur Auslegungsfähigkeit der Festsetzungen des Bebauungsplans vertretene Rechtsauffassung nicht mit Rechtsprechungszitaten belegt habe. Es fehlt aber bereits jede Angabe dazu, gegen welche Verfahrensvorschrift das Oberverwaltungsgericht hierdurch verstoßen haben soll. Eine solche Verfahrensvorschrift existiert auch nicht. Ein Urteil muss lediglich erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich waren (z.B. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 – 9 B 412.98 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32). Eine Rechtspflicht, diese Überlegungen gegebenenfalls auch mit Rechtsprechungsnachweisen zu belegen, besteht nicht.
Rz. 14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Rz. 15
Den mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 formulierten Antrag der Beschwerde, das Aktivrubrum des Beschwerdeverfahrens dahingehend zu berichtigen, dass neben dem Antragsteller zu 1 auch die im Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch beteiligte Antragstellerin zu 2 in das Rubrum aufgenommen wird, versteht der Senat als Anregung. Zur Berichtigung des Rubrums besteht indes keine Veranlassung. Ausweislich des Beschwerdeschriftsatzes vom 1. Oktober 2015 ist die Beschwerde „in der Verwaltungsstreitsache des Rechtsanwalts H. A. … – Antragsteller und Beschwerdeführer –”, mithin nur im Namen des Antragstellers zu 1 erhoben worden. Dass der Antragsteller zu 1, der im Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht als Bevollmächtigter der Antragstellerin zu 2 aufgetreten war, zugleich auch im Namen der Antragstellerin zu 2 Beschwerde erhoben hätte, lässt sich dem Beschwerdeschriftsatz nicht entnehmen. Ein Beschwerdeverfahren der Antragstellerin zu 2 ist deshalb nicht anhängig, ein zu berichtigender Fehler im Rubrum liegt nicht vor. Insoweit geht auch der „rein vorsorglich und äußerst hilfsweise” gestellte Antrag, die Verfahren zu trennen, ins Leere.
Rz. 16
Der Senat versteht das Schreiben vom 27. Januar 2016 auch nicht so, dass nunmehr erstmalig im Namen der Antragstellerin zu 2 Beschwerde erhoben werden soll. Denn diese Beschwerde wäre wegen Verfristung (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) kostenpflichtig zu verwerfen.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Külpmann
Fundstellen